Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juni 2017 - V ZB 1/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Weinland und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein russischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 2. Mai 2016 unerlaubt in das Bundesgebiet ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 6. Juli 2016 als unzulässig ab. Zugleich verfügte es die Rücküberstellung nach Polen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Rücküberstellung des Betroffenen nach Polen bis zum 11. November 2016 angeordnet. Mit seiner Beschwerde hat der Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Haftbeschlusses und dessen Aufhebung beantragt. Nach einem Hinweis des Landgerichts auf Mängel des Haftantrages hat die beteiligte Behörde diesen mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 ergänzt. Am 27. Oktober 2016 ist der Betroffene nach Polen rücküberstellt worden. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Haftanordnung den Betroffenen bis zum 24. Oktober 2016 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, durch die Haftanordnung auch bis zum 27. Oktober 2016 in seinen Rechten verletzt zu sein.
II.
- 2
- Nach Ansicht des Beschwerdegerichts war der Haftantrag ursprünglich unzureichend begründet und deshalb unzulässig, weil sich ihm nicht habe entnehmen lassen, welche konkreten Maßnahmen für die Durchführung der Rücküberstellung noch erforderlich seien und welcher Zeitraum für die Durchführung der einzelnen Schritte benötigt werde. Dies führe aber nur zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung bis zum 24. Oktober 2016. Die beteiligte Behörde habe nämlich den Mangel des Haftantrages aufgrund der ergänzenden Ausführungen in dem Schreiben vom 24. Oktober 2016 mit Wirkung für die Zukunft geheilt. Die sonstigen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen.
III.
- 3
- Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts hat den Betroffenen für den gesamten Haftzeitraum bis zum 27. Oktober 2016 in seinen Rechten verletzt.
- 4
- 1. Ohne Rechtsfehler geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Haftantrag der Behörde unzulässig war, weil er hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sowie der notwendigen Haftdauer nicht den Begründungsanforderungen gemäß § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG genügte. Dies führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Rechtswidrigkeit der Haft (vgl. nur Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 18 ff.).
- 5
- 2. Unzutreffend ist jedoch die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Mangel des Haftantrages sei im Beschwerdeverfahren mit dem Eingang des ergänzenden Schriftsatzes der beteiligten Behörde am 24. Oktober 2016 geheilt worden.
- 6
- Mängel des Haftantrages können zwar behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21 ff.). Zwingende weitere Voraussetzung für eine Hei- lung ist in einem solchen Fall aber, dass der Betroffene zu den ergänzenden Abgaben persönlich angehört wird (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 9; Beschluss vom 15. September 2016 - V ZB 30/16, juris Rn. 9; Beschluss vom 31. März 2017 - V ZB 74/17, juris Rn. 3). An einer solchen Anhörung fehlt es.
- 7
- 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Bielefeld, Entscheidung vom 12.10.2016 - 90 XIV (B) 1231/16 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 02.12.2016 - 23 T 584/16 -
moreResultsText
Annotations
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.
(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn
(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und - 2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge); - 2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar - a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt; - b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.
(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.
(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:
- 1.
die Identität des Betroffenen, - 2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen, - 3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung, - 4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie - 5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.