Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2012 - IX ZR 69/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 82.783,50 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
- 2
- 1. Soweit die Beschwerde beanstandet, der in dem Vorprozess gestellte Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht durchgehend mit 430.000 € zu bemessen, weil die dem Antrag zugrunde liegende Forderung ausweislich der beigezogenen Akte des Vorprozesses zunächst mit 633.597,95 € beziffert worden sei, liegt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor.
- 3
- Das Verfahrensgrundrecht gebietet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Daraus kann aber nicht die Verpflichtung der Gerichte hergeleitet werden, eine Beiakte ohne entsprechenden Tatsachenvortrag von Amts wegen darauf zu durchforsten , ob ihr für die Partei günstige Tatsachen zu entnehmen sind.
- 4
- 2. Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, soweit sich die Beschwerde gegen die von dem Berufungsgericht angenommene wirtschaftliche Identität der im Rahmen der Widerklage auf Zahlung und auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Anträge wendet.
- 5
- a) Auch insoweit geht die auf Erkenntnisse aus der Beiakte bezogene Beanstandung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG fehl. Im Blick auf die gerügten Rechtsfehler ist den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht genügt. Weder wird im Blick auf den Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung als einem Unterfall der Grundsatzbedeutung (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZB 50/09, WM 2010, 237 Rn. 4) ein Meinungsstreit aufgezeigt (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 191), noch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der gebotene Obersatzvergleich vorgenommen (BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - IX ZR 212/08, WM 2011, 1196 Rn. 3 ff).
- 6
- b) Eine Divergenz zu den Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in dem Vorprozess ist ebenfalls nicht hinreichend dargetan. Hierzu ist es erforderlich, die Vorentscheidung, zu der die Divergenz geltend gemacht wird, konkret zu benennen und zu zitieren, die angeblich divergierenden entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssätze aus dieser Vorentscheidung und aus der angefochtenen Entscheidung herauszustellen sowie vorzutragen, inwiefern diese nicht übereinstimmen (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002, aaO, S. 186). Die danach gebotene Darlegung divergierender Rechtssätze hat die Beschwerde versäumt.
- 7
- 3. Soweit die Beschwerde die Würdigung des Berufungsgerichts beanstandet , dass zu dem Wert des Klageantrags auf Rückgewähr der fünf Grundschulden der Widerklageantrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden wertmäßig nicht zu addieren ist, fehlt es aus den unter 2. genannten Erwägungen ebenfalls an der ordnungsgemäßen Darlegung eines Zulassungsgrunds.
- 8
- 4. Im Blick auf den von der Beschwerde beanstandeten Rückgriff des Berufungsgerichts auf die Einwendung aus § 242 BGB wird der für die ordnungsgemäße Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) gebotene Obersatzvergleich (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2011, aaO) nicht vorgenommen. Davon abgesehen fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der unterbreiteten Rechtsfrage, weil der Mandant jedenfalls berechtigt ist, mit einer Schadensersatzforderung gegen damit nicht in Zusammenhang stehende begründete Gebührenansprüche des Rechtsanwalts aufzurechnen (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1985 - IX ZR 175/84, NJWRR 1986, 1281, 1282 f; Vill in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 723; D. Fischer, ebendort, Rn. 894).
- 9
- 5. Ebenso fehlt es - wie bereits unter 2 a) dargelegt - unter den Gesichtspunkten der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 ZPO) an einer ordnungsgemäßen Rüge, soweit sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Berufungsgerichts wendet, die von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt.
- 10
- a) Überdies dürfte Verjährung nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde ausscheiden, die den Beratungsfehler der Klägerin in dem Versäumnis erblickt, gegen die Streitwertfestsetzung durch das Landgericht vom 10. Mai 2005 nicht vorgegangen zu sein. Die Verjährung setzt nach dem hier anwendbaren § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB Kenntnis des Gläubigers von dem entstandenen Anspruch und den diesen Anspruch begründen Umständen voraus. Verwirklicht sich der Anwaltsfehler nach Erlass einer gerichtlichen Entscheidung und wird ihm die Versäumung der Einlegung eines Rechtsbehelfs vorgeworfen, entsteht der Schaden erst mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist (BGH, Urteil vom 21. September 1995 - IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 50; vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 497 mwN; vom 3. Februar 2011 - IX ZR 183/08, WM 2011, 795 Rn. 8). Eine Streitwertbeschwerde kann gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 3 GVG binnen einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache ohne besondere An- forderungen an die Postulationsfähigkeit (§ 63 Abs. 5 Satz 1, § 68 Abs. 1 Satz 5 GVG) eingelegt werden. Geht man von einer sofortigen Zustellung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses des XI. Zivilsenats vom 10. Juli 2007 aus, lief die Frist von sechs Monaten erst nach Beginn des Jahres 2008 ab. Mithin konnte - ungeachtet der Frage der außerdem notwendigen Kenntnis der Beklagten - die Verjährung frühestens mit Ende dieses Jahres beginnen und wäre daher erst mit Ende des Jahres 2011 lange nach Zustellung vorliegender Klage abgelaufen.
- 11
- b) Die Anwendung des § 215 BGB durch das Berufungsgericht stellt eine Hilfsbegründung dar, auf welcher die angefochtene Entscheidung nicht beruht. Mithin scheitern die von der Beschwerde geltend gemachten Rügen an der fehlenden Entscheidungserheblichkeit.
- 12
- 6. Soweit die Klägerin eine Verantwortlichkeit in Abrede stellt, weil in dem Vorprozess auch übergeordnete Gerichte einer fehlerhaften Streitwertfestsetzung erlegen seien, wird der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) - wie unter 2. a) dargelegt - nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Im Übrigen hat der Anwalt die Interessen seines Mandanten auch gegenüber höherrangigen Gerichten uneingeschränkt zu wahren.
- 13
- 7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen. Kayser Gehrlein Fischer Grupp Möhring
LG Hagen, Entscheidung vom 26.03.2010 - 4 O 227/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 31.03.2011 - I-28 U 63/10 -
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Annotations
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.