Bundesgerichtshof Beschluss, 10. März 2009 - VIII ZB 105/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagten, ihre ehemaligen Mieter, auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.703,08 € in Anspruch. In der Klageschrift hat sich die Klägerin wie folgt bezeichnet: "Grundstücksgemeinschaft L. straße 43, B. , bestehend aus 1. Herrn W. P. , P. straße , Ö. - G. , 2. Frau D. K. , F. allee , B. D. ".
- 2
- Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen haben die Beklagten Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt worden sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 3
- Die Klägerin habe keinen inländischen Sitz. Sie sei zwar als Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Verwendung eines eigenen Namens im Rechtsverkehr wie eine juristische Person aufgetreten. Zutreffend sei auch, dass als Außengesellschaften wie eine juristische Person auftretende Gesellschaften bürgerlichen Rechts im eigenen Namen klagen könnten. Für einen inländischen Sitz der Klägerin gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin habe weder in der Klageschrift noch im Mietvertrag einen eigenen Sitz im Inland angegeben. Vielmehr sei in der Klageschrift die Klägerin insoweit näher bezeichnet worden, als sie aus den beiden Gesellschaftern mit deren angegebenen Anschriften bestehe.
- 4
- Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht B. .
II.
- 5
- 1. Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint und die Beklagten dadurch in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2006 - VIII ZB 28/05, NJW 2006, 1810, Tz. 2 m.w.N.).
- 6
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig verworfen , gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sei nicht das Landgericht, sondern das Kammergericht für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig. Nach dieser - durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen - Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche , die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Das trifft hier entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
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- a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Partei des Rechtsstreits die durch W. P. und D. K. gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. Sie ist als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch die Teilnahme am Rechtsverkehr - wie beim Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - eigene Rechte und Pflichten begründet, aktiv und passiv parteifähig (BGHZ 146, 341, 348 ff.).
- 8
- b) Für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht un- angegriffen gebliebene inländische oder ausl ändische allgemeine Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen (Senatsbeschluss vom 1. März 2006, aaO, Tz. 4 m.w.N.). Dabei liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, ZIP 2007, 1626, Tz. 13 f.). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus den - hier allein zugrunde zu legenden - Angaben in der Klageschrift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein (alleiniger ) ausländischer allgemeiner Gerichtsstand der Klägerin.
- 9
- aa) Der allgemeine Gerichtsstand gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO und im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nach Art. 2, 59 f. EuGVVO zu beurteilen (BGHZ 155, 46, 49; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist vorliegend aber nicht eröffnet, weil es im Streitfall nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auf den der klagenden Partei ankommt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 8).
- 10
- bb) Der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin wird gemäß § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hier kann offen bleiben, ob in der Bezeichnung der Klägerin in der Klageschrift gleichzeitig die Angabe ihres satzungsmäßigen (inländischen) Sitzes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt. Denn jedenfalls fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, die Klägerin habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest auch einen inländischen Verwaltungssitz.
- 11
- Der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rdnr. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rdnr. 10).
- 12
- Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin jedenfalls auch einen inländischen Verwaltungssitz. Das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen ist in Deutschland belegen. Einer der beiden Gesellschafter hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Die Klägerin tritt nach außen - wie etwa bei Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - unter einer deutschen Adresse auf. Ihre laufenden Geschäfte führt eine deutsche Hausverwaltung am Belegenheitsort des Gesellschaftsgrundstücks. Die einzige Verbindung der Klägerin mit dem Ausland besteht dagegen in dem ausländischen Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters. Das reicht für die Annahme eines (alleinigen) Verwaltungssitzes im Ausland angesichts der für einen inländischen Verwaltungssitz sprechenden gewichti- gen Umstände nicht aus. Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG liegen mithin nicht vor.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 220 C 330/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 04.09.2007 - 65 S 214/07 -
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Annotations
(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:
- 1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte - a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen; - b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
- 2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.
(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.
(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.
(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.
(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.
(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.