Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2009 - VI ZR 163/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die statthafte (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 321a Rn. 5) und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.
- 2
- Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - NJW 2005, 1432 f.). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294; st.Rspr.). Nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann das Revisionsgericht von einer Begründung des Beschlusses, mit dem es über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet, absehen, wenn diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Von die- ser Möglichkeit hat der Senat im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde hat er das mit der Anhörungsrüge des Klägers als übergangen beanstandete Vorbringen in vollem Umfang geprüft, ihm aber keine Gründe für eine Zulassung der Revision entnehmen können.
- 3
- Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt weder einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG noch gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG erkennen. Das Berufungsgericht hat den Aussagen der Zeuginnen H. und R. zum Zustand der Straße nichts Verlässliches abgewinnen können und bei der Aussage des Zeugen P. durchaus berücksichtigt, dass der Zeuge zunächst ausgeführt hatte, es sei insgesamt auf der Straße glatt gewesen. Dann jedoch - und darauf stützt sich das Berufungsgericht letztlich - hat der Zeuge seine Aussage relativiert und letztlich geäußert, es sei durch geschicktes Gehen möglich gewesen, die Straße von der einen oder anderen Seite zu überqueren ohne zwangsläufig immer auf Eisflächen zu landen. Auch die Zeugin J. hat nicht nur, wie von der Nichtzulassungsbeschwerde zitiert worden ist, geäußert, es sei auf der Straße durchgängig glatt gewesen, sondern sie hat vielmehr auch - wie das Berufungsgericht gewürdigt hat - das Vorhandensein von einzelnen Eisflächen bestätigt.
- 4
- Nach alledem handelt es sich um eine vertretbare Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die Verfahrensfehler nicht erkennen lässt und deshalb einer revisionsrechtlichen Überprüfung - insbesondere einer abweichenden Würdigung der Zeugenaussagen durch das Revisionsgericht - nicht zugänglich ist.
- 5
- Darüber hinaus könnte auch allein ein verkehrswidriger Zustand der Straße zum Zeitpunkt des Unfalls einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht begründen. Denn der Unfall hat sich gegen 4.30 Uhr und damit außerhalb der räum- und streupflichtigen Zeit ereignet. Wer nach Ablauf der mit der Streupflicht verbundenen Zeit durch Glätte stürzt, muss jedoch beweisen, dass sich der Unfall bei Erfüllung der Streupflicht in der vorgeschriebenen Zeit nicht ereignet hätte (Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 - VI ZR 98/82 - VersR 1984, 40; OLG Düsseldorf, VersR 1984, 1173; KG VersR 1993, 1369; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 14. Kap., Rn. 163). Die Klägerin hatte zwar behauptet, die Beklagte bzw. ihre Streithelferin seien bereits am Vortag des Unfalles, am 13. März 2005, ihrer Streupflicht nicht nachgekommen. Die Kausalität einer solchen - unterstellten - Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hätte jedoch den Nachweis vorausgesetzt, dass eine Erfüllung der Streupflicht am Vortag den Unfall der Klägerin am frühen Morgen des nächsten Tages verhindert hätte. Hierzu zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde keinen übergangenen Sachvortrag der Klägerin auf, wozu jedoch insbesondere deshalb Veranlassung bestanden hätte, weil die Beklagte vorgetragen und in der Berufungsinstanz als unbestritten bezeichnet hatte, dass sich nach Ende der Streupflicht am 13. März 2005 bis zur Unfallzeit erneut Glätte gebildet habe. Im Übrigen hatte die Klägerin selbst vorgetragen, dass mehrere Tauwasserstellen mehrere Tage vor dem Unfallereignis ständig nachts überfroren seien. Wenn sich aber die Glättestellen erst nachts gebildet haben, so hätte die Beklagte grundsätzlich vor 6.00 Uhr am nächsten Morgen nicht streuen (lassen) müssen. Eine vorbeugende Streupflicht zur Verhinderung von Glättebildung an bestimmten Stellen auch in den Nachtstunden ist nur ausnahmsweise dann erforderlich, wenn mit einem entsprechenden Verkehr gerechnet werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1979 - III ZR 172/77 - VersR 1979, 541, 542). Dazu reicht nicht aus, dass lediglich vereinzelte Personen, insbesondere Zeitungsausträger, vor Einsetzen der allgemeinen Streupflicht unterwegs sind, zumal diese sich auf die seit Tagen bestehenden Witterungsverhältnisse einstellen konnten. Zoll Wellner Pauge Stöhr von Pentz
LG Cottbus, Entscheidung vom 14.12.2006 - 5 O 41/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 03.06.2008 - 2 U 8/07 -
moreResultsText
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.