Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2018 - XII ZB 427/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Beteiligten zu 2, 3 und 4 wenden sich gegen die Anordnung einer Pflegschaft zugunsten einer durch Testament errichteten Stiftung von Todes wegen.
- 2
- Der im Juni 2013 verstorbene Dipl.-Ing. A. M. (nachfolgend: Erblasser) setzte in seinem Testament die Dipl.-Ing. A. M. Stiftung (nachfolgend: Stiftung) als Alleinerbin ein. Gleichzeitig ordnete er die Errichtung der Stiftung von Todes wegen an, falls diese im Zeitpunkt seines Todes noch nicht errichtet sein sollte. Zugunsten der Beteiligten zu 1 setzte er verschiedene Vermächtnisse aus. Das Nachlassgericht erteilte im November 2013 einen Erbschein, wonach die Beteiligten zu 2 und 3 als Kinder des Erblassers je zur Hälfte Alleinerben geworden sind.
- 3
- Im Dezember 2016 hat die Beteiligte zu 1 beim Notariat L. - Nachlassgericht - beantragt, einen Nachlasspfleger für die Stiftung zu bestellen. Diesen Antrag hat das Notariat L. - Betreuungsgericht - zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den Beteiligten zu 4 als Pfleger für die Stiftung bestellt. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben sowie der Beteiligte zu 4 als Pfleger im eigenen Namen mit ihren Rechtsbeschwerden.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerden sind unzulässig, da sie nach § 70 FamFG nicht statthaft sind. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (§ 70 Abs. 1 FamFG). Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG liegen nicht vor.
- 5
- 1. Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ist in Betreuungssachen die Rechtsbeschwerde ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung oder zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts richtet. Die Regelung knüpft damit an die gleichlautende Definition des Begriffs der Betreuungssachen in § 271 Nr. 1 und 2 FamFG an. Daraus folgt, dass die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur in den Fällen statthaft ist, die von § 271 Nr. 1 und 2 FamFG erfasst werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2011 - XII ZB 283/10 - FamRZ 2011, 1219 Rn. 10 und vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 8).
- 6
- Die angegriffene Entscheidung betrifft allerdings keine Betreuungssache im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 und 2 FamFG. Das Landgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung in analoger Anwendung der §§ 1912, 1913, 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB der Stiftung für die Wahrnehmung ihrer Rechte bis zur Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit den Beteiligten zu 4 als Pfleger bestellt. Verfahren, die eine Pflegschaft nach §§ 1911, 1913 oder 1914 BGB betreffen, sind nach § 340 Nr. 1 FamFG nicht als Betreuungssachen, sondern als betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen zu qualifizieren (vgl. Keidel/ Budde FamFG 19. Aufl. § 340 Rn. 2; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 340 Rn. 5), für die das Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften vorsieht. Insbesondere enthalten die §§ 340, 341 FamFG keine allgemeine Verweisung auf die Vorschriften über Betreuungssachen in §§ 271 bis 311 FamFG. Soweit in § 341 FamFG für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit in betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen auf § 272 FamFG verwiesen wird, bezweckt die Regelung nur, die nach früherem Recht in zahlreichen verstreuten Einzelvorschriften geregelten Zuständigkeiten des Vormundschaftsgerichts außerhalb des Betreuungs- und Unterbringungsrechts beim Betreuungsgericht zu bündeln (Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 340 Rn. 1; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 276). Entgegen der von den Rechtsbeschwerden vertretenen Auffassung kann deshalb die Bestellung eines Pflegers nach §§ 1911, 1913 oder 1914 BGB nicht einer Betreuungssache iSv § 271 Nr. 1 und 2 FamFG gleichgestellt werden.
- 7
- Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen iSv § 340 FamFG, insbesondere auf die Pflegerbestellung nach §§ 1911, 1913 oder 1914 BGB, ist aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift und des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke ebenfalls nicht möglich (vgl. auch MünchKommFamFG/Ansgar Fischer 2. Aufl. § 70 Rn. 29). Dabei kann dahinstehen, ob die umfassende Anordnung einer Pfleg- schaft für die Stiftung der Errichtung einer Betreuung vom Inhalt und der belastenden Wirkung gleichkommt, wie es von den Rechtsbeschwerden angenommen wird. Mit der Regelung des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG wollte der Gesetzgeber einen zulassungsfreien Zugang zum Bundesgerichtshof schaffen, um in Betreuungs-, Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen und somit in Verfahren, in denen gerichtliche Entscheidungen mit besonders hoher Intensität in höchstpersönliche Rechte der Beteiligten eingreifen, eine Verbesserung des Rechtsschutzes zu schaffen (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Aufl. § 70 Rn. 45; vgl. auch Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/9733 S. 290). Während in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen die Vorschrift keine Einschränkung enthält, sieht § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG in Betreuungssachen die Statthaftigkeit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nur für Entscheidungen vor, die die Bestellung eines Betreuers, die Aufhebung einer Betreuung oder die Anordnung bzw. Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts zum Inhalt haben. Damit benennt das Gesetz für Betreuungssachen abschließend die Entscheidungen, in denen der Gesetzgeber Anlass für eine Ausnahme von dem Zulassungserfordernis nach § 70 Abs. 1 FamFG gesehen hat (vgl. BeckOK FamFG/Obermann [Stand: 1. Juli 2018] § 70 Rn. 34).
- 8
- 2. Schließlich kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.
- 9
- Bedarf die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO der Zulassung durch das Beschwerdegericht, so findet dieses Rechtsmittel nur statt, wenn es in der Beschwerdeentscheidung ausdrücklich zugelassen worden ist. Enthält eine Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der Bundesgerichtshof kann mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden.
Notariat II Laupheim
LG Ravensburg, Entscheidung vom 15.03.2017 - 2 T 5/17 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
Betreuungssachen sind
- 1.
Verfahren zur Bestellung eines Betreuers und zur Aufhebung der Betreuung, - 2.
Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sowie - 3.
sonstige Verfahren, die die rechtliche Betreuung eines Volljährigen (§§ 1814 bis 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) betreffen, soweit es sich nicht um eine Unterbringungssache handelt.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.
(2) Das Nachlassgericht kann insbesondere die Anlegung von Siegeln, die Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten sowie die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses anordnen und für denjenigen, welcher Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen.
(3) Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Nachlasspfleger keine Anwendung.
Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen sind
- 1.
Verfahren, die die Pflegschaft mit Ausnahme der Pflegschaft für Minderjährige oder für ein bereits gezeugtes Kind betreffen, - 2.
Verfahren, die die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Volljährigen betreffen, sowie - 3.
sonstige dem Betreuungsgericht zugewiesene Verfahren,
Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich in betreuungsgerichtlichen Zuweisungssachen nach § 272.
(1) Ausschließlich zuständig ist in dieser Rangfolge:
- 1.
das Gericht, bei dem die Betreuung anhängig ist, wenn bereits ein Betreuer bestellt ist; - 2.
das Gericht, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; - 3.
das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt; - 4.
das Amtsgericht Schöneberg in Berlin, wenn der Betroffene Deutscher ist.
(2) Für einstweilige Anordnungen nach § 300 oder vorläufige Maßregeln ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird. Es soll die angeordneten Maßregeln dem nach Absatz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 zuständigen Gericht mitteilen.
Betreuungssachen sind
- 1.
Verfahren zur Bestellung eines Betreuers und zur Aufhebung der Betreuung, - 2.
Verfahren zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sowie - 3.
sonstige Verfahren, die die rechtliche Betreuung eines Volljährigen (§§ 1814 bis 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) betreffen, soweit es sich nicht um eine Unterbringungssache handelt.
Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen sind
- 1.
Verfahren, die die Pflegschaft mit Ausnahme der Pflegschaft für Minderjährige oder für ein bereits gezeugtes Kind betreffen, - 2.
Verfahren, die die gerichtliche Bestellung eines sonstigen Vertreters für einen Volljährigen betreffen, sowie - 3.
sonstige dem Betreuungsgericht zugewiesene Verfahren,
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.