Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Juli 2004 - V ZB 66/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert beträgt für alle Instanzen 1.040,87 €.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks H. straße 13 in S. -K. . Die Antragsgegnerin nutzt als Mieterin das angrenzende Grundstück H. Straße 10 zum Betrieb eines Groß- und Einzelhandels mit Maschinenteilen aller Art.
Im Oktober 1999 beantragte der Antragsteller die Ein leitung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin zwecks Feststellung, ob von dem Betriebsgrundstück Wasser durch die Grenzmauer in ein Stallgebäude auf seinem Grundstück eindrang, ob der Wassereintritt durch einen zu
dem Betrieb der Antragsgegnerin gehörenden schadhaften Kanal verursacht wurde oder welche anderen Ursachen zu dem Wassereintritt führten. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, daß der Wassereintritt nicht auf Schäden an der unterirdischen Entwässerungsanlage des Gewerbebetriebs, sondern auf eine im Grenzbereich vorhandene, nicht mehr genutzte und verstopfte Entwässerungsleitung auf dem Betriebsgrundstück zurückzuführen war. Daraufhin ließ die Grundstückseigentümerin diese Leitung reinigen und verschließen. In einem Ergänzungsgutachten stellte der Sachverständige fest, daß kein Wasser mehr in das Stallgebäude eindrang.
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht ang eordnet, daß der Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Wochen Klage zu erheben habe. Innerhalb dieser Frist hat er die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Erstattung der ihm in dem selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten beantragt. Das Landgericht hat die Klage rechtskräftig abgewiesen. Danach hat das Amtsgericht auf Antrag der Antragsgegnerin dem Antragsteller ihre in dem selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben.
Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwer de verfolgt der Antragsteller sein Ziel der Zurückweisung des Kostenantrags der Antragsgegnerin weiter.
II.
Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht zu Recht die Pflicht des Antragstellers ausgesprochen, die der Antragsgegnerin entstandenen Kosten zu tragen, denn er sei der Anordnung zur Klageerhebung nicht nachgekommen (§ 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Seine auf Kostenerstattung gerichtete Klage stehe der Hauptsacheklage nicht gleich. Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers entfalle nicht etwa deshalb, weil die Hauptsacheklage wegen der Erfüllung des Klageanspruchs gegenstandslos geworden sei. Die Beseitigung der Schadensursache durch die Grundstückseigentümerin könne der Antragsgegnerin nämlich nicht zugerechnet werden. Auch könne eine Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstands entsprechend § 91a ZPO nicht ergehen, weil es an übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien fehle und sie sich auch nicht in dem Beweistermin verglichen haben. Da das selbständige Beweisverfahren nicht durch eine einseitige Erledigungserklärung des Antragstellers vorzeitig beendet und die Hauptsacheklage nicht zurückgenommen worden sei, komme eine Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Klagerücknahme ebenfalls nicht in Betracht.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Der Antragsteller hat die der Antragsgegnerin in dem selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten zu tragen. Das folgt aus § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag der A ntragsgegnerin auf Anordnung der Klageerhebung (§ 494a Abs. 1 ZPO) im Hinblick auf die vorherige Beseitigung der Störungsursache durch eine dritte Person (Grundstückseigentümerin ) zulässig war (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZB 14/02, NJW-RR 2003, 454 m.w.N.). Denn jedenfalls mit der Anordnung des Amtsgerichts, Kla ge zu erheben, war der Weg für die Anwendung des § 494a Abs. 2 ZPO frei. Die Anordnung war nicht anfechtbar (vgl. § 567 Abs. 1 ZPO) und erlangte Bestandskraft. Der Antragsteller mußte daher, um die Kostenfolge des § 494a Abs. 2 ZPO zu vermeiden , Hauptsacheklage erheben. Das hat er nicht getan.
a) Zu Recht - und von der Rechtsbeschwerde nicht angegrif fen - nimmt das Beschwerdegericht an, daß die von dem Antragsteller gegen die Antragsgegnerin erhobene Klage auf Kostenerstattung keine Hauptsacheklage im Sinne des § 494a Abs. 1 ZPO war. Das entspricht einhelliger Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur (OLG Nürnberg, OLGZ 1994, 240, 241 ff.; OLG Hamm, JurBüro 1996, 376; OLG Köln, NJW-RR 1997, 1295 und OLGR 1999, 323, 324; OLG Zweibrücken, MDR 2002, 476; OLG Frankfurt a.M., OLGR 2002, 120; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 494a Rdn. 11; Musielak/Huber, ZPO, 3. Aufl., § 494a Rdn. 5; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 494a Rdn. 16; Reichold, in: Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 494a Rdn. 4; Zöller /Herget, ZPO, 24. Aufl., § 494a Rdn. 2; Weise, Selbständiges Beweisverfahren im Baurecht, 2. Aufl., Rdn. 580; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 132; a.A. AG Aachen, NJW-RR 1999, 1442) und steht im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie will den Antragsgegner bei unterbliebener Hauptsacheklage so stellen, als habe er in der Hauptsache obsiegt
(BGH, Beschl. v. 22. Mai 2003, VII ZB 30/02, NJW-RR 2003, 1240, 1241). Ohne diese Regelung müßte der Antragsgegner einen materiellen Kostenerstattungsanspruch klageweise geltend machen. Das hätte selbst dann, wenn die Hauptsacheklage abgewiesen worden wäre, nur in den seltenen Fällen Erfolg, in denen sich der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner durch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens aus dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten oder der deliktischen Handlung schadensersatzpflichtig gemacht hätte. In allen anderen Fällen müßte der Antragsgegner seine Kosten selbst tragen (vgl. BGH, Urt. v. 4. November 1987, IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032, 2034). Dieses unbillige Ergebnis vermeidet der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Anerkennung der Kostenerstattungsklage als Hauptsacheklage stünde dem entgegen.
b) Weiter spricht gegen die Anerkennung der Kostenersta ttungsklage als Hauptsacheklage im Sinne des § 494a Abs. 1 ZPO die Verschiedenheit der Streitgegenstände. Bei der Klage auf Erstattung der im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten bildet der materielle Kostenerstattungsanspruch den Streitgegenstand. In dem Hauptsacheprozeß ist der Streitgegenstand dagegen ein anderer, nämlich der Gegenstand der Beweiserhebung nach § 485 Abs. 1 und 2 ZPO und der daraus folgende Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner. Damit besteht Identität mit dem Streitgegenstand des Beweisverfahrens. Die in dem Hauptsacheverfahren ergehende Kostenentscheidung erfaßt deshalb auch die in dem selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2002, VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1323). Das trifft wegen der fehlenden Identität des Streitgegenstands für die in dem Kostenerstattungsprozeß zu erlassende Ko-
stenentscheidung nicht zu. Sie erfaßt nur die Kosten dieses Verfahrens und nicht die Kosten, die in dem selbständigen Beweisverfahren entstanden sind.
c) Dem Umstand, daß der Unterlassungs- und Beseitigungsan spruch nach § 1004 Abs. 1 BGB hier bereits vor dem Abschluß des selbständigen Beweisverfahrens durch Erfüllung erloschen war, konnte der Antragsteller dadurch Rechnung tragen, daß er anstelle der - unbegründeten - Leistungsklage eine auf die Feststellung, daß die Antragsgegnerin zu der Beseitigung der Störung verpflichtet war, gerichtete Klage erhob (Senat, Beschl. v. 12. Februar 2004, V ZB 57/03, MDR 2004, 715).
2. Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde auf Kosten des An tragstellers (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen. Der Gegenstandswert bestimmt sich für alle Instanzen nach der Höhe der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin in dem selbständigen Beweisverfahren.
Wenzel Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
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Annotations
(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.
(2) Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss auszusprechen, dass er die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde.
(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.
(2) Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss auszusprechen, dass er die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde.
(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Ist ein Rechtsstreit nicht anhängig, hat das Gericht nach Beendigung der Beweiserhebung auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass der Antragsteller binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.
(2) Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss auszusprechen, dass er die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung unterliegt der sofortigen Beschwerde.
(1) Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.
(2) Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass
- 1.
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, - 2.
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels, - 3.
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
(3) Soweit eine Begutachtung bereits gerichtlich angeordnet worden ist, findet eine neue Begutachtung nur statt, wenn die Voraussetzungen des § 412 erfüllt sind.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)