Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Okt. 2017 - IX ZB 64/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Grupp als Vorsitzenden , die Richterinnen Lohmann, Möhring, die Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg
am 12. Oktober 2017
beschlossen:
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 95.085 € festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Amtsgerichts Tel Aviv-Jaffa vom 19. Oktober 2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. November 2008 nach dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handels- sachen vom 20. Juli 1977 (BGBl. 1980 II S. 925, nachfolgend: Vertrag). Auf ihren zuletzt eingeschränkten Antrag hat das Landgericht eine Teilvollstreckungsklausel erteilt.
- 2
- Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Die gemäß Art. 11 des Vertrages in Verbindung mit § 15 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d AVAG in der Fassung vom 3. Dezember 2009 (BGBl. 2009 I S. 3830 ff; im Folgenden: AVAG), § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
- 4
- 1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in IPRspr. 2014, Nr. 245, S. 635 ff veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Beachtliche Verstöße gegen die formellen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 des Vertrages seien nicht gegeben. Selbst wenn bei der Erstellung der Nachweise - wie die Antragsgegnerin geltend mache - gegen Bestimmungen des israelischen Rechts verstoßen worden sei, bestehe jedenfalls kein Vollstreckungshindernis. Denn die Antragsgegnerin habe keine substantiierten Einwendungen gegen die Authentizität der Entscheidung, gegen deren Rechtskraft oder gegen deren Vollstreckbarkeit vorgebracht. Es liege auch kein durchgreifender Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 Nr. 5 des Vertrages vor. Die Kenntnis der Antragsgegnerin vom Inhalt der Entscheidung ergebe sich aus ihren Einlassungen und aus der erfolg- losen Einlegung eines Rechtsmittels in Israel. Einwände mit Blick auf Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrages griffen ebenfalls nicht durch, denn die Richtigkeit der eingereichten Übersetzungen sei von einem in Israel zugelassenen Notar bescheinigt worden. Jedenfalls trage die Antragsgegnerin keine substantiierten Einwände gegen die Qualität der Übersetzung vor.
- 5
- 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung vorlagen.
- 6
- a) Entscheidungen israelischer Gerichte sind gemäß Art. 10 des Vertrages in Deutschland zur Zwangsvollstreckung zuzulassen, wenn sie in Israel vollstreckbar und in Deutschland nach den Bestimmungen des zweiten Abschnitts des Vertrages anzuerkennen sind. Nach Art. 3 des Vertrages werden die in Zivil- und Handelssachen über Ansprüche der Parteien ergangenen Entscheidungen , die nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten werden können, anerkannt. Entscheidungen, die noch nicht rechtskräftig sind, werden zwar ebenfalls zur Zwangsvollstreckung zugelassen, jedoch sind nur solche Maßnahmen zulässig, die der Sicherung des betreibenden Gläubigers dienen (Art. 21 des Vertrages).
- 7
- b) Bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung hat sich das angerufene Gericht gemäß Art. 16 Abs. 1 des Vertrages auf die Prüfung zu beschränken, ob die nach Art. 15 des Vertrages erforderlichen Urkunden beigebracht sind und ob einer der in Art. 5 oder 6 Abs. 2 des Vertrages genannten Versagungsgründe vorliegt. Liegen keine Versagungsgründe vor und sind die erforderlichen Urkunden beigebracht, darf die Vollstreckbarerklärung folglich nicht versagt werden. Der Entscheidung des Be- schwerdegerichts lässt sich indes nicht entnehmen, dass die in Art. 15 des Vertrages genannten Unterlagen vorlagen.
- 8
- aa) Soweit die Antragsgegnerin allerdings das Fehlen eines Zustellungsnachweises im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Nr. 5 des Vertrages beanstandet, kann sie nicht durchdringen. Zwar ist nicht festgestellt, dass die Antragstellerin eine Urkunde über die Zustellung des Urteils nach israelischem Recht vorgelegt hat. Aber das Urteil, für das die Antragstellerin die Zulassung der Zwangsvollstreckung begehrt, wurde der Antragsgegnerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 6. August 2013 gemäß § 10 Abs. 1 AVAG jedenfalls gemeinsam mit dem die Vollstreckbarkeit anordnenden Beschluss des Landgerichts zugestellt. Ihr stand zwischen der Zustellung und der Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 22. August 2014 ausreichend Zeit für eine freiwillige Erfüllung des titulierten Anspruchs zur Verfügung. Dies genügt den formellen Anforderungen des Vertrages.
- 9
- Die Zustellung soll gewährleisten, dass die Zulassung zur Zwangsvollstreckung nur beantragt werden kann, wenn der Schuldner von dem Urteil Kenntnis erlangt und vor der Vollstreckung Gelegenheit hatte, dem Urteil freiwillig nachzukommen (Denkschrift zum Vertrag, BT-Drucks. 8/3866, S. 17 zu Art. 15). Dieser - mit Art. 47 Nr. 1 Fall 2 EuGVÜ übereinstimmende - Zweck des Zustellungsnachweises wird sowohl durch eine Zustellung nach dem Recht des Entscheidungsstaats, etwa zum Zwecke der verfahrensabschließenden Bekanntgabe der Entscheidung, als auch durch eine Zustellung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats erreicht. Weil das deutsche Beschwerderecht es dem Gläubiger erlaubt, die beizubringende Urkunde über die Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung noch im Rechtsbehelfsverfahren vorzulegen (vgl. zum EuGVÜ EuGH, Urteil vom 14. März 1996, C-275/94, Van der Linden, Slg. 1996, I-1393 Rn. 14, 16 und 19), bleibt eine Beschwerde des Schuldners erfolglos, wenn diesem der Titel gemeinsam mit dem die Vollstreckbarkeit anordnenden Beschluss zugestellt wird (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2004 - IX ZB 53/03, NJW-RR 2005, 295, 296). Das gilt wegen der inhaltlichen Orientierung der Vertragsregelungen am EuGVÜ (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2001 - IX ZB 75/99, WM 2001, 2121, 2123; vom 9. Oktober 2014 - IX ZB 46/13, IPRspr 2014, Nr. 237b, 604 Rn. 8) vorliegend in gleicher Weise. Ein Zustellungsnachweis im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Nr. 5 des Vertrages ist damit als geführt anzusehen.
- 10
- bb) Ob indes die weiteren Nachweise im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und Nr. 7 des Vertrages beigebracht sind, lässt das Beschwerdegericht offen. Von deren Vorliegen kann der Senat nicht ausgehen.
- 11
- Nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 des Vertrages ist eine von dem Gericht des Entscheidungsstaates hergestellte beglaubigte Abschrift der Entscheidung beizubringen. Hieraus ergibt sich, dass die beglaubigte Abschrift in der in Israel vorgeschriebenen Form einzureichen ist (vgl. Denkschrift zum Vertrag, aaO S. 16 zu Art. 15; Grundsatz des locus regit actum). Die israelischen Rechtsvorschriften bestimmen auch, wie der gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Vertrages erforderliche Nachweis zum Eintritt der Rechtskraft und zur Vollstreckbarkeit der Entscheidung zu erbringen ist. Denn aus diesen Vorschriften ergibt sich, ob die Entscheidung in Israel als Entscheidungsstaat nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar (Art. 10 Nr. 2, Art. 3 des Vertrages) und ob sie dort vollstreckbar ist (Art. 10 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 Nr. 3 des Vertrages). Hierzu verhält sich die Beschwerdeentscheidung nicht. Die Antragsgegnerin hat eine Verletzung der für die Herstellung dieser Urkunden maßgeblichen israelischen Verfahrensvorschriften unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme gerügt. Diese hat das Beschwerdegericht für nicht maßgeblich erachtet, Feststellungen zum Inhalt und zur Einhaltung des relevanten israelischen Rechts hat es nicht getroffen. Unklar bleibt auch, ob die vorgelegten Übersetzungen von einem israelischen Notar als richtig bescheinigt wurden, der - wie es Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrages erfordert - nach israelischem Recht dazu befugt war.
- 12
- c) Das Beschwerdegericht war entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde allerdings nicht gehindert, auch ohne Beibringung der von Art. 15 Abs. 1 des Vertrages geforderten formalen Nachweise die Vollstreckung einer israelischen Entscheidung zuzulassen. Dies setzt jedoch anderweitige Feststellungen zum Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen nach Art. 10 des Vertrages voraus. Die vom Beschwerdegericht gegebene Begründung genügt hierfür nicht.
- 13
- aa) Die Beibringung der von Art. 15 Abs. 1 des Vertrages geforderten Nachweise ist keine Voraussetzung dafür, dass eine israelische Gerichtsentscheidung zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden kann.
- 14
- (1) Die Voraussetzungen, unter denen israelische Entscheidungen zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden, legt Art. 10 des Vertrages fest (vgl. Denkschrift BT-Drucks. 8/3866 S. 16). Es muss sich um die Entscheidung eines Gerichts (im Sinne der Art. 1 und Art. 2 des Vertrages) handeln, diese Entscheidung muss im Urteilsstaat vollstreckbar sein (Art. 10 Nr. 1 des Vertrages) und sie muss in Deutschland anzuerkennen (im Sinne der Art. 3 bis 7 des Vertrages ) sein. Aus Art. 9 des Vertrages ergibt sich, dass die Anerkennung automatisch und ohne besonderes Verfahren erfolgt, aus Art. 8 des Vertrages, dass die Anerkennung nur aus genau bestimmten, nämlich den in Art. 5 und Art. 6 Abs. 2 des Vertrages genannten Gründen, versagt werden darf.
- 15
- (2) Die in Art. 15 Abs. 1 des Vertrages statuierte Beibringungspflicht rechnet damit nicht zu den stets notwendigen Voraussetzungen einer Voll- streckbarerklärung. Dies zeigt sich auch daran, dass zwar nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 des Vertrages der Nachweis beizubringen ist, dass die Entscheidung, die zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden soll, rechtskräftig ist. Die Rechtskraft einer Entscheidung ist indes keine Voraussetzung für die Zulassung der Zwangsvollstreckung. Vielmehr ergibt sich aus Art. 21 des Vertrages, dass auch bei nicht rechtskräftigen Entscheidungen eine - wenn auch im Umfang beschränkte - Zwangsvollstreckung zugelassen werden kann. Soweit nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 6 des Vertrages ein Zustellungsnachweis bezüglich des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu erbringen ist, bezieht sich dies auf den Versagungsgrund nach Art. 5 Abs. 2 des Vertrages. Diesen Versagungsgrund darf das Gericht aber gemäß Art. 16 Abs. 1 des Vertrages uneingeschränkt prüfen. Es ist insoweit durch den formalen Zustellungsnachweis nicht gebunden.
- 16
- (3) Aus der in Art. 16 Abs. 1 des Vertrages formulierten Beschränkung des Prüfungsumfangs ergibt sich nichts anderes. Ausgangspunkt ist auch insoweit der im Vertrag zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die gerichtlichen Entscheidungen im jeweils anderen Vertragsstaat regelmäßig zur Zwangsvollstreckung zuzulassen sind. Hinsichtlich des Verfahrensrechts für die Zulassungsentscheidung verweist Art. 11 des Vertrags ausdrücklich auf das Recht des Vollstreckungsstaates (vgl. auch BT-Drucks. 8/3867 S. 11 zum deutschen Ausführungsgesetz).
- 17
- (a) Israel und Deutschland strebten mit dem Vertrag eine Verbesserung der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen gegenüber den bis dahin allein maßgeblichen innerstaatlichen Vorschriften an (vgl. Denkschrift zum Vertrag, BT-Drucks. 8/3866, S. 11). Israelischen Titelgläubigern stand zuvor nur das Klageverfahren nach den §§ 722 f ZPO zur Verfügung , das auf einen zweiten Prozess über mehrere Instanzen hinauslief, der sich nicht zuletzt wegen der Zulässigkeit aller Beweismittel als kostspielig, zeit- raubend und damit wenig praxistauglich erwiesen hatte (vgl. Denkschrift zum EuGVÜ-Ausführungsgesetz, BT-Drucks. VI/1973, S. 49; Begründung zum AVAG, BT-Drucks. 11/351 S. 16; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 3125; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 722 Rn. 36). Das israelische Vollstreckungsgesetz vom 10. Februar 1958 (in deutscher Übersetzung abgedruckt in JMBl. NRW 1959, S. 6 f) sah zwar ein Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel vor. Dennoch erklärten israelische Gerichte nur vereinzelt deutsche Entscheidungen für vollstreckbar, was die Vertragsstaaten gleichfalls als unbefriedigend empfanden (Denkschrift zum Vertrag, aaO S. 11).
- 18
- (b) Vor diesem Hintergrund dienen Art. 15, 16 Abs. 1 des Vertrages dazu , das Gericht bei seiner Entscheidung, ob die Zwangsvollstreckung zuzulassen ist, von der Prüfung zu entlasten, ob die in Art. 10 des Vertrages genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Entscheidung zur Zwangsvollstreckung tatsächlich vorliegen. Dem mit dem Antrag befassten Gericht wird die Grundlage für eine zügige und in einem vereinfachten Verfahren zu erlassende Entscheidung gegeben. Eine sachliche Nachprüfung der zu vollstreckenden Entscheidung soll nicht stattfinden. Insoweit greift die Regelung des Art. 16 Abs. 1 des Vertrages diese auch in Art. 8 Abs. 1 des Vertrages für die Anerkennung enthaltene vertragliche Grundregel (vgl. Denkschrift zum Vertrag, aaO S. 15 zu Art. 8, S. 17 zu Art. 16) auf. Das Gericht kann einerseits eine Vollstreckbarerklärung allein unter Hinweis auf nicht erbrachte Nachweise ablehnen. Umgekehrt - und dies bringt Art. 16 Abs. 1 des Vertrages zum Ausdruck (vgl. auch die Begründung zu § 7 des Ausführungsgesetzes, BT-Drucks. 8/3867 S. 12: "Die Prüfung ... darf sich … nur darauf erstrecken ...") - wird die Prüfungskompetenz des Gerichts insofern beschränkt, als ohne Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen (Art. 5, 6 Abs. 1 des Vertrages) die Zulassung zur Zwangsvollstreckung nicht versagt werden darf, wenn die von Art. 15 Abs. 1 des Vertrages geforderten Nachweise erbracht sind.
- 19
- (c) Art. 16 Abs. 1 des Vertrages schließt es nicht aus, dass Deutschland die Vollstreckung einer israelischen Entscheidung auch dann zulässt, wenn es hierzu durch den Vertrag nicht verpflichtet ist. Das entspricht einem allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz (vgl. Begründung zu § 1 AVAG BT-Drucks. 11/351, S. 18; bezogen auf ausländische Schiedssprüche Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 23. Aufl., Anhang zu § 1061 Rn. 134; für die Urteilsanerkennung BGH, Urteil vom 18. März 1987 - IVb ZR 24/86, NJW 1987, 3083, 3084 unter 2. c) mwN). Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge zielen nicht auf eine Erschwerung, sondern auf eine Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung (BGH, aaO; BT-Drucks. 11/351, aaO) und auf die Beseitigung verfahrensrechtlicher Hindernisse bei der Vollstreckung ausländischer Urteil ab.
- 20
- Das nach Art. 11 des Vertrages anzuwendende deutsche Verfahrensrecht ermöglicht es dem Beschwerdegericht, die Vollstreckungsvoraussetzungen und Versagungsgründe auf Betreiben und unter Beteiligung des Antragsgegners umfassend zu prüfen (vgl. zu § 13 des Ausführungsgesetzes zum Vertrag BT-Drucks. 8/3867, S. 14; Denkschrift zum Ausführungsgesetz zum EuGVÜ, BT-Drucks. VI/1973, S. 51; Begründung zu § 13 AVAG BT-Drucks. 11/351 S. 22). Das Beschwerdeverfahren ist als volle Tatsacheninstanz ausgestaltet (MünchKomm-ZPO/Lipp, 5. Aufl., § 572 Rn. 20 f mwN; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 571 Rn. 2). Die Beteiligten haben die Möglichkeit, Tatsachen und Beweismittel umfassend vorzubringen (MünchKomm-ZPO/Lipp, aaO Rn. 21). Dem entspricht, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Beschwerdegericht freigestellt ist und bei nicht einfach gelagerten Fällen mit gewissen Problemen (so zu § 13 des Ausführungsgesetzes zum Vertrag, BT-Drucks. 8/3867, S. 14) in Betracht kommen kann. Das Beschlussverfahren ist dann einem regulären Zivilprozess angenähert, wie sich auch in der Verpflichtung der Parteien zeigt, sich ab der Anordnung der mündlichen Verhandlung von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen (§ 13 Abs. 2 AVAG).
- 21
- bb) Hiervon ausgehend ist es dem Beschwerdegericht möglich, seine Überzeugung vom Vorliegen der - vom Antragsteller gegebenenfalls zu beweisenden - Zulassungsvoraussetzungen im Sinne von Art. 10 des Vertrages nach dem Maßstab des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO in freier Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen zu gewinnen und die notwendigen Feststellungen zum Inhalt des israelischen Rechts zu treffen. Diesem Maßstab wird die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht gerecht.
- 22
- (1) Verzichtet das Beschwerdegericht - wie hier - auf das Vorliegen der Nachweise des Art. 15 Abs. 1 des Vertrages, muss es aus anderen Quellen die volle richterliche Überzeugung davon gewinnen, dass eine Entscheidung eines israelischen Gerichts (im Sinne der Art. 1 und Art. 2 des Vertrages) mit dem behaupteten Inhalt existiert und - soweit für den Umfang der Zwangsvollstreckung von Bedeutung - rechtskräftig ist. Es muss ferner die Überzeugung gewinnen , dass diese Entscheidung in Israel nach dortigem Recht vollstreckbar ist, mithin die dort geltenden Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 10 Nr. 1 des Vertrages). Hierfür werden regelmäßig Feststellungen zum Inhalt des israelischen Rechts zu treffen sein (§ 293 ZPO).
- 23
- Die Beschwerdeentscheidung genügt diesem Prüfungsmaßstab nicht und erweist sich als lückenhaft. Die Überzeugung vom Vorliegen eines zur Zwangsvollstreckung zuzulassenden israelischen Urteils wird allein darauf gestützt , dass die von der Antragsgegnerin erhobenen Einwände im Hinblick auf das Beibringungserfordernis nach Art. 15 Abs. 1 des Vertrages lediglich formaler Art seien. Feststellungen zum israelischen Recht fehlen. Damit verabsäumt es das Beschwerdegericht, Feststellungen zum behaupteten Urteil und insbesondere zu den Voraussetzungen einer Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Israel zu treffen. Es nimmt nicht in den Blick, dass die erhobenen Einwände - etwa dazu, dass der Rechtskraftvermerk von einer hierfür unzuständigen Person angebracht worden sei - auch die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 des Vertrages berühren können.
- 24
- 3. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil noch weitere Feststellungen zu treffen sind.
- 25
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Will das Beschwerdegericht prüfen, ob die Antragstellerin die nach Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Vertrages erforderlichen Urkunden beigebracht hat, wird es die Frage einer ordnungsgemäßen Errichtung der Urkunden nach dem israelischen Recht, gegebenenfalls unter Einholung eines Rechtsgutachtens, zu klären haben. Der Antragstellerin ist es indes unbenommen, unter Beachtung des Art. 15 Abs. 1 Nr. 7 des Vertrages neue Urkunden einzureichen, welche den von der Antragsgegnerin geäußerten Bedenken Rechnung tragen. Art. 15 Abs. 1 des Vertrages formuliert kein unnachholbares Antragserfordernis, maßgeblich ist vielmehr, ob zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung oder zum Schluss einer gegebenenfalls anberaumten mündlichen Verhandlung der von Art. 15 Abs. 1 des Vertrages geforderte Nachweis zur Überzeugung des Gerichts erbracht ist.
- 26
- Will sich das Berufungsgericht die Überzeugung vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 10 des Vertrages verschaffen, ohne den Einwänden der Antragsgegnerin, soweit sie sich gegen die von der Antragstellerin erbrachten Nachweise gemäß Art. 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 7 des Vertrages richten, nachzugehen , bedarf es hierzu anderweitiger tragfähiger Feststellungen. Insbesondere wird dann zu prüfen sein, ob die von der Antragstellerin vorgelegte Entscheidung tatsächlich so existiert, vollstreckbar und gegebenenfalls rechtskräftig ist.
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 18.07.2013 - 11 O 54/12 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.08.2014 - 8 W 64/13 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Im Falle des § 8 Absatz 1 sind dem Verpflichteten eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses, eine beglaubigte Abschrift des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titels und gegebenenfalls seiner Übersetzung sowie der gemäß § 8 Absatz 1 Satz 3 in Bezug genommenen Urkunden von Amts wegen zuzustellen.
(2) Muss die Zustellung an den Verpflichteten im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen und hält das Gericht die Beschwerdefrist nach § 11 Absatz 3 Satz 1 nicht für ausreichend, so bestimmt es in dem Beschluss nach § 8 Absatz 1 oder nachträglich durch besonderen Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, eine längere Beschwerdefrist. Die Bestimmungen über den Beginn der Beschwerdefrist bleiben auch im Falle der nachträglichen Festsetzung unberührt.
(3) Dem Antragsteller sind eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses nach § 8, im Falle des § 8 Absatz 1 ferner die mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Titels und eine Bescheinigung über die bewirkte Zustellung, zu übersenden. In den Fällen des Absatzes 2 ist die festgesetzte Frist für die Einlegung der Beschwerde auf der Bescheinigung über die bewirkte Zustellung zu vermerken.
(1) Diesem Gesetz unterliegen
- 1.
die Ausführung folgender zwischenstaatlicher Verträge (Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge): - a)
Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1972 II S. 773); - b)
Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1994 II S. 2658); - c)
Vertrag vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1981 II S. 341); - d)
Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1980 II S. 925); - e)
Vertrag vom 14. November 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1987 II S. 34);
- 2.
die Durchführung folgender Abkommen der Europäischen Union: - a)
Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; - b)
Haager Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen; - c)
Haager Übereinkommen vom 2. Juli 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
(2) Abkommen nach Absatz 1 Nummer 2 werden als unmittelbar geltendes Recht der Europäischen Union durch die Durchführungsbestimmungen dieses Gesetzes nicht berührt. Unberührt bleiben auch die Regelungen der Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge; dies gilt insbesondere für die Regelungen über
- 1.
den sachlichen Anwendungsbereich, - 2.
die Art der Entscheidungen und sonstigen Titel, die im Inland anerkannt oder zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden können, - 3.
das Erfordernis der Rechtskraft der Entscheidungen, - 4.
die Art der Urkunden, die im Verfahren vorzulegen sind, und - 5.
die Gründe, die zur Versagung der Anerkennung oder Zulassung der Zwangsvollstreckung führen.
(3) Der Anwendungsbereich des Auslandsunterhaltsgesetzes vom 23. Mai 2011 (BGBl. I S. 898) bleibt unberührt.
(1) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist und ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Der Beschwerdegegner ist vor der Entscheidung zu hören.
(2) Solange eine mündliche Verhandlung nicht angeordnet ist, können zu Protokoll der Geschäftsstelle Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben werden. Wird die mündliche Verhandlung angeordnet, so gilt für die Ladung § 215 der Zivilprozessordnung.
(3) Eine vollständige Ausfertigung des Beschlusses ist dem Berechtigten und dem Verpflichteten auch dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Beschluss verkündet worden ist.
(4) Soweit nach dem Beschluss des Beschwerdegerichts die Zwangsvollstreckung aus dem Titel erstmals zuzulassen ist, erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts die Vollstreckungsklausel. § 8 Absatz 1 Satz 2 und 4, §§ 9 und 10 Absatz 1 und 3 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden. Ein Zusatz, dass die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen darf, ist nur aufzunehmen, wenn das Beschwerdegericht eine Anordnung nach diesem Gesetz (§ 22 Absatz 2, § 40 Absatz 1 Nummer 1 oder § 45 Absatz 1 Nummer 1) erlassen hat. Der Inhalt des Zusatzes bestimmt sich nach dem Inhalt der Anordnung.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind. Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.