Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2019 - IX ZR 147/18

published on 28/03/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2019 - IX ZR 147/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 147/18
vom
28. März 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:280319BIXZR147.18.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Grupp, Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Schoppmeyer und Röhl
am 28. März 2019
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Mai 2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 110.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
2
1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das neue Vorbringen der Klägerin war in Einklang mit der Würdigung des Berufungsgerichts nicht gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Berufungsrechtszug zuzulassen , weil das Erstgericht der aus § 139 ZPO folgenden Prozessleitungspflicht durch den Hinweis, dass die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten ist, genügt hat.
3
2. Im Übrigen steht der Berücksichtigung des geltend gemachten Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen.
4
a) Nach diesem Grundsatz muss ein Beteiligter die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; BGH, Beschlüsse vom 8. November 1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; vom 15. Juli 2015 - IV ZB 10/15, VersR 2016, 137; vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4; vom 26. September 2017 - VI ZR 81/17, NJW-RR 2018, 404 Rn. 8). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7; Urteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, WuM 2011, 178 Rn. 10; Beschluss vom 26. September 2017, aaO).
5
b) So liegt es hier. Das Erstgericht hat die Klägerin durch schriftliche Verfügungen vom 4. Januar und 8. Februar 2017 darüber unterrichtet, dass ihre Aktivlegitimation nunmehr "bestritten" sei. Diesen Hinweis hat das Erstgericht in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2017 erneuert. Die wiederholten inhaltsgleichen Mitteilungen forderten eine Reaktion der Klägerin geradezu heraus. Die Klägerin musste den Hinweisen, selbst wenn sie den Schriftsatz des Beklagten vom 15. November 2016 nicht erhalten hatte, entnehmen, dass sich die Zweifel an ihrer Aktivlegitimation aus einem "Bestreiten" und mithin einer schriftsätzlichen Erklärung des Beklagten ergaben. Die Klägerin hat die Mög- lichkeit, sich über das Vorbringen des Beklagten zu vergewissern, weder auf die schriftlichen Erklärungen noch auf die mündliche Erläuterung in der Verhandlung genutzt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 1994, aaO). Bei dieser Sachlage ist die Klägerin, welche mehrere gerichtliche Hinweise gänzlich unbeachtet ließ, nach dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität mit der Gehörsrüge ausgeschlossen.
Grupp Gehrlein Lohmann
Schoppmeyer Röhl

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 25.07.2017 - 4 O 3437/14 -
OLG München, Entscheidung vom 23.05.2018 - 15 U 2534/17 Rae -
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

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Annotations

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.