Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2007 - XII ZB 231/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragsgegnerin wendet sich dagegen, dass das Beschwerdegericht ihren Antrag, der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO die Kosten des von dieser betriebenen selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, abgewiesen hat.
- 2
- Die Antragstellerin (Mieterin) hat nach Beendigung eines zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerin (Vermieterin) u.a. zur Feststellung der Schäden, die in den Mieträumen durch wiederholte Hochwassereinwirkung entstanden sind, durchgeführt. Mit Beschluss vom 25. November 2003 hat das Landgericht der Antragstellerin gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO die der Antragsgegnerin im selbständi- gen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt, ohne ihr zuvor die von der Antragsgegnerin beantragte Frist zur Klageerhebung gesetzt zu haben. Diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wegen fehlender Fristsetzung aufgehoben. Das Landgericht hat daraufhin der Antragstellerin Frist zur Klageerhebung bis 1. April 2004 gesetzt.
- 3
- Mit Beschluss vom 30. Juni 2004 hat es der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt. Es hat den Streitgegenstand der bereits am 5. Dezember 2003 der Antragsgegnerin zugestellten Klage, mit der die Antragstellerin beantragt hatte, festzustellen, dass sie nach Rückgabe der Mieträume nicht verpflichtet sei, die Räume instand zu setzen bzw. zu renovieren , für nicht identisch mit dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gehalten. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und den Antrag der Antragsgegnerin, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
- 5
- 1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, der Antragstellerin könnten die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nicht gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO auferlegt werden, weil sie vor Fristablauf Hauptsacheklage erhoben habe. Für die Hauptsacheklage genüge, dass der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und der Gegenstand des Hauptsacheverfahrens teilweise identisch seien. Das sei hier der Fall. Damit seien die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens geworden. Daran ändere die Rücknahme der Hauptsacheklage nichts. Zwar werde verbreitet angenommen , die nach Klagerücknahme ergehende Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO erstrecke sich nicht auf die im selbständigen Beweisverfahren angefallenen Kosten. Es sei jedoch der Auffassung zu folgen, dass auch bei Klagerücknahme die in der Hauptsache zu treffende Kostenentscheidung die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens mit umfasse. Hier sei es zwar mangels Antrags der Antragsgegnerin zu keiner Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren gekommen. Das führe aber nicht dazu , dass die fehlende Kostengrundentscheidung im Hauptsacheverfahren durch eine solche gemäß § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO ersetzt werden könne.
- 6
- 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 7
- a) Zu Recht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens gehören, wenn nur Teile des Gegenstands eines selbständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gegen den Antragsgegner gemacht werden. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - VII ZB 11/03 - NJW 2004, 3121 m.w.N.; vom 21. Oktober 2004 - V ZB 28/04 - NJW 2005, 294; vom 9. Februar 2006 - VII ZB 59/05 - NJW-RR 2006, 810).
- 8
- b) Das Beschwerdegericht geht weiter zu Recht davon aus, dass die Rücknahme der Klage im Hauptsacheverfahren nichts an der einmal begründeten Zugehörigkeit der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptverfahrens ändert.
- 9
- Wie der Senat mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 (- XII ZB 176/03 - zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, werden die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens von der Kostenentscheidung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Hauptsacheverfahren umfasst, wenn die Parteien und der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens identisch sind. Das folgt aus dem Grundsatz, dass über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens stets im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist und nur ausnahmsweise, wenn trotz Fristsetzung keine Hauptsacheklage erhoben worden ist, eine Kostenentscheidung gemäß § 494 a ZPO ergehen darf (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2006 aaO; BGH Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII ZB 11/03 - aaO). § 494 a ZPO ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck weder direkt noch analog anwendbar, wenn die Klage im Hauptsacheverfahren zurückgenommen wird und die Parteien und der Streitgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens identisch sind. Sinn und Zweck des § 494 a ZPO ist es, die Lücke zu schließen, die entsteht , wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens nach der Beweisaufnahme auf eine Hauptsacheklage verzichtet. Als Ausnahmevorschrift ist § 494 a ZPO eng auszulegen. Er ist deshalb grundsätzlich auf die Fälle zu beschränken, in denen der Antragsteller keine Klage erhoben hat (BGH Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII ZB 11/03 - aaO m.w.N.). Einer Einbeziehung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens nach Klagerücknahme steht auch nicht entgegen, dass der Kläger erneut Klage erheben kann und die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens dort entsprechend der Entscheidung in der Hauptsache aufgeteilt werden können. Gleiches gilt für die Kosten einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht. Auch diese Kosten bleiben nach Klagerücknahme Kosten des Rechtsstreits, obwohl das Beweisergebnis in einem späteren über denselben Streitgegenstand geführten Prozess von den Parteien erneut verwertet werden kann.
- 10
- Auch die Fiktion des § 269 Abs. 3 ZPO, wonach der Rechtsstreit bei Klagerücknahme als nicht anhängig geworden anzusehen ist, kann an der Zugehörigkeit der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten der Hauptsache nichts ändern. Denn der Rechtsstreit bleibt wegen der Kosten anhängig (§ 269 Abs. 3 Satz 2 Abs. 4, 5 ZPO). Die bis dahin entstandenen Kosten werden von der Kostenentscheidung deshalb stets umfasst (vgl. BGH Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 59/03 - NJW 2004, 2309, 2010; OLG Celle JurBüro 1984, 1581).
- 11
- 3. Ausgehend von diesen Grundsätzen gehören im vorliegenden Fall die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens. Die Parteien und der Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens sind identisch. Die Antragstellerin hat sich in der Klage auch auf Tatsachen berufen, über die im selbständigen Beweisverfahren Beweis erhoben worden ist (§ 493 ZPO), und hat auf das dort erstattete Gutachten Bezug genommen.
- 12
- Über die Kosten des Hauptsacheverfahrens war nach Klagerücknahme nur auf Antrag zu entscheiden (§ 269 Abs. 5 ZPO). Da kein Antrag gestellt wurde , ist auch keine Kostenentscheidung ergangen. Das ändert allerdings nichts an der Zugehörigkeit der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens.
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 30.06.2004 - 1 OH 4515/02 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 18.11.2005 - 5 W 901/04 -
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Annotations
(1) Wird von dem Beweisführer ein Gegner nicht bezeichnet, so ist der Antrag nur dann zulässig, wenn der Beweisführer glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden außerstande sei, den Gegner zu bezeichnen.
(2) Wird dem Antrag stattgegeben, so kann das Gericht dem unbekannten Gegner zur Wahrnehmung seiner Rechte bei der Beweisaufnahme einen Vertreter bestellen.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.
(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich.
(2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen Beweisverfahren nicht erschienen, so kann das Ergebnis nur benutzt werden, wenn der Gegner rechtzeitig geladen war.
(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.
(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.
(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.
(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.