Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2007 - VI ZB 81/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger hat gegen das ihm am 4. April 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts durch seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt Dr. B., am 29. April 2005 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis zum 4. Juli 2005 verlängert. Am 30. Juni 2005 ging beim Berufungsgericht eine Berufungsbegründungsschrift ein, an deren Ende sich zwar maschinenschriftlich die Unterschriftzeile "Dr. B. Rechtsanwalt" befand, die jedoch nicht von Dr. B. unterzeichnet war, sondern - mit dem Zusatz "i.A." - von dem - ebenfalls beim Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsanwalt K., den Rechtsanwalt Dr. B. wegen seiner Urlaubsabwesenheit mit der Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift beauftragt hatte.
- 2
- Mit Beschluss vom 26. September 2005 hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts auf noch erfordert sie die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
- 4
- Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründungsschrift als bestimmender Schriftsatz nach § 130 Nr. 6 ZPO grundsätzlich die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Berufungsführers tragen muss. Die Unterschriftsleistung ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen durch einen Vertreter zulässig (vgl. Zöller/Stefan, ZPO, 26. Aufl., § 130 Rn. 14 m.w.N.). In solchen Fällen muss jedoch der Unterzeichner einer Rechtsmittelschrift die volle Verantwortung für deren Inhalt übernehmen. Eine bloße Unterzeichnung "i.A." ("im Auftrag") reicht für die Übernahme der Verantwortung in diesem Sinne grundsätzlich nicht aus, weil der Unterzeichnende zu erkennen gibt, dass er dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auftritt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87 - NJW 1988, 210 und Beschluss vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93 - VersR 1994, 368). Der erken- nende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
- 5
- Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch nichts anderes aus dem Beschluss des III. Zivilsenats vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93 - (aaO), denn in dem dort zugrunde liegenden Fall war die Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift mit dem Zusatz "i.A." lediglich deshalb unschädlich , weil der unterzeichnende Rechtsanwalt als Sozietätsmitglied zum Kreis der beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zählte und unmittelbar in Ausführungen des (auch) ihm selbst erteilten Mandates tätig wurde. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, in dem Rechtsanwalt K. von dem mit der Prozessführung beauftragten Rechtsanwalt Dr. B. lediglich anlässlich dessen Urlaubsabwesenheit mit der Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift beauftragt worden ist. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn Rechtsanwalt K. amtlich bestellter Vertreter im Sinne des § 53 BRAO gewesen wäre, kann dahinstehen, denn hierfür ergeben sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts und aus dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte. Dahinstehen kann auch, ob ein Zusatz "in Abwesenheit" eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, denn das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Abkürzung "i.A." nach allgemeinem Verständnis als "im Auftrag" zu verstehen ist. Schließlich kann auch dahinstehen , ob entgegen den Ausführungen des V. Zivilsenats in seinem Beschluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87 - (aaO) Umstände außerhalb des Schriftsatzes für die Auslegung herangezogen werden können, denn solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Insbesondere hat es das Berufungsgericht mit Recht als unerheblich erachtet, dass Rechtsanwalt K. die beglaubigte Abschrift der Berufungsbegründung ohne den Zusatz "i.A." unterzeichnet hat. Zwar kann es unter Umständen zur Formwahrung ausreichen, wenn zwar nicht die Unterschrift eines bestimmenden Schriftsatzes, jedoch die beglaubigte Abschrift desselben von einem Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist. Ist jedoch - wie hier - die Unterschrift auf dem Original mit dem die Verantwortung gerade ausdrücklich nicht übernehmenden Zusatz "i.A." unterzeichnet, kann die ohne einen solchen Zusatz erfolgte Unterschrift auf der beglaubigten Abschrift nicht mehr mit ausreichender Gewissheit die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes gewährleisten, sondern deutet eher darauf hin, dass die Unterzeichnung des Beglaubigungsvermerks nur die Übereinstimmung der Abschrift mit dem Original inhaltlich bestätigt.
- 6
- Auch im Zusammenhang mit der Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 233 ZPO ist ein Zulassungsgrund - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen , dass zu den Bevollmächtigten im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO, deren Verschulden sich die Partei zurechnen lassen muss, auch der Vertreter zählt, den der mit der Prozessführung beauftragte Rechtsanwalt anlässlich seiner Urlaubsabwesenheit hinzuzieht (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO, § 85 Rn. 16 ff.). Der Widerspruch, den die Rechtsbeschwerde darin sehen will, dass das Berufungsgericht die Vertretungshandlung wegen des Zusatzes "i.A." nicht als wirksam angesehen hat, besteht in Wirklichkeit nicht. Die Frage, ob Rechtsanwalt K.
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 16.03.2005 - 6 O 54/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.09.2005 - 3 U 90/05 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; - 1a.
die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist; - 2.
die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; - 3.
die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse; - 4.
die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners; - 5.
die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; - 6.
die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.
(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er
- 1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder - 2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.
(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.
(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.
(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.
(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.