Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2017 - VI ZR 52/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen von Pentz, Müller und den Richter Dr. Allgayer
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 34.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von (weiterer) Geldentschädigung wegen verschiedener Presseberichterstattungen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von jeweils 3.000 € an die Kläger verurteilt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Das Berufungsurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 9. Dezember 2015 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2016, eingegangen am selben Tag, haben die Kläger Widereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt und Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
II.
- 2
- 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen.
- 3
- a) Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags haben die Kläger vorgetragen:
- 4
- Sie hätten ihrem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gegenüber erklärt, dass sie das Berufungsurteil nicht akzeptieren wollten. Dieser habe sich bereit erklärt, ihnen beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte zu benennen. Durch folgende schriftliche Verfügung habe er einer Mitarbeiterin eine Anweisung erteilt: "S. ./. A. Zeitung Bitte Mdt. schriftl. mitteilen: Beschwerdefrist 1 Mo, Begründung 2 Mo RAe für BGH http://www.[...].de http://[...].com/ WV: 2 Wo"
- 5
- Mit dem Schreiben habe ihnen die Frist zur Zulassungsbeschwerde und
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- deren Begründung mitgeteilt werden sollen. Aufgrund eines dem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht erklärbaren Versehens habe dessen Mitarbeiterin die Anweisung nicht richtig umgesetzt und sie falsch informiert, indem diese eine Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde behauptet habe. Dies sei durch folgendes Schreiben geschehen: "Sehr geehrter S., sehr geehrter Herr H., Sie können gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Celle innerhalb von zwei Monaten Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Rechtsanwälte für den BGH sind z.B.: www.[...].de und […].com Mit freundlichen Grüßen i.A. W."
- 6
- Die Mitarbeiterin könne sich den Fehler nicht erklären. Als ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte sei sie bereits seit mehreren Jahren in der Kanzlei tätig, arbeite selbständig sowie gewissenhaft und sei auch unter den Kollegen als besonders zuverlässig bekannt. Sie verfasse häufig kürzere Schreiben an Mandanten auf Anweisung selbst, wobei es bislang nicht zu Problemen gekommen sei. Deshalb habe der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte das Schreiben vor dem Ausgang nicht mehr kontrolliert.
- 7
- Aufgrund der fehlerhaften Information hätten die Kläger den bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen (jetzigen) Prozessbevollmächtigten erst am 26. Januar 2016 - nach Ablauf der Beschwerdefrist - mandatiert.
- 8
- Das Verschulden des Büropersonals habe der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte nicht zu vertreten, da er eine eindeutige Einzelanweisung erteilt habe. Auch Tätigkeiten zur Fristwahrung dürften delegiert werden. Das gelte sogar für die Ausgangskontrolle von fristwahrenden Schriftsätzen, die vom Anwalt selbst einzureichen seien. Werde eine konkrete Einzelweisung erteilt, bei deren Befolgung die Frist gewahrt worden wäre, treffe den Anwalt kein Verschulden , wenn die Weisung versehentlich nicht befolgt werde.
- 9
- Bei zutreffender Umsetzung der Weisung hätten sie rechtzeitig Kontakt mit einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt aufgenommen und die Frist wäre nicht versäumt worden.
- 10
- Zur Glaubhaftmachung haben die Kläger eine anwaltliche Versicherung ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vorgelegt.
- 11
- b) Damit haben die Kläger eine unverschuldete Fristversäumung nicht ausreichend dargelegt (§ 233 Satz 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf Grundlage ihres Vortrags im Wiedereinsetzungsantrag kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ursächlich für die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist geworden ist.
- 12
- aa) Das Mandat eines Prozessbevollmächtigten ist grundsätzlich nicht beendet, bevor er seinem Auftraggeber das Urteil übersandt, dessen Zustellung mitgeteilt und auf die Rechtsmittelmöglichkeiten hingewiesen hat (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1959 - IV ZR 206/59, BGHZ 31, 351, 354; Beschlüsse vom 9. Februar 1977 - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom 20. September 1989 - IVb ZB 91/89, NJW 1990, 189, 190). Ein Prozessbevollmächtigter muss seine Partei darüber unterrichten, ob, in welchem Zeitraum, in welcher Weise und bei welchem Gericht gegen eine Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden kann (Senat, Beschluss vom 9. Mai 1989 - VI ZB 12/89, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 1977 - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom 20. Mai 1981 - IVb ZB 524/81, VersR 1981, 850; vom 30. Mai 1985 - III ZB 10/85, VersR 1985, 768). Diese Unterrichtung erfordert eine richtige Belehrung über den Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsmittelfrist (BGH, Beschlüsse vom 12. März 1969 - IV ZB 1061/68, VersR 1969, 635, 636; vom 9. Februar 1977 - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198). Wegen der Bedeutung dieser Angelegenheit darf der Rechtsanwalt diese Aufgabe nur einem gut ausgebildeten und zuverlässigen Büropersonal, das er mit genauen, unmissverständlichen Anweisungen versehen hat, übertragen (Senat, Beschluss vom 9. Mai 1989 - VI ZB 12/89, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 12. März 1969 - IV ZB 1061/68, VersR 1969, 635, 636; vom 9. Februar 1977 - IV ZR 170/76, NJW 1977, 1198; vom 30. Mai 1985 - III ZB 10/85, VersR 1985, 768).
- 13
- bb) Die Kläger haben nicht dargelegt, dass ihr vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter seine Mitarbeiterin genau und unmissverständlich anwies, den Zeitpunkt des Ablaufs der Einlegungsfrist mitzuteilen. Insoweit beschränken sich die Angaben im Wiedereinsetzungsantrag darauf, dass durch das Schrei- ben „die Frist zur Zulassungsbeschwerde und deren Begründung mitgeteilt werden“ sollte und die Mitarbeiterin die „Anweisung nicht richtig umgesetzt“ so- wie „eine Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde“ behauptet habe. Dies legt nahe, dass sich der Umsetzungsfehler auf die Mitteilung einer falschen abstrakten Einlegungsfrist von zwei Monaten beschränkte. Jedenfalls ergibt sich daraus nicht, dass der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Mitarbeiterin angewiesen hätte, das konkrete Datum des Ablaufs der Beschwerdefrist mitzuteilen.
- 14
- Davon ausgehend kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verschulden des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger zumindest mitursächlich für die Versäumung der Einlegungsfrist geworden ist. In einem solchen Fall ist der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2016 - IV ZB 38/15, juris Rn. 10).
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- 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht fristgerecht eingelegt und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Galke Wellner von Pentz Müller Allgayer
LG Lüneburg, Entscheidung vom 24.02.2015 - 9 O 298/14 -
OLG Celle, Entscheidung vom 03.12.2015 - 13 U 45/15 -
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(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.