Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2007 - VIII ZB 73/05

published on 11/09/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Sept. 2007 - VIII ZB 73/05
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Amtsgericht Bad Schwalbach, 3 C 155/01, 10/02/2005
Landgericht Wiesbaden, 3 S 17/05, 14/07/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 73/05
vom
11. September 2007
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Wolst, die Richterin Hermanns,
den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 14. Juli 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.141,15 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten zu Händen ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten am 18. Februar 2005 zugestellt worden. Der Schriftsatz zur Begründung der rechtzeitig eingelegten Berufung der Beklagten ist am 18. Mai 2005 bei Gericht eingegangen. Auf die Ankündigung des Berufungsgerichts vom 13. Juni 2005, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen, hat die Beklagte vorgetragen, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe am 12. April 2005 einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Boten bei dem Berufungsgericht eingereicht. Zur Glaubhaftmachung hat die Beklagte eine dementsprechende anwaltliche Versicherung des seinerzeit tätigen Prozessbevollmächtigten angeboten. Mit am 11. Juli 2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
2
Ein Fristverlängerungsantrag der Beklagten ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt.
3
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Beschluss vom 14. Juli 2005 als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden sei. Gleichzeitig hat es den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist als unzulässig verworfen. Gegen den Beschluss vom 14. Juli 2005 richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und form- und fristgerecht gemäß § 575 ZPO eingelegt und begründet worden. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auch zulässig , weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
5
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
6
a) Allerdings ist das angefochtene Urteil der Beklagten am 18. Februar 2005 zugestellt worden und die vorliegende Berufungsbegründung erst am 18. Mai 2005 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen. An der nicht fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung vermag auch ein vor Fristablauf eingereichter Antrag auf Fristverlängerung nichts zu ändern. Denn eine Verlängerung der Frist ist nicht erfolgt.
7
b) Der Beklagten ist jedoch, wie von ihr vorsorglich beantragt, aus prozessökonomischen Gründen ohne vorherige Entscheidung über den nach ihrem Vorbringen gestellten Verlängerungsantrag (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 3. Februar 1988 - IVb ZB 19/88, NJW-RR 1988, 581, unter II; Beschluss vom 5. April 2001 - VII ZB 37/00, NJW-RR 2001, 931, unter II) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, falls sich ihre Behauptung als zutreffend erweisen sollte, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe am 12. April 2005 - rechtzeitig vor Fristablauf - einen Antrag auf Fristverlängerung bei dem Berufungsgericht eingereicht und diesen (u.a.) damit begründet, er sei wegen der notwendigen Erledigung anderer fristgebundener Angelegenheiten nicht in der Lage, die Berufung innerhalb der zweimonatigen Frist zu begründen. Denn ein Anwalt kann bei einem ersten Verlängerungsantrag regelmäßig darauf vertrauen , dass die beantragte Fristverlängerung von einem Monat erfolgt, wenn einer der Gründe des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dargelegt wird (BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - VI ZB 26/01, MDR 2001, 1432, unter II 1). Dies war hier der Fall.
8
Rechtsirrig geht das Berufungsgericht davon aus, dass allein aufgrund des Verlängerungsantrags kein Vertrauensschutz des Anwalts dahingehend bestehe, dass dem Antrag auch stattgegeben werde. Zwar ist gegen die gerichtliche Entscheidung über einen Verlängerungsantrag, auch gegen seine Ablehnung , kein Rechtsmittel gegeben (BGHZ 102, 37, 39). Dem Berufungskläger ist aber regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er "mit großer Wahrscheinlichkeit" die Bewilligung der beantragten Fristverlängerung erwarten konnte (BGH aaO). Dies ist der Fall, wenn - wie hier - mit ei- nem ersten Verlängerungsantrag einer der Gründe des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dargelegt wird. Auch obliegt dem Anwalt bei einem fristgerecht gestellten Antrag keine Erkundigungspflicht (Senatsbeschluss vom 12. März 1986 - VIII ZB 6/86, VersR 1986, 787 f.).
9
Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 11. Juli 2005 ist auch nicht verspätet , wie das Berufungsgericht rechtsirrig annimmt, da die Wiedereinsetzungsfrist , die frühestens am 16. Juni 2005 begonnen hat, nicht zwei Wochen, sondern gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Monat beträgt und daher am 11. Juli 2005 noch nicht abgelaufen war.
10
3. Der angefochtene Beschluss kann somit keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht selbst über den von der Beklagten gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen zu der Behauptung der Beklagten, ihr damaliger Prozessbevollmächtigter habe am 12. April 2005 einen Antrag auf Fristverlängerung bei dem Berufungsgericht eingereicht. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ball Dr. Wolst Hermanns Dr. Koch Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Bad Schwalbach, Entscheidung vom 10.02.2005 - 3 C 155/01 -
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 14.07.2005 - 3 S 17/05 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der
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Annotations

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.