Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2017 - XII ZB 430/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung einer zwangsweisen Heilbehandlung.
- 2
- Der Betroffene ist nach § 126 a StPO in einem psychiatrischen Krankenhaus einstweilig untergebracht. Mit Beschluss vom 13. Juli 2016 hat das Amtsgericht die Fortführung der zwangsweisen Behandlung des Betroffenen mit im Beschlusstenor im Einzelnen bezeichneten Medikamenten bis längstens zum 24. August 2016 sowie die zwangsweise Erhebung von Kontrollbefunden (Blutabnahme , EKG) im Mindestabstand von vier Wochen genehmigt.
- 3
- Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht die amtsgerichtliche Genehmigung der zwangsweisen Erhebung von Kontrollbefunden aufgehoben. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, durch die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
II.
- 4
- Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
- 5
- 1. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der - hier vorliegenden - Erledigung der Unterbringungsmaßnahme aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 7 mwN).
- 6
- 2. Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht haben den Betroffenen jedoch nicht in seinen Rechten verletzt. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu einem den Anforderungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsPsychKG genügenden Überzeugungsversuch seien unzureichend, greift nicht durch.
- 7
- a) Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsPsychKG, der im vorliegenden Fall der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO anwendbar ist (§ 38 Abs. 1 Satz 5 SächsPsychKG), setzt die Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme voraus, dass der Patient über die Behandlung und ihre beabsichtigten Wirkungen sowie Nebenwirkungen in einer ihm möglichst verständlichen Weise umfassend aufgeklärt worden ist mit dem Ziel, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Die Aufklärung muss gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SächsPsychKG von dem nach § 33 SächsPsychKG zuständigen Arzt vorgenommen werden, der die Entscheidung über die Behandlung trifft. Nach § 33 Satz 1 SächsPsychKG sind belastende Vollzugsmaßnahmen nur auf Anordnung der ärztlichen Leitung des Krankenhauses oder deren Vertreter zulässig. Diese Vorschriften regeln den von Verfassungs wegen erforderlichen Überzeugungsversuch (vgl. BVerfG FamRZ 2013, 767 Rn. 69 und vom 19. Juli 2017 - 2 BvR 2003/14 - juris Rn. 34 ff.).
- 8
- b) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen ist diese Voraussetzung für eine Behandlung des Betroffenen gegen seinen Willen erfüllt.
- 9
- Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, wurde der Betroffene bereits im Juni 2016 umfassend über die Vor- und Nachteile der beabsichtigten Medikamenteneinnahme aufgeklärt. Aus den im Rahmen des erstinstanzlichen Anhörungstermins übergebenen Unterlagen zu den therapeutischen Verlaufsdaten hat das Amtsgericht entnommen, dass der Betroffene regelmäßig auf die Medikamenteneinnahme angesprochen wurde, aber ein eingehendes Gespräch hierzu ablehnte. Schließlich hat der stellvertretende Chefarzt der Unterbringungseinrichtung bei seiner Anhörung durch das Beschwerdegericht angegeben, dass während der Zeit der Unterbringung des Betroffenen "andauernd" versucht worden sei, den Betroffenen von einer freiwilligen Medikamenteneinnahme zu überzeugen.
- 10
- Damit sind die Anforderungen erfüllt, die § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SächsPsychKG als Voraussetzung für die gerichtliche Genehmigung einer ärztlichen Zwangsbehandlung aufstellt.
- 11
- c) Die weitere Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 564 Satz 1 ZPO). Auch im Übrigen ist die vom Landgericht eingehend begründete Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme rechtlich nicht zu beanstanden.
- 12
- 3. Da die Rechtsbeschwerde des Betroffenen keinen Erfolg hat, war sein Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren abzulehnen.
- 13
- 4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Kamenz, Entscheidung vom 13.07.2016 - 5 XVII 814/15 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 16.08.2016 - 5 T 260/16 -
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(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage ist für die weiteren gerichtlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die sich auf die Untersuchungshaft, die Aussetzung ihres Vollzugs (§ 116), ihre Vollstreckung (§ 116b) sowie auf Anträge nach § 119a beziehen, das Gericht zuständig, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat das Beschwerdegericht den Haftbefehl erlassen, so ist das Gericht zuständig, das die vorangegangene Entscheidung getroffen hat. Wird das vorbereitende Verfahren an einem anderen Ort geführt oder die Untersuchungshaft an einem anderen Ort vollzogen, so kann das Gericht seine Zuständigkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft auf das für diesen Ort zuständige Amtsgericht übertragen. Ist der Ort in mehrere Gerichtsbezirke geteilt, so bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung das zuständige Amtsgericht. Die Landesregierung kann diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage ist das Gericht zuständig, das mit der Sache befaßt ist. Während des Revisionsverfahrens ist das Gericht zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Einzelne Maßnahmen, insbesondere nach § 119, ordnet der Vorsitzende an. In dringenden Fällen kann er auch den Haftbefehl aufheben oder den Vollzug aussetzen (§ 116), wenn die Staatsanwaltschaft zustimmt; andernfalls ist unverzüglich die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
(3) Das Revisionsgericht kann den Haftbefehl aufheben, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne weiteres ergibt, daß die Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 vorliegen.
(4) Die §§ 121 und 122 bleiben unberührt.
(5) Soweit nach den Gesetzen der Länder über den Vollzug der Untersuchungshaft eine Maßnahme der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein Land für den Vollzug der Untersuchungshaft eine Einrichtung auf dem Gebiet eines anderen Landes, können die beteiligten Länder vereinbaren, dass das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das Verfahren gilt § 121b des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.