Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2016 - X ZR 89/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
Gründe:
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- I. Das Streitpatent ist in erster Instanz im Umfang des Patentanspruchs 1 nebst den nachgeordneten Ansprüchen für nichtig erklärt worden. In Bezug auf den weiteren angegriffenen nebengeordneten Patentanspruch 15 haben die Parteien nach dem Verzicht der Beklagten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Patentgericht hat die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben, weil die Beklagte zu der Nichtigkeitsklage in Bezug auf Patentanspruch 15 keinen Anlass gegeben und daher insoweit die Klägerin in analoger Anwendung von § 93 ZPO die Prozesskosten zu tragen habe. Den Streitwert hat es auf 1.000.000 € bestimmt, nachdem die Klägerin ihr Interesse an der Nichtigerklärung mit 500.000 € beziffert und die Beklagte erklärt hatte, keine Umsatzzahlen angeben zu wollen. Der Senat hat, nachdem die Beklagte die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 3. Juni 2014 zurückgenommen hat, den Streitwert für das Nichtigkeitsberufungsverfahren mit Beschluss vom 23. August 2016 auf 500.000 € festgesetzt.
- 2
- Mit ihrer als „Beschwerde“ bezeichneten Eingabe macht die Beklagte geltend, der für das Berufungsverfahren festgesetzte Streitwert sei zu hoch. Angemessen sei ein Wert von 140.000 €. Sie ist der Auffassung, dass schon in der ersten Instanz ein zu hoher Wert angesetzt worden sei, da das Patentgericht außer Acht gelassen habe, dass es im Streitfall auf ihre Umsatzzahlen der Beklagten nicht ankomme, weil das von ihr vertriebene Dichtungsband als unmittelbares Erzeugnis eines von den nicht mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Verfahrensansprüchen des Streitpatents erfassten Herstellungsverfahrens weiterhin durch das Streitpatent geschützt sei und es neben der erfindungsgemäßen Lösung eine Vielzahl alternativer Dichtungssysteme gebe. Außerdem sei im Hinblick darauf, dass kein Verletzungsverfahren anhängig sei, allein der in die Zukunft gerichtete Wert des Streitpatents ab Einlegung der Berufung zugrunde zu legen.
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- II. Der als Gegenvorstellung zu behandelnde (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - X ZR 125/06, juris), weil als Beschwerde unstatthafte (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG) Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.
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- 1. Der Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren ist nach § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dafür der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage bzw. der Einlegung der Berufung zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 1956 - I ZR 28/55, GRUR 1957, 79; Beschluss vom 28. Juli 2009 - X ZR 153/04, GRUR 2009, 1100 - Druckmaschinen-Temperierungssystem III).
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- 2. Im Streitfall ist kein Verletzungsverfahren anhängig, so dass die Berücksichtigung bezifferter Schadensersatzforderungen ebenso ausscheidet wie eine Orientierung am Gegenstandswert des Verletzungsstreits.
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- 3. Nachdem die Beklagte auch im Berufungsverfahren ihre Ausführungen zum gemeinen Wert des Streitpatents nicht näher konkretisiert, sondern sich auf allgemeine Betrachtungen zur Relation zwischen angegriffenen und nicht angegriffenen Patentansprüchen und zur Bedeutung des Streitpatent beschränkt hat, ist der Senat bei der Bestimmung des Streitwerts für das Berufungsverfahren mangels besserer Erkenntnisquellen von dem Wert ausgegangen , den das Patentgericht als zu berücksichtigenden Gesamtwert zugrunde gelegt hat und der von der Beklagten auch nicht angegriffen worden ist. Nach der vom Patentgericht ausgesprochenen Kostenaufhebung war danach, da lediglich die Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang von Patentanspruch 1 Gegenstand des Berufungsverfahrens war, der Streitwert für das Berufungsverfahren auf die Hälfte des Streitwerts des erstinstanzlichen Verfahrens zu bestimmen. Dass sich die Restlaufzeit des Streitpatents zwischen dem Zeitpunkt der Klageeinreichung und dem Zeitpunkt der Einlegung der Berufung stets vermindert hat, rechtfertigt nach ständiger Praxis des Senats regelmäßig nicht die Annahme eines geringeren Werts, da der Streitwert ohnehin nicht und insbesondere nicht nach Jahren oder Monaten exakt bestimmt, sondern nur geschätzt werden kann. Es verbleibt daher bei dem festgesetzten Betrag von 500.000 €.
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.06.2014 - 3 Ni 8/13 -
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Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.
(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.
(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.