Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2007 - XII ZB 112/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um die Kostenfestsetzung aus einem rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreit.
- 2
- Mit Urteil vom 15. Juni 2005 wies das Amtsgericht die Klage auf Rückzahlung überzahlten Ehegattenunterhalts ab. Die Berufung wurde durch Urteil des Kammergerichts vom 3. November 2005 zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden in beiden Instanzen dem Kläger auferlegt. Zuvor war der Beklagten mit Beschluss vom 28. April 2004 für die erste Instanz und mit Beschluss vom 20. Oktober 2005 für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005 rechnete der Kläger gegenüber der Kostenforderung mit einem titulierten Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen die Beklagte auf.
- 3
- Mit Beschluss vom 2. Februar 2006 setzte das Amtsgericht auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten die aufgrund der rechtskräftigen Urteile vom Kläger an ihn zu erstattenden Kosten auf 2.757,67 € fest. Der - unter Hinweis auf die zuvor ausgesprochene Aufrechnung - eingelegten sofortigen Beschwerde half die Rechtspflegerin nicht ab. Das Kammergericht wies die sofortige Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, die vom Beschwerdegericht zugelassen wurde, weil streitig und bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob die Sperrwirkung des § 126 Abs. 2 ZPO auch dann gelte, wenn der Kostenschuldner die Aufrechnung erklärt habe, bevor der gegnerische Rechtsanwalt die Forderung nach § 126 ZPO im eigenen Namen geltend mache.
II.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO), aber nicht begründet.
- 5
- Das Amtsgericht hat die an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu erstattenden Kosten zu Recht antragsgemäß festgesetzt, weil die gegen die - nach Grund und Höhe unstreitige - Kostenforderung erklärte Aufrechnung des Klägers wegen eines Aufrechnungsverbots nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO unwirksam ist.
- 6
- 1. Unstreitig steht der Beklagten gegen den Kläger in Folge der rechtskräftigen Urteile des Amtsgerichts und des Kammergerichts eine Kostenforderung in Höhe von 2.757,67 € zu.
- 7
- Nach § 126 Abs. 1 ZPO war der beigeordnete Rechtsanwalt auch berechtigt , diese Forderung - wie geschehen - im eigenen Namen beizutreiben.
- 8
- 2. Die Kostenforderung ist nicht durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit einer titulierten Gegenforderung erloschen.
- 9
- a) Nach § 126 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann der Gegner gegen einen Kostenerstattungsanspruch nur mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit ergangenen Kostenentscheidung vom Antragsteller zu erstatten sind. Wechselseitige Kostenerstattungsansprüche aus demselben Rechtsstreit, die regelmäßig auf teilweises Obsiegen und Unterliegen zurückzuführen sind, können deswegen schon im Rahmen der Kostenfestsetzung im Wege des Kostenausgleichs verrechnet werden. Solche Gegenforderungen hat der Kläger hier aber nicht geltend gemacht.
- 10
- b) Im Übrigen ist eine Einrede aus der Person der Partei nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegen den Kostenerstattungsanspruch ihres beigeordneten Rechtsanwalts nicht zulässig. Der Kostenschuldner ist deswegen zunächst auch an der Einrede gehindert, dass er die Kosten bereits an die bedürftige Partei bezahlt habe, dass diese ihm die Kosten erlassen habe oder dass er der Partei gegenüber (oder diese ihm gegenüber) aufgerechnet habe.
- 11
- Diese Vorschrift findet ihren Grund in § 126 Abs. 1 ZPO, wonach ein der Partei im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beitreiben kann. Die Vorschrift will dem beigeordneten Rechts- anwalt - über die Gebühren im Rahmen der Prozesskostenhilfe hinaus - seinen Vergütungsanspruch sichern, zumal er nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keine Vergütungsansprüche mehr gegen die eigene Partei geltend machen darf. Allerdings werden die berechtigte Partei und der ihr beigeordnete Rechtsanwalt dadurch nicht zu Gesamtgläubigern im Sinne des § 428 BGB; auch im Innenverhältnis sind sie nicht nach § 430 BGB zu gleichen Anteilen berechtigt. Vielmehr steht die Kostenforderung auch dann weiterhin der Partei zu, während § 126 Abs. 1 ZPO eine gesetzliche Prozessstandschaft für den beigeordneten Rechtsanwalt - oder im Falle des Anspruchsübergangs nach § 59 RVG für die Staatskasse - betrifft (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 1997 - XII ZR 254/94 - FamRZ 1997, 1141).
- 12
- Bei der Auslegung des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB ist deswegen auch zu berücksichtigen, dass die Vorschrift die Vergütungsansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts sichern will. Der Ausschluss von Einreden aus der Person der Partei (sog. Verstrickung) ist deswegen so lange gerechtfertigt, wie der beigeordnete Rechtsanwalt die Kostenforderung noch im eigenen Namen geltend machen kann. Unerheblich ist demgegenüber - wie das Beschwerdegericht zu Recht ausführt -, ob der beigeordnete Rechtsanwalt sein Beitreibungsrecht nach § 126 Abs. 1 ZPO im Zeitpunkt der Aufrechnung bereits ausgeübt hatte (so inzwischen einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 1987, 218, OLG Koblenz Rpfleger 1994, 422, OLG Frankfurt Rpfleger 1990, 468 und jetzt auch OLGR Schleswig 1996, 335; MünchKomm/ Wax ZPO 2. Aufl. § 126 Rdn. 18; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 126 Rdn. 7; Zöller/Philippi 26. Aufl. § 126 Rdn. 16).
- 13
- c) Die sich aus § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebende Verstrickung des Kostenerstattungsanspruchs entfällt nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift erst dann, wenn - z.B. durch den Erlass eines Kostenfestsetzungsbe- schlusses für die Partei - eindeutig feststeht, dass der Anspruch nicht mehr von dem beigeordneten Rechtsanwalt geltend gemacht werden kann. Erst dann bedarf es einer Sicherung der Vergütungsansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts nicht mehr, so dass auch Einwendungen allein aus der Person der Partei den Kostenerstattungsanspruch zum Erlöschen bringen können (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 1994 - XII ZR 39/93 - NJW 1994, 3292; OLG Schleswig NJW-RR 2004, 717; KGR 2004, 556; KGR 2003, 245 und OLG München NJW-RR 1998, 214). Unabhängig davon sind Abreden der Parteien nur wirksam , wenn sie dazu führen, dass ein Kostenerstattungsanspruch erst gar nicht entsteht, und die deshalb ein Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts aus § 126 Abs. 1 ZPO von vornherein ausschließen (Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2006 - XII ZR 285/02 - FamRZ 2007, 123). Nur solches muss sich der beigeordnete Rechtsanwalt und ggf. in seiner Rechtsnachfolge die Staatskasse stets entgegenhalten lassen (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - XII ZR 209/05 - FamRZ 2006, 853).
- 14
- d) Umgekehrt tritt eine dauerhafte Verstrickung ein, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt einen noch bestehenden Kostenerstattungsanspruch im eigenen Namen beitreibt. Dann können Einreden, die allein in der Person der Partei begründet sind, die Forderung nicht mehr zu Fall bringen. So liegt der Fall hier, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den noch "verstrickten" Kostenerstattungsanspruch mit dem in eigenem Namen gestellten Kostenfestsetzungsantrag vom 3. November 2005 beigetrieben hat.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 02.02.2006 - 20 F 6277/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 23.05.2006 - 19 WF 56/06 -
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(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.
(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.
(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.
(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass
- 1.
die Bundes- oder Landeskasse - a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten, - b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, - 2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist, - 3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.
(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.
Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.
Die Gesamtgläubiger sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.
(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.
(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.
(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beigeordneten oder nach § 67a Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung bestellten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht der Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden.
(2) Für die Geltendmachung des Anspruchs sowie für die Erinnerung und die Beschwerde gelten die Vorschriften über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend. Ansprüche der Staatskasse werden bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Ist das Gericht des ersten Rechtszugs ein Gericht des Landes und ist der Anspruch auf die Bundeskasse übergegangen, wird er insoweit bei dem jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes angesetzt.
(3) Absatz 1 gilt entsprechend bei Beratungshilfe.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.
(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.