Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2004 - VII ZB 3/03

published on 22/07/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2004 - VII ZB 3/03
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 3/03
vom
22. Juli 2004
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird nach Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zwischen den Beteiligten
der Rechtsstreit in der Hauptsache anhängig, geht die Zuständigkeit für
das Beweisverfahren erst dann auf das Gericht der Hauptsache über, wenn
dieses eine Beweisaufnahme für erforderlich hält und deshalb die Akten des
selbständigen Beweisverfahrens beizieht.
BGH, Beschluß vom 22. Juli 2004 - VII ZB 3/03 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Dressler und die Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
am 22. Juli 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller werden der Beschluß des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Januar 2003 sowie der Beschluß der 8. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 25. September 2000 aufgehoben. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 37.054,96 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller erwarben von der Antragsgegnerin ein von dieser mit einem Mehrfamilienhaus zu bebauendes Grundstück. Mit der Behauptung, die in Erfüllung des Vertrages erbrachten Bauleistungen seien mangelhaft, leiteten sie im Februar 1999 bei dem Landgericht M. ein selbständiges Beweisverfahren ein, in dem die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet wurde. Noch bevor dieses vorlag, erbaten die Antragsteller eine Erweiterung des Beweisthemas; das Landgericht ordnete daraufhin eine ergänzende Begutach-
tung an, die bisher nicht erfolgt ist. In einem Klageverfahren umgekehrten Rubrums vor dem Landgericht D., in dem die Antragsgegnerin die Zahlung eines Resterwerbspreises und die Rückgabe von Sicherheiten verlangt, hatten sich die Antragsteller ebenfalls auf Mängel berufen. Mit Rücksicht auf die Einwendungen in jenem Rechtsstreit erklärte das Landgericht M. das selbständige Beweisverfahren für beendet und übersandte die Akten an das Landgericht D.. Dieses gab das Verfahren mit dem Hinweis zurück, daß der Streitgegenstand der beiden Verfahren nicht identisch sei, es in D. vielmehr nur um abnahmerelevante Mängel gehe, während in dem vorliegenden Beweisverfahren Mängel in Rede stünden, die sich nicht aus dem Abnahmeprotokoll ergäben. Die den beteiligten Landgerichten übergeordneten Oberlandesgerichte D. und N. lehnten eine Zuständigkeitsbestimmung ab. Die Antragsteller legten daraufhin gegen den Beschluß des Landgerichts M. zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens Beschwerde ein. Gegen deren Zurückweisung richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht M. 1. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel der Antragsteller als zulässig , aber nicht begründet erachtet. Die Zuständigkeit für das selbständige Beweisverfahren sei auf das Landgericht D. übergegangen, als die Hauptsache dort anhängig geworden sei. Ein solcher Zuständigkeitsübergang werde den Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit und der Unmittelbarkeit der Beweis-
aufnahme am besten gerecht. Für eine Übertragung des selbständigen Beweisverfahrens auf das Prozeßgericht genüge es, daß die Gegenstände des selbständigen Beweisverfahrens in einem dort geführten Verfahren einredeweise geltend gemacht würden. Trete während des selbständigen Beweisverfahrens ein Zuständigkeitswechsel ein, habe das ursprünglich angerufene Gericht auf Antrag zu verweisen; werde ein entsprechender Antrag wie hier nicht gestellt, sei das Verfahren einzustellen. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Zuständigkeit des Landgerichts M. für das selbständige Beweisverfahren ist durch die Geltendmachung von Einwendungen durch die Antragsteller in dem Verfahren vor dem Landgericht D. nicht beendet worden.
a) Die auf Rückgabe der Gewährleistungssicherheiten und Zahlung von Restwerklohn gerichtete Klage vor dem Landgericht D. ist, wie sich aus dem vorgelegten Protokoll der öffentlichen Sitzung der 15. Zivilkammer des Landgerichts D. vom 2. Juli 1999 ergibt, bereits vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens eingereicht worden. Darauf hat das Beschwerdegericht aber erkennbar nicht abgestellt, sondern gemeint, daß die Zuständigkeit zu dem Zeitpunkt übergegangen ist, zu dem sich die Antragsteller in dem vor dem Landgericht D. geführten Verfahren auf Mängel berufen haben.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Hauptsacheverfahren auch dann vorliegt, wenn der Antragsteller sich gegen eine vom Antragsgegner erhobene Klage mit Ansprüchen verteidigt, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens stehen. Für einen Zuständigkeitswechsel genügt ein Anhängigmachen, dem in der vorliegenden Fallgestaltung die Geltendmachung der Gegenrechte entsprechen würde, jedenfalls nicht.

c) Der Gesetzgeber hat nicht bestimmt, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt selbständige Beweisverfahren bei Einleitung eines Streitverfahrens zwischen den Beteiligten auf das später angerufene Prozeßgericht übergehen. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum ist umstritten, ob die Zuständigkeit des ursprünglich nach § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO angerufenen Gerichts bereits mit der Einreichung einer denselben Gegenstand betreffenden Klage, mit der Beiziehung der Akten durch das Prozeßgericht zu Beweiszwekken (so Werner/Pastor, Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 73; Fischer MDR 2001, 608, 612; in gleicher Richtung OLG München, Beschluß vom 20. Oktober 1981 - 25 W 1958/81, OLGZ 1982, 200) oder erst mit Abschluß der Beweisaufnahme endet (so Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 486, Rdn. 2, wohl auch Thomas /Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 486, Rdn. 5).
d) Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beiziehung der Akten zu Beweiszwecken durch das Prozeßgericht. Das selbständige Beweisverfahren soll vor allem die Vermeidung oder rasche Erledigung von Rechtsstreitigkeiten fördern und damit der Prozeßwirtschaftlichkeit dienen. Diesem Zweck entspricht es, das
Verfahren möglichst bei dem zunächst angerufenen Gericht abzuschließen. Erst dann, wenn das Gericht der Hauptsache seinerseits eine Beweisaufnahme für erforderlich hält und deshalb die Akten des selbständigen Beweisverfahrens beizieht, geht die Zuständigkeit jedenfalls im Umfang der vom Gericht der Hauptsache für erforderlich gehaltenen Beweisaufnahme auf dieses über.
Dressler Haß Wiebel Kniffka Bauner
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(1) Ist ein Rechtsstreit anhängig, so ist der Antrag bei dem Prozessgericht zu stellen. (2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, so ist der Antrag bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Ha
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(1) Ist ein Rechtsstreit anhängig, so ist der Antrag bei dem Prozessgericht zu stellen. (2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, so ist der Antrag bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Ha
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(1) Ist ein Rechtsstreit anhängig, so ist der Antrag bei dem Prozessgericht zu stellen.

(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, so ist der Antrag bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Hauptsache berufen wäre. In dem nachfolgenden Streitverfahren kann sich der Antragsteller auf die Unzuständigkeit des Gerichts nicht berufen.

(3) In Fällen dringender Gefahr kann der Antrag auch bei dem Amtsgericht gestellt werden, in dessen Bezirk die zu vernehmende oder zu begutachtende Person sich aufhält oder die in Augenschein zu nehmende oder zu begutachtende Sache sich befindet.

(4) Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.