Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2017 - XI ZR 170/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2017 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagte auf Freigabe einer Grundschuld, Zahlung und Feststellung des Annahmeverzugs, hilfsweise in zweiter Instanz auf die Feststellung in Anspruch, dass sie ihre auf Abschluss dreier Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen wirksam widerrufen haben.
- 2
- Die Parteien schlossen am 2. Februar 2011 drei (Immobiliar-) Verbraucherdarlehensverträge über insgesamt 275.601,21 €. Den Darlehensverträgen war jeweils folgende Widerrufsinformation beigefügt:
- 3
- Die Kläger bestellten zugunsten der Beklagten eine Grundschuld über 350.000 € nebst Zinsen an einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück. Unter dem 29. Dezember 2014 und unter dem 21. Januar 2015 widerriefen sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.
- 4
- Ihre Klage auf Freigabe der Sicherheit, Zahlung und Feststellung hat das Landgericht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung, mit der die Kläger zugleich für den Fall, dass das Berufungsgericht die Hauptanträge für unbegründet erachten sollte, klageerweiternd den Hilfsantrag verfolgt haben "festzu- stellen, dass die [näher bezeichneten] Darlehensverträge […] wirksam widerru- fen" worden seien, hat das Berufungsgericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.
II.
- 5
- Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist zunächst unbegründet, soweit das Berufungsgericht die Berufung betreffend die Hauptanträge zurückgewiesen hat. Insoweit hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und erfordern die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das gilt auch bei einer Beurteilung anhand revisionsrechtlicher Maßstäbe (vgl. BVerfGK 6, 79, 81 ff.; 18, 105, 111 f.; 19, 467, 475).
- 6
- Die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation entsprach bis auf einen klarstellenden Zusatz "auf das sich der Widerruf bezieht" wörtlich - auch, soweit wie nach dem Muster freigestellt der Begriff "Darlehensnehmer" durch den Begriff "Kreditnehmer" ersetzt war - der Anlage 6 zu Artikel 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der hier maßgeblichen, zwischen dem 30. Juli 2010 und dem 3. August 2011 geltenden Fassung (künftig: a.F.) und genügte, ohne dass es auf Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung ankommt, den gesetzlichen Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB a.F. Auch ohne besondere grafische Hervorhebung war die von der Beklagten verwandte Widerrufsinformation klar und verständlich (Senatsurteile vom 23. Februar 2016 - XI ZR 101/15, WM 2016, 706 Rn. 24 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ, und - XI ZR 549/14, juris Rn. 14 ff.). Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher konnte die für seinen Vertrag maßgeblichen Pflichtangaben ermitteln (Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2016 - XI ZR 6/16, WM 2016, 2299 Rn. 7). Bei Erklärung des Widerrufs war die Widerrufsfrist abgelaufen, so dass der Widerruf der Kläger, was das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ins Leere ging.
- 7
- Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass ein Angebot auf Abtretung der Grundschuld gemäß §§ 1154, 1192 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 Rn. 11), das die Kläger - wie der Klageschrift im Wege der Auslegung zu entnehmen - mit ihrem Antrag auf "Freigabe" der Grundschuld von der Beklagten beanspruchen, anders als von ihnen beantragt nicht "Zug um Zug" gegen Zahlung fingiert werden kann. Sichert die Grundschuld, was die Kläger mit ihrem Antrag zum Ausdruck gebracht haben, auch Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB (Senatsurteile vom 26. September 2006 - XI ZR 358/04, ZGS 2007, 26 Rn. 37 und vom 16. Mai 2006 - XI ZR 48/04, juris Rn. 19), ist der Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsmittels aus der Sicherungsabrede im Sinne einer beständigen Vorleistungspflicht regelmäßig durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingt (Senatsurteil vom 18. Februar 1992 - XI ZR 134/91, WM 1992, 566; BGH, Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 Rn. 7). Die Kläger hätten daher lediglich die Abgabe eines Angebots auf Abtretung der Grundschuld nach Leistung eines bestimmt bezeichneten Betrages verlangen können (Senatsurteil vom 31. Januar 1995 - XI ZR 30/94, WM 1995, 523, 524). Aus dem Senatsbeschluss vom 19. Januar 2016 (XI ZR 200/15, juris Rn. 12) ergibt sich nichts anderes (so offenbar aber Schnauder, jurisPR-BKR 10/2016, Anm. 1 unter D.). Diese Entscheidung betraf den umgekehrten Fall eines Zug-um-Zug-Vorbehalts des zur Zahlung verurteilten Sicherungsgebers. Insoweit genügt es, dass der Gegenanspruch mit der Erbringung der geschuldeten Leistung entsteht und fällig wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 178/13, WM 2014, 1719 Rn. 28, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 202, 150).
III.
- 8
- Der Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger bleibt bei Anwendung des nämlichen Maßstabs auch der Erfolg versagt, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung betreffend den in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Hilfsantrag richtet.
- 9
- Allerdings hat das Berufungsgericht - in einem Revisionsverfahren grundsätzlich beachtlich - mit seiner Sachentscheidung über den Hilfsantrag gegen den entsprechend anwendbaren § 524 Abs. 4 ZPO verstoßen. Ebenso wie eine zweitinstanzliche Widerklage hindert zwar eine zweitinstanzliche Klageerweiterung , die hier gegeben ist, das Berufungsgericht nicht, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zu erlassen. Wird die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einen einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, verlieren aber sowohl die Klageerweiterung als auch die Widerklage entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung (BGH, Urteil vom 3. November 2016 - III ZR 84/15, WM 2016, 2342 Rn. 14; Beschluss vom 6. November 2014 - IX ZR 204/13, WM 2015, 410 Rn. 2). Das Berufungsgericht hätte daher den Hilfsantrag nicht sachlich bescheiden dürfen, sondern als wirkungslos behandeln müssen. Durch die Sachentscheidung über den Hilfsantrag sind die Kläger (formell) beschwert, weil die Rechtskraft der Entscheidung des Berufungsgerichts weiter reicht als eine Behandlung des Hilfsantrags in entsprechender Anwendung des § 524 Abs. 4 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2001 - XII ZB 119/00, NJW-RR 2001, 929, 930).
- 10
- Der Fehler des Berufungsgerichts führt gleichwohl nicht zur Zulassung der Revision. Im konkreten Fall kann der Senat aufgrund der unter II. ausgeführten Umstände ausschließen, dass bei Anlegung richtiger rechtlicher Maß- stäbe die Frage der Wirksamkeit des Widerrufs von einem anderen Gericht anders beurteilt würde als vom Berufungsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2016 - III ZR 84/15, WM 2016, 2342 Rn. 17 a.E.).
IV.
Ellenberger Grüneberg Maihold Menges DerstadtVorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 26.10.2015 - 4 O 96/15 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.04.2016 - I-17 U 170/15 -
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Annotations
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Zur Abtretung der Forderung ist Erteilung der Abtretungserklärung in schriftlicher Form und Übergabe des Hypothekenbriefs erforderlich; die Vorschrift des § 1117 findet Anwendung. Der bisherige Gläubiger hat auf Verlangen des neuen Gläubigers die Abtretungserklärung auf seine Kosten öffentlich beglaubigen zu lassen.
(2) Die schriftliche Form der Abtretungserklärung kann dadurch ersetzt werden, dass die Abtretung in das Grundbuch eingetragen wird.
(3) Ist die Erteilung des Hypothekenbriefs ausgeschlossen, so finden auf die Abtretung der Forderung die Vorschriften der §§ 873, 878 entsprechende Anwendung.
(1) Auf die Grundschuld finden die Vorschriften über die Hypothek entsprechende Anwendung, soweit sich nicht daraus ein anderes ergibt, dass die Grundschuld nicht eine Forderung voraussetzt.
(1a) Ist die Grundschuld zur Sicherung eines Anspruchs verschafft worden (Sicherungsgrundschuld), können Einreden, die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 findet insoweit keine Anwendung. Im Übrigen bleibt § 1157 unberührt.
(2) Für Zinsen der Grundschuld gelten die Vorschriften über die Zinsen einer Hypothekenforderung.
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.