Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2014 - XII ZB 305/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die 64jährige Betroffene leidet an einer schizophrenen Grunderkrankung, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Der Beteiligte zu 1 (Ehemann der Betroffenen) hat deshalb angeregt, einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Unterbringung und Vermögenssorge zu bestellen.
- 2
- Das Amtsgericht hat von der Einrichtung einer Betreuung abgesehen und das Verfahren eingestellt. Dagegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, mit der er die Einrichtung einer Betreuung für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge weiter verfolgt hat. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
II.
- 3
- 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist zulassungsfrei auch gegen eine die Einrichtung einer Betreuung ablehnende Entscheidung statthaft (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8). Der im ersten Rechtszug beteiligte Ehemann ist gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt.
- 4
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
- 5
- a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Betreuerbestellung komme nur in Betracht, soweit davon auszugehen sei, dass der Betreuer in seinen Aufgabenkreisen tatsächlich tätig werden und dem Betroffenen Hilfe zukommen lassen könne. Eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge könne nur eingerichtet werden , wenn der Betroffene entweder freiwillig die benötigte Hilfe des Betreuers zumindest teilweise annehmen würde oder bei vollständig fehlender Bereitschaft , sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, eine Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung nach § 1906 BGB in Betracht komme. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, weil die Betroffene sich - bei vorhandenem natürlichen Willen und eigener Einwilligungsfähigkeit in Heilbehandlungen - jeglicher Maßnahme zur psychiatrischen Heilbehandlung nachhaltig widersetze. Auch die Voraussetzungen einer geschlossenen Unterbringung mit Zwangsbehandlung seien nicht gegeben.
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- b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 7
- Gemäß § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt das Betreuungsgericht dem Betroffenen einen Betreuer, wenn jener aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf dieser nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist.
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- Nach den getroffenen Feststellungen bedarf die Betroffene einer medizinischen Behandlung ihrer psychischen Grunderkrankung, für die sie wegen fehlender Krankheitseinsicht nicht selbst sorgen kann. Daraus folgt ein Betreuungsbedarf für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge.
- 9
- Die vom Landgericht weiter zugrunde gelegte Annahme, wonach sich die Betroffene jeglicher Maßnahme zur psychiatrischen Heilbehandlung nachhaltig widersetzen werde, lässt den Betreuungsbedarf für sich genommen nicht entfallen. Denn es lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass ein Betreuer die Betroffene noch von der Notwendigkeit einer Behandlung überzeugen kann. Auch dies zählt zu seinem Aufgabenbereich (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 395/12 - FamRZ 2013, 618 Rn. 13; vgl. außerdem Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358 Rn. 17 ff.). Es ist daher zumindest der Versuch zu unternehmen, der Betroffenen im Wege der Einrichtung einer Betreuung die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.
- 10
- Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
- 11
- 3. Da der Senat über die Betreuerbestellung nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Vorinstanzen:
AG Zwickau, Entscheidung vom 17.03.2014 - 12 XVII 0790/13 -
LG Zwickau, Entscheidung vom 07.05.2014 - 9 T 124/14 -
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Annotations
(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über
- 1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen
- 1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie - 2.
einer Person seines Vertrauens
(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.
(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.