Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - X ZR 68/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1 Million Euro festgesetzt.
Gründe:
- 1
- I. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
- 2
- II. Die von der Beklagten beantragte Aussetzung bis zur Entscheidung über die von ihr gegen das Klagepatent am 2. Dezember 2010 - knapp acht Monate nach Verkündung des angefochtenen Urteils - erhobene Nichtigkeitsklage hält der Senat nicht für zweckmäßig.
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- Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Patentverletzungsrechtsstreit gemäß § 148 ZPO ausgesetzt werden, wenn gegen das Patent, auf das die Klage gestützt wird, eine Nichtigkeitsklage anhängig ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Änderung der Patentlage, insbesondere eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents, auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist und im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde zur Zulassung der Revision führt, wenn diese Änderung Auswirkungen auf die Entscheidung im Verletzungsrechtsstreit haben kann (BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 375 f. - Druckmaschinen-Temperierungssystem I).
- 4
- Auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde liegt die Entscheidung über die Aussetzung, sofern die Voraussetzungen des § 148 ZPO erfüllt sind, jedoch im Ermessen des Gerichts. Bei Ausübung dieses Ermessens kommt eine Aussetzung im Einzelfall auch dann in Betracht, wenn die Nichtigkeitsklage erst nach Abschluss der Tatsacheninstanzen im Verletzungsrechtsstreit erhoben worden ist, bei der in diesem Zusammenhang gebotenen vorläufigen Bewertung aber als erfolgversprechend anzusehen ist.
- 5
- Allerdings hat der Senat im Rahmen dieser Ermessensentscheidung nicht nur das Interesse an widerspruchsfreien Entscheidungen zu berücksichtigen. Er muss vielmehr alle für die Entscheidung relevanten Umstände in die zu treffende Abwägung einbeziehen. Zu diesen Umständen gehört das Interesse des Verletzungsbeklagten, nicht aus einem möglicherweise nichtigen Patent in Anspruch genommen zu werden, aber auch das Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens (BGHZ 158, 372, 376 - DruckmaschinenTemperierungssystem I). Letzterem kommt umso stärkeres Gewicht zu, je später die Nichtigkeitsklage erhoben worden ist. Wenn der Verletzungsbeklagte während der Tatsacheninstanzen des Verletzungsprozesses und während eines erheblichen Zeitraums nach deren Abschluss davon abgesehen hat, sich mit der Nichtigkeitsklage zu verteidigen und damit zeitnah Klarheit über den Bestand des Patents zu schaffen, kommt eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses durch Aussetzung des an sich entscheidungsreifen Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde, die zulasten des Verletzungsklägers ginge, in der Regel nur dann in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der Nichtigkeitsklage offenkundig ist. Dies ist hier nicht der Fall.
- 6
- In der Konstellation des Streitfalls erscheint es deshalb zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verletzungsbeklagten ausreichend und zumutbar, die Verurteilung im Verletzungsrechtsstreit mittels einer Restitutionsklage entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. Juli 2010 - Xa ZR 118/09, GRUR 2010, 996 Rn. 12 - Bordako) anzugreifen, wenn das Patent nachträglich für nichtig erklärt wird.
- 7
- III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Hoffmann Schuster
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.08.2006 - 4b O 136/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.04.2010 - I-2 U 108/06 -
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Annotations
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
Die Restitutionsklage findet statt:
- 1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; - 2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; - 3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; - 4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; - 5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; - 6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; - 7.
wenn die Partei - a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder - b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
- 8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)