Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2011 - VIII ZB 39/10
published on 17/08/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2011 - VIII ZB 39/10
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 39/10
vom
17. August 2011
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 31. März 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.432 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kaufpreiszahlung von 6.432 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 7. Januar 2008 zugestellt worden. Dieser hat mit einem am 7. Februar 2008 per Telefax an das Kammergericht übermittelten Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11. April 2008 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufung mit Schriftsatz vom 11. April 2008 begründet. Dieser Schriftsatz ging am 16. April 2008 beim Kammergericht ein. Die an das Kammergericht adressierte Berufungsbegründung war am 11. April 2008 vorab per Telefax an das Landgericht Berlin übermittelt worden, wo sie um 22.19 Uhr einging. Die in der Berufungsbegründung in der Zeile "vorab per Telefax" angegebene Empfängernummer ist die des Landgerichts.
- 2
- Mit Schriftsatz vom 14. April 2008, eingegangen am gleichen Tag beim Kammergericht als Telekopie, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er geltend gemacht, die Übersendung der Berufungsbegründung an das Landgericht beruhe allein auf einem doppelten Versehen einer bewährten und ansonsten stets zuverlässigen Kanzleiangestellten. Diese habe beim Heraussuchen der Telefaxnummer die Nummer des Kammergerichts aus dem Adressverzeichnis "Kauperts Straßenführer durch Berlin" fehlerhaft abgelesen. Zudem habe sie die fehlerhaft ermittelte Telefaxnummer - entgegen bestehender Anweisung - mit einem Schriftsatz des erstinstanzlichen Gerichts und nicht mit dem letzten Schreiben des Berufungsgerichts verglichen. Diesen Geschehensablauf hat die Kanzleiangestellte mit Erklärung vom 14. April 2008 an Eides statt versichert. Die Beklagte hat weiter ausgeführt, ihre Prozessbevollmächtigten hätten das Ermitteln und Benennen der Telefaxnummern dem Büropersonal übertragen und dieses insoweit angewiesen, die Telefaxnummer zunächst in "Kauperts Straßenführer durch Berlin" herauszusuchen und die ermittelte Nummer dann mit dem letzten gerichtlichen Schriftsatz der entsprechenden Instanz abzugleichen. Dieses Verfahren sei von den Prozessbevollmächtigten regelmäßig kontrolliert worden. Fehler, wie die vorliegende Ermittlung der falschen Telefaxnummer, hätten die Prozessbevollmächtigten dabei nicht festgestellt und seien auch noch nicht aufgetreten. Der die Berufungsschrift unterzeichnende Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe nicht davon ausgehen können, dass die Telefaxnummer fehlerhaft ermittelt und be- zeichnet gewesen sei, da es an weiteren Umständen, die auf den Fehler hingewiesen hätten, gefehlt habe. Bei korrekter Angabe der Telefaxnummer wäre der Schriftsatz noch innerhalb der Frist beim Kammergericht mittels Telefax eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe die Berufungsbegründung selbst am 11. April 2008 um 21.33 Uhr an die bei der Adresse des Kammergerichts angegebene - falsche - Telefaxnummer gefaxt und dabei die Richtigkeit der Eingabe der Telefaxnummer in das Telefaxgerät und die richtige Bezeichnung des Berufungsgerichts überprüft.
- 3
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
II.
- 4
- Das Kammergericht hat die von der Beklagten begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt.
- 5
- Zwar habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die einfache Aufgabe , die Empfängernummer für das Telefax in die Berufungsbegründung einzusetzen , einer geschulten und zuverlässigen Fachangestellten übertragen dürfen. Die für das Heraussuchen der Telefaxnummer des Empfängers und das Einfügen in die Berufungsbegründung von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten der Fachkraft erteilten Anweisungen seien aber keine ausreichenden Vorkehrungen, die sicherstellten, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müsse ein Rechtsanwalt bei der Versendung fristwahrender Schriftsätze für eine Ausgangskontrolle sorgen. Solle der Schriftsatz durch Telefax übermittelt werden, gehöre hierzu, dass in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf etwaige Übermittlungsfehler, insbesondere die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer, überprüft werde, um Fehler bei der Eingabe , der Ermittlung der Faxnummer oder ihrer Übertragung in den Schriftsatz aufzudecken.
- 6
- Ob in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten überhaupt allgemeine Büroanweisungen zur Ausgangskontrolle bei fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax existierten, sei dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Wenn - wie hier - der Prozessbevollmächtigte, der die Berufungsbegründung unterzeichnet habe, selbst die Übermittlung per Telefax knapp 2 ½ Stunden vor Fristablauf vornehme, dann obliege es ihm, die Ausgangskontrolle in der zuvor beschriebenen Weise durchzuführen. Dies setze eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus. Der Vergleich der in das Telefaxgerät eingegebenen Nummer mit der in der Berufungsbegründung angegebenen (hier unrichtigen) Empfängernummer, auf die der Prozessbevollmächtigte sich bei der Übermittlung des Telefaxes beschränkt habe, stelle keine ausreichende Prüfung dar, um sicher zu gehen, dass die Übermittlung tatsächlich an das angeschriebene Kammergericht erfolgt sei.
- 7
- Für eine solche abschließende Kontrolle habe im konkreten Fall jedenfalls deshalb Veranlassung bestanden, weil in der Handakte des Prozessbevollmächtigten der Schriftsatz zur Berufungsbegründung eine andere Telefaxempfängernummer enthalten habe als die Berufungsschrift und die beiden An- träge auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung, die ebenfalls per Telefax an die richtige Empfängernummer übermittelt worden seien. Diese Kontrolle sei dem Prozessbevollmächtigten auch unschwer möglich gewesen.
III.
- 8
- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
- 9
- Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die versehentliche Übersendung des Berufungsbegründungsschriftsatzes an das Landgericht und damit die Versäumung der Begründungsfrist auf einem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhen.
- 10
- Soll die zur Übermittlung verwendete Telefaxnummer aufgrund einer dienstlichen Anweisung von der Kanzleiangestellten unmittelbar einem Schreiben des Berufungsgerichts in der Akte entnommen und in den zu versendenden Schriftsatz eingefügt werden, reicht es wegen des bei dieser Vorgehensweise erheblich verringerten Verwechslungsrisikos aus, wenn die Überprüfung der verwendeten Telefaxnummer auf die Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Nummer beschränkt wird. In solchen Fällen genügt es deshalb, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfängernummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgeglichen wird (BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - I ZB 66/09, juris Rn. 10; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06, NJW 2007, 1690 Rn. 11).
- 11
- So verhält es sich hier indessen nicht. Nach der glaubhaft gemachten Darstellung der Beklagten war das Kanzleipersonal ihres Prozessbevollmäch- tigten vielmehr allgemein angewiesen, die Telefaxnummern zunächst aus dem Verzeichnis "Kauperts Straßenführer durch Berlin" herauszusuchen und sie sodann mit dem letzten gerichtlichen Schreiben der betreffenden Instanz abzugleichen. Durch diese Anweisung ist, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht hervorhebt, unnötigerweise eine zusätzliche Fehlerquelle geschaffen worden. Denn da sich bereits mehrere Schriftstücke in der Handakte des Prozessbevollmächtigten der Beklagten befanden, die die richtige Telefaxnummer des Kammergerichts enthielten, wäre es ausreichend, allein zweckmäßig und zur Minimierung des Fehlerrisikos geboten gewesen, das Kanzleipersonal anzuweisen , die Telefaxnummer unmittelbar dem letzten gerichtlichen Schreiben des Adressatgerichts zu entnehmen. Da nicht auszuschließen ist, dass der der Kanzleiangestellten des Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterlaufene Fehler im Falle einer sachgerechten Büroorganisation vermieden worden wäre, ist der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu Recht versagt worden.
Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.12.2007 - 22 O 171/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 31.03.2010 - 3 U 3/08 -
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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie
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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie
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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.