Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Okt. 2013 - XII ZB 320/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Wert: 3.000 €
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens für die 1954 geborene Betroffene eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung eingerichtet und den Sohn der Betroffenen zum Betreuer bestellt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen.
- 2
- Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde nicht standhält.
- 4
- 1. Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde allerdings, dass das Beschwerdegericht keine weitergehenden Feststellungen zur fachlichen Qualifikation des Sachverständigen getroffen hat. Die in Bayern bestellten Landgerichtsärzte (Art. 5 Abs. 3 des bayerischen Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes vom 24. Juli 2003 [GVBl S. 452] iVm § 4 der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst vom 9. September 1986 [GVBl S. 316]) entsprechen aufgrund ihres Ausbildungsganges und ihrer besonderen praktischen Erfahrungen üblicherweise den Anforderungen , die § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG an die Sachkunde des Sachverständigen stellt (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 280 Rn. 10; vgl. auch BayObLGZ 1986, 214, 217; BayObLG FamRZ 1993, 851, 852 und FamRZ 1995, 1519 [Ls.]). Ihre Sachkunde ist in der Regel mit der Qualifikation von Ärzten vergleichbar, denen die Facharztbezeichnung zukommt, die sich aber nicht in großem Umfang mit den besonderen forensischen Aufgaben ihres Fachgebietes beschäftigt haben (vgl. BGH Urteil vom 16. Juni 1970 - 1 StR 27/70 - NJW 1970, 1981).
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- 2. Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass das Beschwerdegericht die Betroffene vor Erlass seiner Entscheidung nicht persönlich angehört hat.
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- Wie das Beschwerdegericht im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG eine Pflicht zur persönlichen Anhörung der Betroffenen auch im Beschwerdeverfahren. Allerdings kann das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise von einer erneuten Anhörung der Betroffenen abgesehen werden kann, liegen entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht vor. Eine erneute Anhörung der Betroffenen war schon deshalb erforderlich, weil die Betroffene ausweislich des Protokolls vom 2. April 2013 bei ihrer Anhörung durch den Betreuungsrichter mit der Errichtung einer Betreuung für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung einverstanden war. Das Amtsgericht brauchte daher nicht mehr zu prüfen, ob der Betroffene noch zur Bildung eines freien Willens in der Lage war (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Diese Sachlage hat sich im Beschwerdeverfahren verändert, nachdem die Betroffene mit ihrer Beschwerde geltend gemacht hat, sie könne selbst für ihre Gesundheit sorgen und zudem die "Untersuchung durch einen anderen Arzt" verlangte. Auch das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich nunmehr die Frage nach der Einrichtung der Betreuung gegen den Willen der Betroffenen stellt. Es wäre aus diesem Grunde zu prüfen gewesen, ob gemäß § 1896 Abs. 1 a BGB der freie Wille der Betroffenen gegen eine Einrichtung der Betreuung hätte sprechen können. Sobald indessen die Möglichkeit der freien Willensbildung in der Beschwerdeinstanz erstmals entscheidungserheblich wird, sind durch eine persönliche Anhörung des Betroffenen stets zusätzliche Erkenntnisse im Sinne des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu erwarten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. August 2012 - XII ZB 141/12 - FamRZ 2012, 1796 Rn. 14 und vom 16. Mai 2012 - XII ZB 454/11 - FamRZ 2012, 1207 Rn. 22).
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- 3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Klinkhammer Schilling Günter Botur Guhling
AG Bayreuth, Entscheidung vom 02.04.2013 - 2 XVII 1109/12 -
LG Bayreuth, Entscheidung vom 07.05.2013 - 42 T 59/13 -
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(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.
(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.
(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:
- 1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung, - 2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse, - 3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen, - 4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und - 5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.