Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juni 2016 - V ZR 232/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juni 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 472.648,15 €.
Gründe:
I.
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 6. Dezember 2012 kaufte der Kläger von den Beklagten zwei Grundstücke zu einem Preis von 420.000 €. Der verkaufte Grundbesitz ist mit einem 1864 errichteten, von 1983 bis 1994 umgebauten Dreiseitenhof sowie 1995 und 1996 errichteten Gebäuden bebaut. In dem Kaufvertrag wurde der Ausschluss aller Ansprüche und Rechte des Käufers wegen Sachmängeln vereinbart unter Ausnahme der Haftung des Verkäufers für Vorsatz oder Arglist.
- 2
- Die Beklagten hatten fünf Jahre vor Vertragsschluss ein Verkehrswertgutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen eingeholt, der den Ver- kehrswert auf 374.000 € schätzte. In dem Gutachten wird die Bau- und Ausstat- tungsqualität der Gebäude als insgesamt durchschnittlich bis gut bezeichnet und zudem ausgeführt, dass Baumängel bzw. Bauschäden im Zuge der Ortsbesichtigung nicht festgestellt worden seien.
- 3
- Der Kläger hat den Kaufvertrag im Hinblick auf zahlreicher behaupteter Mängel (u.a. Feuchtigkeitsschäden an den Wänden, Raumluftbelastungen durch Holzschutzmittel, unzureichende Statik der Holzbalkendecke, Mängel an der Trinkwasserinstallation und an der Heizung) wegen arglistiger Täuschung angefochten. Mit der Klage verlangt er von den Beklagten Zahlung von 472.648,15 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundbesitzes sowie weiterer 5.726,28 € für Verzugsschäden. Das Landgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten zu den von dem Kläger vorgetragenen Feuchtigkeitsschäden und der Luftbelastung durch Holzschutzmittel und der behaupteten Kenntnis der Beklagten von diesen Mängeln die Klage abgewiesen ; das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
- 4
- Die nach § 522 Abs. 3, § 544 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 544 Abs. 2 ZPO) Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
- 5
- 1. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht seinen Beweisantritt, ein Sachverständigengutachten auch zur Erkennbarkeit der von ihm behaupteten statischen Mängel im Haupthaus einzuholen, mit der gegebenen Begründung nicht hätte zurückweisen dürfen. Ein solcher Beweisantritt darf nicht mit der Begründung als ungeeignet abgelehnt werden, dass zwischen der dem Sachverständigenbeweis zugänglichen Erkennbarkeit und der tatsächlichen Kenntnis des Verkäufers von dem Sachmangel unterschieden werden müsse. Waren nämlich die den Sachmangel begründenden Symptome für einen Bewohner des Hauses typischerweise erkennbar, kann sich daraus der Schluss aufdrängen, dass der Verkäufer das Vorhandensein eines Baumangels oder -schadens zumindest billigend in Kauf genommen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - V ZR 21/09, WuM 2010, 372 Rn. 6). Die Zurückweisung des von dem Käufer angebotenen Sachverständigenbeweises als ein für die zu beweisende Kenntnis des Verkäufers vom Mangel ungeeignetes Beweismittel findet im Prozessrecht keine Stütze; die Ablehnung der Beweiserhebung mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - V ZR 21/09, WuM 2010, 372 Rn. 6; Urteil vom 16. März 2012 - V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 Rn. 31; vgl. auch Senat, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - V ZB 84/09, NJW-RR 2010, 233 Rn. 12 zu einem selbständigen Beweisverfahren).
- 6
- 2. Die Revision ist jedoch mangels Darlegung der Entscheidungserheblichkeit dieses Verfahrensfehlers nicht zuzulassen.
- 7
- a) Eine Nichtzulassungsbeschwerde muss nicht nur den Zulassungsgrund , sondern auch dessen Entscheidungserheblichkeit aufzeigen. Ergibt sie sich nicht ohne weiteres aus dem Berufungsurteil, ist in der Beschwerde darzu- legen, aus welchem Parteivortrag sie sich ergibt und warum dieser gemäß § 559 ZPO in der Revision zu berücksichtigen wäre. Ist die Entscheidungserheblichkeit nur bei einem Sachverhalt zu bejahen, den das Berufungsgericht nach Auffassung der Beschwerde verfahrensfehlerhaft nicht festgestellt hat, ist eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b ZPO notwendig (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 101/02, NJW 2003, 831 f.; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 13. Aufl., § 544 Rn. 17; BeckOK-ZPO/Kessal-Wulf, 20. Edition, § 544 Rn. 14). Daran fehlt es.
- 8
- b) Die Zurückweisung eines Beweisantrags ist nicht entscheidungserheblich , wenn sie auch darauf beruht, dass das Gericht den unter Beweis gestellten Vortrag rechtsfehlerfrei als unschlüssig angesehen hat. Davon ist hier auszugehen , weil das Berufungsgericht in seinem Hinweisbeschluss zu den von dem Kläger behaupteten weiteren Mängeln (zur Statik und zur Trinkwasserinstallation ) auf die Begründung im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen und sich diese zu eigen gemacht hat.
- 9
- aa) Das Landgericht hat die Ausführungen des Klägers zu einem arglistig verschwiegenen statischen Mangel im Hauptgebäude mit der Begründung als unschlüssig angesehen, dass es an Vortrag fehle, warum die Beklagten diesen Mangel gekannt hätten. Die Risse an der Fassade seien auch für den Kläger erkennbar gewesen. Die Ablehnung des Beweisantrags im erstinstanzlichen Urteil beruht ersichtlich darauf, dass das Landgericht Vortrag des Klägers über die Erkennbarkeit des behaupteten Mangels der Statik vermisst hat, also vor allem eine Darlegung solcher Symptome, die auch bei einem Nichtfachmann Bedenken in Bezug auf die Standsicherheit des Gebäudes oder von Teilen desselben (Holzbalkendecke) hervorgerufen hätten.
- 10
- Bezüglich der zahlreichen anderen Mängel (insbesondere auch an der Trinkwasserinstallation) hat das Landgericht bereits eine Aufklärungspflicht verneint , weil es sich nicht um Mängel gehandelt habe, die den Wert der Kaufsache erheblich minderten oder unbrauchbar gemacht hätten. Zudem seien die Mängel bei einer Besichtigung für den Kläger erkennbar gewesen.
- 11
- bb) Hiernach ist der gerügte Verfahrensfehler nicht entscheidungserheblich , weil sich die Zurückweisung des Beweisantritts als richtig darstellt. Über Sachvortrag, den der Tatrichter als unschlüssig ansieht, hat er keinen Beweis zu erheben.
- 12
- c) Vor diesem Hintergrund hätte die Nichtzulassungsbeschwerde die Entscheidungserheblichkeit des Beweisangebots aufzeigen müssen. Das hat sie nicht getan.
- 13
- aa) Sie legt nicht dar, welche Tatsachen der Kläger in dem Rechtsstreit vorgetragen hat, die den Schluss auf die behauptete Kenntnis der Beklagten von dem statischen Mangel ermöglichten. Das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers an der Aktenstelle, auf die die Nichtzulassungsbeschwerde verweist, ist von dem Landgericht gerade als nicht schlüssig gewürdigt worden, da es keinen Aufschluss darüber gebe, dass die Beklagten den Mangel in der Statik (die Erforderlichkeit zusätzlicher Stützen im Dachbereich) gekannt hätten.
- 14
- bb) Ob der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts sich aus anderem, in dem angefochtenen Beschluss nicht wiedergegebenem Vorbringen des Klägers ergibt, kann bei der Prüfung der Zulassungsgründe nicht festgestellt werden, weil die Nichtzulassungsbeschwerde eine Verfahrensrüge, in der dieses Vorbringen zu bezeichnen gewesen wäre (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b ZPO), nicht erhoben hat. Das Revisionsgericht hat in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde das Vorliegen eines Zulassungsgrunds allein anhand der angefochtenen Entscheidung und der Beschwerdebegründung zu prüfen und nicht anhand der Gerichtsakten zu ermitteln (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181 185; Beschluss vom 28. November2008 - LwZR 12/07, ZOV 2009, 23 Rn. 44).
- 15
- 3. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Von einer Begründung der Entscheidung wird nach § 544 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
III.
- 16
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Kazele Göbel
Vorinstanzen:
LG Passau, Entscheidung vom 23.04.2015 - 1 O 13/14 -
OLG München, Entscheidung vom 13.10.2015 - 8 U 1775/15 -
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.
(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.