Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2017 - VIII ZR 209/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2017 durchdie Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
beschlossen:
Gründe:
I.
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- 1. Die Parteien streiten im Wesentlichen um das wirksame Zustandekommen eines notariell beurkundeten Vertrages über den Erwerb von Geschäftsanteilen der Beklagten zu 2 und hierbei insbesondere darum, ob die Beklagten beim Vertragsabschluss durch den Streithelfer wirksam vertreten worden sind. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wenden sich die Klägerinnen mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
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- 2. Der Streithelfer hat im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 20. Dezember 2016 Herrn E. D. , dem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Termin der vorgenannten notariellen Beurkundung aufgrund einer auf ihn lautenden Geldempfangsvollmacht ein Betrag von 900.000 €- der größte Teil des Kaufpreises - in bar übergeben worden war, den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Streithelfers beizutreten. Zur Begründung hat der Streithelfer ausgeführt, er habe bei einem für die Klägerinnen ungünstigen Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits zu besorgen, von diesen gemäß § 179 BGB in Anspruch genommen zu werden. In diesem Fall stehe ihm gegen den Streitverkündeten E. D. ein Anspruch auf Schadloshaltung zu. Der Streithelfer hat beantragt, die öffentliche Zustellung des vorbezeichneten Schriftsatzes samt Anlagen zu bewilligen, da der Aufenthalt des Streitverkündeten D. unbekannt sei.
II.
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- Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung der Streitverkündungsschrift gemäß § 185 Nr. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streithelfer hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass der Aufenthalt des Streitverkündeten D. unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist.
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- 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 1 ZPO nur dann zulässig, wenn der Aufenthaltsort des Betroffenen unbekannt ist. Der Aufenthaltsort ist unbekannt im Sinne des Gesetzes, wenn er nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt ist (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2001 - VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311, 314 mwN; vom 4. Juli 2012 - XII ZR 94/10, NJW 2012, 3582 Rn. 16; vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, WM 2016, 1231 Rn. 37). Da die öffentliche Zustellung unmittelbar das rechtliche Gehör und die Rechtsverfolgungs- und Rechtsverteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen berührt, gelten hier strenge Anforderungen (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - XI ZR 192/11, NJW 2012, 1645 Rn. 23 mwN). Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen dem Gericht darzulegen (BGH, Urteile vom 4. Juli 2012 - XII ZR 94/10, aaO; vom 3. Mai 2016 - II ZR 311/14, aaO).
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- 2. Das Vorbringen des Streithelfers zu den Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung der Streitverkündungsschrift genügt diesen strengen Anforderungen.
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- a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde der Streitverkündete D. am Tag nach dem oben genannten notariellen Beurkundungstermin bei der Einreise nach Serbien kontrolliert und hatte Bargeld in Höhe von 850.000 € oder 880.000 € bei sich. Im Anschluss hieran tauchte er mit diesem Geld im Ausland unter. Die Staatsanwaltschaft Freiburg leitete gegen ihn daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges und der Urkundenfälschung ein (240 Js ) und erwirkte am 17. Juni 2013 bei dem Amtsgericht Freiburg einen Haftbefehl. Der daraufhin mit internationalem Haftbefehl gesuchte D. wurde Anfang März 2016 in Georgien festgenommen und dort in Auslieferungshaft genommen.
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- b) Darüber hinaus hat der Streithelfer durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der ermittelnden Staatsanwaltschaft Freiburg vom 11. Januar 2017 glaubhaft gemacht, dass der - weiterhin mit Haftbefehl gesuchte - Beschuldigte D. seit Ende August 2016 erneut untergetaucht und bis heute unbekannten Aufenthalts ist. Die vorbezeichnete Bestätigung der Staatsanwaltschaft hat folgenden Inhalt: "Auf Ihre Bitte bestätige ich Ihnen, dass der Beschuldigte D. , der seit Anfang März 2016 in georgischer Auslieferungshaft einsaß, nach hiesigem, auf einer Mitteilung von Interpol Tiflis vom 14.12.2016 beruhenden Informationsstand Ende August 2016 vom zuständigen Gericht in Tiflis gegen Auflagen (Meldepflicht und Ausreiseverbot) aus der Haft entlassen wurde. Diesen Auflagen ist er nicht nachgekommen, sondern stattdessen untergetaucht. Wo er sich momentan aufhält, ist nicht bekannt."
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- c) Damit hat der Streithelfer die oben genannten Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung gemäß § 185 Nr. 1 ZPO hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Weitere Nachforschungen des Streithelfers oder des Gerichts versprechen bei der genannten Sachlage keinen Erfolg. Es ist nicht zu erwarten, dass der Streithelfer oder das Gericht durch weitere Nachforschungen Erkenntnisse erlangen würden, die über den Kenntnisstand der nach dem Beschuldigten D. mit Haftbefehl suchenden Ermittlungsbehörden hinausgingen. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
LG Offenburg, Entscheidung vom 30.01.2015 - 3 O 277/13 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 19.08.2016 - 14 U 24/15 -
Annotations
(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.
(2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.
(3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.
Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn
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der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, - 2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist, - 3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder - 4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.