Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2011 - VIII ZR 88/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin verlangt nach einer mit Schreiben vom 24. Januar 2006 wegen Zahlungsverzugs erklärten fristlosen Kündigung restliche Zahlung aus einem Leasingvertrag über eine Parkettfertigungsstraße. Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 24.109,20 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen.
- 2
- Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt , dass der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Sicherstellungskosten nicht zustehe, weil sie nicht im Einzelnen dargelegt habe, wofür diese angefallen seien. Auch im Übrigen stehe der Klägerin ein Anspruch aus dem Leasingvertrag nicht zu, weil die vom Beklagten erklärte Aufrechnung durchgreife. Die Klägerin habe gegen ihre vertragliche Nebenpflicht, sich um den bestmöglichen Verkauf der Maschinen zu bemühen, verstoßen und sei deshalb dem Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet. Die Maschinen seien weit mehr wert gewesen als der zwischen den Parteien noch streitige Betrag von rund 25.000 €; ein Erlös in mindestens dieser Höhe hätte durch einen Ver- kauf an den Zeugen R. auch erzielt werden können.
II.
- 3
- Der Nichtzulassungsbeschwerde ist stattzugeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO, § 544 Abs. 6 und 7 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 4
- Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt das auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 145 f.; BGH, Beschluss vom 6. April 2009 - II ZR 117/08, NJW 2009, 2139 Rn. 2, 5 f.). Ein solcher Verstoß fällt dem Berufungsgericht hier zur Last.
- 5
- 1. Das Berufungsgericht hat aufgrund der Aussage des - erstmals in der Berufungsinstanz vernommenen Zeugen R. - einen Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen unsachgemäßer Verwertung der Leasingsache bejaht, ohne sich mit den Aussagen der von der Klägerin benannten und in der ersten Instanz vernommenen Zeugen M. und S. und dem Vortrag der Klägerin zum Schreiben der S. GmbH vom 17. November 2006 auseinanderzusetzen.
- 6
- a) Die mit der Sicherstellung der Leasingsache beauftragte S. GmbH berichtet in dem genannten Schreiben vom 17. November 2006, dass es sich bei dem Leasinggut um gebrauchte Maschinen (Baujahr 1985) handele; von den zu der Fertigungsstraße gehörenden Maschinen seien vier (näher bezeichnete ) Maschinen gar nicht mehr vorhanden, die übrigen Maschinen stünden seit einem Jahr in einer feuchten und unzureichend beheizten Halle und befänden sich in einem schlechten Zustand. Ein Verkauf in Westeuropa sei ausgeschlossen, weil die Maschinen zu viel Energie benötigten, zu langsam in der Produktion seien und überdies Ausbau- und Transportkosten anfielen; es sei deshalb eine Veräußerung zum Schrottwert angezeigt. Die Vorstellungen des Leasingnehmers über einen Verkauf nach Rumänien zu einem Kaufpreis von 165.000 €- der zudem im Wege der Lieferung von Parkett entrichtet werden solle - seien völlig unrealistisch; die Anlage habe nur noch einen Wert von schätzungsweise 2.000 €.
- 7
- Das Berufungsgericht führt zu diesem Scheiben lediglich aus, dass es den an ein Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen nicht ge- nüge, weil es die einzelnen Maschinen und die vorhandenen Mängel nicht konkret beschreibe. Im Übrigen meint das Berufungsgericht, dass das Schreiben der S. GmbH die Klägerin wegen der darin erwähnten Bemühungen des Beklagten um einen Verkauf zum Preis von 165.000 € hätte veranlassen müssen, Möglichkeiten zur Erzielung eines höheren Erlöses nachzugehen.
- 8
- Dabei hat das Berufungsgericht verkannt, dass die S. GmbH, die ausweislich ihres Briefkopfs als Sachverständige für Maschinenbewertung tätig ist, einen derartigen Erlös für die Fertigungsstraße aus nachvollziehbar dargelegten Gründen (Alter, schlechter Zustand, Fehlen mehrerer Maschinen) als völlig unrealistisch bezeichnet und eine Verwertung der noch vorhandenen Teile zum Schrottwert von ca. 2.000 € angeraten hat. Hinzu kommt, dass bei dem vom Beklagten ins Auge gefassten Verkauf nach Rumänien der Kaufpreis durch Lieferung von Waren beglichen werden sollte, die vom Käufer mit Hilfe der Fertigungsstraße nach deren Lieferung erst noch hätten produziert werden müssen. Damit hat das Berufungsgericht bezüglich des Schreibens der S. GmbH den Kern des Sachvortrags der Klägerin verkannt.
- 9
- b) Auf die Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen M. und S. geht das Berufungsgericht nicht ein, obwohl das Landgericht es aufgrund der Aussage des Zeugen M. als bewiesen erachtet hat, dass die Klägerin beziehungsweise das von ihr beauftragte Unternehmen die vom Zeugen geschilderten umfangreichen Verkaufsbemühungen (etwa: Anschreiben von 400 Holz verarbeitenden Betrieben) unternommen und ihre Pflicht zur angemessenen Verwertung der Leasingsache nicht verletzt habe. Da eine Partei sich regelmäßig ein für sie günstiges Beweisergebnis zu Eigen macht, verletzt das Übergehen eines solchen Beweisergebnisses den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör, sofern es entscheidungserheblich ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 325/08, NJW-RR 2010, 495 Rn. 6; Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VIII ZR 96/10, NJW-RR 2011, 704 Rn.13). Dies ist hier der Fall, denn eine Vertragsverletzung bei der Verwertung des Leasinggutes fällt der Klägerin nicht zur Last, wenn dieses schon zwei Jahre vor der späteren Verwertung nur noch einen Schrottwert von etwa 2.000 € hat- te.
- 10
- Davon abgesehen hätte das Berufungsgericht der Aussage des erstmals in der Berufungsinstanz vernommenen Zeugen R. nicht folgen dürfen, ohne die von der Klägerin benannten und bereits in der ersten Instanz vernommenen Zeugen erneut zu hören. Denn das Landgericht hatte die Angaben des Zeugen M. , die von der Fertigungsstraße beim Beklagten noch vorhandenen Teile hätten bereits Ende 2007 nur noch einen Schrottwert von etwa 2.000 € gehabt, für glaubhaft erachtet und hierauf entscheidend abgestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Berufungsgericht einen vom erstinstanzlichen Gericht vernommenen Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO selbst erneut vernehmen, wenn es dessen Aussage anders würdigen will als das erstinstanzliche Gericht; auch ein Verstoß hiergegen ist als Verletzung des rechtlichen Gehörs der davon nachteilig betroffenen Partei zu werten (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4 mwN).
- 11
- 2. Auch die Verneinung eines Anspruchs der Klägerin auf Ersatz der vom Landgericht zugesprochenen "Sicherstellungskosten" in Höhe von insgesamt 1.147,44 € durch das Berufungsgericht beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin. Denn die Klägerin hatte zur Notwendigkeit dieser Auslagen eingehend in den Schriftsätzen vom 22. April 2009 und vom 29. Oktober 2009 vorgetragen. Die erste Fahrt nach D. ist von der Klägerin damit erklärt worden, dass die S. GmbH telefonisch niemanden habe erreichen können. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht übergangen, indem es die Fahrtkosten mit der Begründung abgelehnt hat, der Standort der Maschinen hätte auch telefonisch in Erfahrung gebracht werden können. Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
LG Verden, Entscheidung vom 11.03.2010 - 4 O 77/09 -
OLG Celle, Entscheidung vom 03.02.2011 - 5 U 57/10 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen.
(2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozessgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.
(3) Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.