Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2014 - XII ZB 431/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beklagte begehrt Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist.
- 2
- Die Beklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts zur Zahlung von 2.022,04 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt worden. Das Urteil ist ihrem Prozessbevollmächtigten (im Folgenden: Nebenintervenient) am 14. Februar 2013 zugestellt worden. Am 14. März 2013 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Am 23. April 2013 hat der Kammervorsitzende die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht begründet worden und deswegen beabsichtigt sei, sie zu verwerfen. Auf diesen, dem Nebenintervenienten am 29. April 2013 zugegangenen Hinweis hat die Beklagte am 13. Mai 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und den Wiedereinsetzungsantrag sowie die Berufung selbst begründet. Die Rechtsanwaltsfachangestellte des Nebenintervenienten sei kanzleiintern mit dem Notieren der Fristen beauftragt; hierbei habe es niemals Anlass zur Beanstandung gegeben. Im konkreten Fall habe sie nach Eingang des Urteils des Amtsgerichts zwar die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist berechnet und auf der Ausfertigung des Urteils notiert. Sie habe auch die Berufungsfrist im Fristenbuch notiert, jedoch die Berufungsbegründungsfrist aufgrund erheblichen und überobligatorischen Arbeitsanfalls vergessen einzutragen.
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- Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Hiergegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der dem Rechtsstreit auf ihrer Seite als Nebenintervenient beigetreten ist, mit der Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil der Nebenintervenient nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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- Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen und die Berufung verworfen.
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- 1. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass das Verschulden des Nebenintervenienten in dem Versäumnis liege, die ordnungsgemäße Notie- rung der Berufungsbegründungsfrist zu überprüfen, als ihm die Akte zur Einlegung der Berufung vorgelegt worden sei. Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts , dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt würden, beschränke sich nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert worden sei, sondern erstrecke sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist. Danach wäre der Nebenintervenient gehalten gewesen, bei der Fertigung der Berufungsschrift am 14. März 2013 die ordnungsgemäße Notierung des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist zu überprüfen. Dies habe er indes offensichtlich unterlassen. Andernfalls hätte er bemerken müssen, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert worden sei, und die richtige Notierung der Berufungsbegründungsfrist veranlassen können. Zudem sei dem Schriftsatz der Beklagten zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nicht zu entnehmen, ob und welche allgemeinen Anweisungen der Nebenintervenient in Bezug auf das Notieren der Fristen und ihre Überwachung erteilt habe sowie ob und in welcher Weise er selbst eine Überprüfung vornehme. Vielmehr trage der Nebenintervenient vor, seine Angestellte habe lediglich zu Beginn des vor sechs Jahren aufgenommenen Anstellungsverhältnisses stichpunktartig wegen der Einhaltung der kanzleiinternen Anweisungen und Abwicklung der Arbeitsvorgänge überprüft zu werden brauchen.
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- 2. Die Entscheidung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
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- a) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fris- tenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen (Senatsbeschluss vom 27. November 2013 - XII ZB 116/13 - juris Rn. 7 mwN).
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- Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Senats ausreichend, wenn die Kanzleiangestellte die Frist nach der Organisationsanweisung zunächst im Fristenkalender und erst danach mit dem Sachbearbeiter-Handzeichen in der Handakte zu notieren hat. Denn die Büroorganisation schreibt damit eine Reihenfolge vor, nach der die Kanzleiangestellte vorzugehen hat. Auch ohne ausdrücklichen Erledigungsvermerk ist diese Reihenfolge, nach der die Kanzleiangestellte bei der Fristenerfassung zu handeln hat, geeignet sicherzustellen , dass nur solche Fristen in der Akte notiert werden, die zuvor in den Fristenkalender eingetragen wurden (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 12).
- 10
- b) Gemessen hieran vermag die zur Wiedereinsetzung abgegebene Begründung des Nebenintervenienten eine Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen.
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- Zwar hat die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass der Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, die Notierung der Fristen durch Einsichtnahme in den Fristenkalender selbst sicherzustellen. Jedoch hat er die Eintragung in einer - wie oben dargestellt - verlässlichen Art und Weise zu überprüfen, wenn ihm die Handakte im Rahmen einer fristgebundenen Maßnahme vorgelegt wird. Deswegen hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Nebenintervenient in der Begründung zur Wiedereinsetzung nicht dargelegt hat, dass er eine solche Überprüfung vorgenommen hat. Das Wiedereinsetzungsgesuch stellt allein darauf ab, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte in der Vergangenheit beanstandungsfrei gearbeitet hat. Dies macht indessen die erforderliche Gegenkontrolle nicht entbehrlich.
- 12
- Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich auch aus den dem Wiedereinsetzungsgesuch zur Glaubhaftmachung beigefügten Urkunden nicht auf eine Büroorganisation schließen, die eine Gegenkontrolle hinreichend gewährleistet. Anders als es in der Rechtsbeschwerde anklingt, ergibt sich weder aus der eidesstattlichen Versicherung noch aus dem Vermerk auf der Ausfertigung des amtsgerichtlichen Urteils, dass die Notierung der Berufungsbegründungsfrist auf dem fristauslösenden Schriftstück zwingend eine bereits erfolgte Eintragung im Fristenkalender voraussetzt.
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- Weil der Nebenintervenient in seinem Wiedereinsetzungsgesuch - worauf das Landgericht zutreffend hinweist - seine Büroorganisation nicht ansatzweise dargelegt hat, war das Landgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht gehalten, bei ihm nachzufragen, ob und in welcher Weise die Prüfung der Eintragung der Frist für die Berufungsbegründung bei Vorbereitung oder Unterzeichnung der Berufungsschrift erfolgt sei.
Vorinstanzen:
AG Altenburg, Entscheidung vom 08.02.2013 - 5 C 210/12 -
LG Gera, Entscheidung vom 14.06.2013 - 1 S 92/13 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.