Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2018 - XII ZB 313/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die 83jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Unter dem 20. März 2016 hatte sie ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1, Vorsorgevollmacht erteilt. Als die Betroffene im September 2016 vorläufig nach öffentlichem Recht untergebracht worden war, erklärte der Beteiligte zu 1 in gesonderten Erklärungen gegenüber der Betreuungsbehörde, der Einrichtungsleitung und dem Amtsgericht, dass er die Vollmacht nicht mehr ausüben wolle, da er sich mit der Regelung der Angelegenheiten der Mutter überfordert sehe. Er wünsche , dass die Angelegenheiten durch eine gesetzliche Betreuung erledigt werden , und drängte auf eine "Rückgabe" der Vollmacht. Gegenüber dem Amtsgericht regte er die Einrichtung einer Vereinsbetreuung an.
- 2
- Durch Beschluss vom 27. September 2016 ordnete das Amtsgericht zunächst eine vorläufige und durch weiteren Beschluss vom 3. Februar 2017 eine dauerhafte Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge , Vermögenssorge einschließlich Vertretung gegenüber Behörden , Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entgegennahme , Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Angelegenheiten an und bestellte den Beteiligten zu 4 zum Berufsbetreuer.
- 3
- Am 27. Februar 2017 hat der Beteiligte zu 1 unter Hinweis auf eine bestehende "Einspruchsmöglichkeit durch einen Dritten" beantragt, anstelle des Berufsbetreuers selbst zum Betreuer bestellt zu werden. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2017 hat er einen Betreuerwechsel nach § 1908 b Abs. 1 Satz 3 BGB beantragt mit dem Ziel, selbst zum Betreuer bestellt zu werden; mit weiterem Schriftsatz vom 19. Februar 2018 hat er im Hinblick auf die aus seiner Sicht fortbestehende Vollmacht beantragt, die Betreuung aufzuheben.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Antrag auf Aufhebung der Betreuung durch Beschluss vom 6. März 2018 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, selbst gemeinsam mit seiner Schwester als Betreuer eingesetzt zu werden, da dies dem aktuellen Willen der Betroffenen entspreche, hilfsweise eine Kontrollbetreuung einzurichten im Hinblick auf die bestehende Vollmacht. Nach einem Hinweis des Landgerichts hat der Beteiligte zu 1 klargestellt, dass sich die Beschwerde gegen die Fortdauer der Betreuung richte, und hilfsweise die Einrichtung einer Kontrollbetreuung beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
- 6
- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Betreuung nicht weggefallen seien (§ 1908 d Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Betroffene leide weiterhin an fortgeschrittener Demenz vom Alzheimer Typ und sei nicht in der Lage, ihren Willen frei zu bilden oder einsichtsgemäß zu handeln. Die Betreuung sei auch trotz vorhandener Vollmacht nicht entbehrlich. Die wirksame Errichtung der Vollmacht könne dahinstehen , da der Beteiligte zu 1 jedenfalls ungeeignet sei, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen, nachdem er sich mit der Aufgabe überfordert gesehen , eine Übernahme der Verantwortung für die Angelegenheiten der Betroffenen abgelehnt habe, er die Pflege der Betroffenen schädlich beeinflusse und hinsichtlich der Grundstücksangelegenheiten in einem Interessenkonflikt mit der Betroffenen stehe. Auch sei die ursprüngliche Betreuerauswahl des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Allerdings sei nunmehr auch die Schwester des Beteiligten zu 1 und Tochter der Betroffenen als ehrenamtliche Betreuerin in Betracht zu ziehen, worüber das Amtsgericht im Rahmen eines Verfahrens auf Betreuerwechsel zu entscheiden habe.
- 7
- 2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
- 8
- a) Gemäß § 294 Abs. 1 FamFG gelten für die Aufhebung der Betreuung die §§ 279, 288 Abs. 2 Satz 1 FamFG entsprechend. Nicht erfasst werden von der Verweisung § 278 Abs. 1 FamFG und § 280 FamFG, die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben. Es verbleibt insoweit bei den allgemeinen Verfahrensregeln. Die Durchführung eines Verfahrens auf Aufhebung einer Betreuung wird daher maßgebend von den Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) bestimmt. Nur nach den Maßstäben dieser Vorschrift bestimmt sich, ob im Einzelfall eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2011 - XII ZB 467/10 - FamRZ 2011, 556 Rn. 9 f.).
- 9
- Für die Durchführung weiterer tatsächlicher Ermittlungen bedarf es greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuerbestellung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2011 - XII ZB 467/10 - FamRZ 2011, 556 Rn. 11; vgl. auch zum Einwilligungsvorbehalt Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 615/17 - MDR 2018, 1187 Rn. 10). Hat der Antragsteller in einem vor Ablauf der Überprüfungsfrist angestrengten Aufhebungsverfahren - wie hier - keine Gründe dargetan, die eine Aufhebung der Betreuung rechtfertigen könnten, ist das Gericht ohne konkreten Anlass nicht verpflichtet, durch Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens in eine Amtsermittlung über die Fortdauer der Betreuungsbedürftigkeit einzutreten.
- 10
- b) Solche Gründe sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ergeben sich Gründe für weitere tatsächliche Ermittlungen auch nicht aus der Behauptung des Beteiligten zu 1, er habe die Ausübung seiner Vollmacht seinerzeit nur wegen einer vorübergehenden Erkrankung abgelehnt, durch die er inzwischen nicht mehr gehindert sei, die Angelegenheiten der Betroffenen kraft seiner Vorsorgevollmacht zu besorgen. Tatsächlich hatte der Beteiligte zu 1 nämlich angegeben, der Vollmacht nur zugestimmt zu haben, weil man ihm gesagt habe, dass seine Mutter ansonsten in ein Pflegeheim aufgenommen werden müsse. Er sei mit der Regelung der Angelegenheiten seiner Mutter überfordert und habe Sorge, etwas falsch zu machen; er wolle nicht noch einmal, wie in seiner Jugend wegen Dro- gen, in das Gefängnis. Diese Motive erweisen sich als vom Gesundheitszustand des Beteiligten zu 1 unabhängig und lassen es als erforderlich erscheinen , den Hilfebedarf der Betroffenen durch die eingerichtete Betreuung abzudecken.
- 11
- c) In einem Fall fehlender greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände bedarf es auf den Aufhebungsantrag hin auch nicht einer Überprüfung der Betreuerauswahl.
- 12
- Zwar hat der Senat entschieden, dass es sich bei einer Entscheidung über die Einrichtung einer Betreuung ebenso wie bei einer Entscheidung über die Erweiterung einer bereits bestehenden Betreuung jeweils um eine Einheitsentscheidung handelt, bei der sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der Vorschrift des § 1897 BGB richtet (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2018 - XII ZB 547/17 - FamRZ 2018, 850 Rn. 11).
- 13
- Ergibt sich jedoch mangels greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände keine Notwendigkeit, die Anordnung der Betreuung als solche in Frage zu stellen, eröffnet das Aufhebungsverfahren auch keine erneute Betreuerauswahl nach den Maßstäben des § 1897 BGB. Denn für einen Betreuerwechsel während laufender Betreuung hat der Gesetzgeber besondere Voraussetzungen in § 1908 b BGB normiert, die andernfalls unterlaufen würden.
- 14
- Das Landgericht hat deshalb zutreffend darauf verwiesen, dass über den beantragten Betreuerwechsel das Amtsgericht nach den Maßstäben des § 1908 b BGB zu entscheiden hat.
- 15
- 3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Worms, Entscheidung vom 06.03.2018 - 40 XVII 430/16 -
LG Mainz, Entscheidung vom 22.05.2018 - 8 T 71/18 -
moreResultsText
Annotations
(1) Für die Aufhebung der Betreuung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts und für die Einschränkung des Aufgabenkreises des Betreuers oder des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen gilt § 279 Absatz 1, 3 und 4 sowie § 288 Absatz 2 Satz 1 entsprechend. Das Gericht hat die zuständige Behörde nur anzuhören, wenn es der Betroffene verlangt oder es zur Sachaufklärung erforderlich ist.
(2) Hat das Gericht nach § 281 Absatz 1 von der Einholung eines Gutachtens abgesehen, ist dies nachzuholen, wenn ein Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung oder Einschränkung des Aufgabenkreises erstmals abgelehnt werden soll.
(3) Über die Aufhebung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehalts hat das Gericht spätestens sieben Jahre nach der Anordnung dieser Maßnahmen zu entscheiden. Ist die Maßnahme gegen den erklärten Willen des Betroffenen angeordnet worden, hat die erstmalige Entscheidung über ihre Aufhebung spätestens zwei Jahre nach der Anordnung zu erfolgen.
(1) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören.
(2) Das Gericht hat die zuständige Behörde vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuhören. Die Anhörung soll vor der Einholung eines Gutachtens nach § 280 erfolgen und sich insbesondere auf folgende Kriterien beziehen:
- 1.
persönliche, gesundheitliche und soziale Situation des Betroffenen, - 2.
Erforderlichkeit der Betreuung einschließlich geeigneter anderer Hilfen (§ 1814 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), - 3.
Betreuerauswahl unter Berücksichtigung des Vorrangs der Ehrenamtlichkeit (§ 1816 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und - 4.
diesbezügliche Sichtweise des Betroffenen.
(3) Auf Verlangen des Betroffenen hat das Gericht eine ihm nahestehende Person anzuhören, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.
(4) Das Gericht hat im Fall einer Betreuerbestellung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für einen Minderjährigen (§ 1814 Absatz 5 und § 1825 Absatz 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) den gesetzlichen Vertreter des Betroffenen anzuhören.
(1) Von der Bekanntgabe der Gründe eines Beschlusses an den Betroffenen kann abgesehen werden, wenn dies nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, um erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu vermeiden.
(2) Das Gericht hat der zuständigen Behörde den Beschluss über die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts oder Beschlüsse über Umfang, Inhalt oder Bestand einer solchen Maßnahme stets bekannt zu geben. Andere Beschlüsse sind der zuständigen Behörde bekannt zu geben, wenn sie vor deren Erlass angehört wurde.
(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.
(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.
(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:
- 1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung, - 2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse, - 3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen, - 4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und - 5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.
Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.