Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2019 - IV ZR 324/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann am 9. Oktober 2019
beschlossen:
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (§§ 565, 516 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO).
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird wie folgt festgesetzt: bis zum 15. November 2018: 178.873,20 € ab dem 16. November 2018: 83.810,59 €
Gründe:
- 1
- I. Mit der Klage hat die Klägerin aus abgetretenem Recht von der Beklagten Rückabwicklung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier Rentenversicherungen aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangt.
- 2
- Hinsichtlich des ersten Vertrages hat sie Rückzahlung von Versicherungsprämien in Höhe von 52.374,31 € zuzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 98.880,59 € und hinsichtlich des zweiten Vertrages Rückzahlung von Prämien in Höhe von 50.055,61 € zuzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 45.007 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, seit dem 24. Mai 2014, begehrt.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte hinsichtlich des ersten Vertrages zur Zahlung von 63.950,51 € nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 15.070 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Insoweit begehrt die Beklagte mit der Revision Aufhebung des Berufungsurteils.
- 4
- Die Klägerin erstrebt mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision, mit der sie eine weitere Nutzungsentschädigung in Höhe von 83.810,59 € nebst Zinsen fordern will. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des zweiten Versicherungsvertrages hat die Klägerin zurückgenommen.
- 5
- II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht statthaft. Der Beschwerde unterliegen nur Urteile des Berufungsgerichts , in denen die Revision nicht zugelassen ist (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Streitfall ist die Revision hingegen - worauf die Parteien hingewiesen worden sind - als insgesamt zugelassen anzusehen, soweit es um die Höhe des Anspruchs auf Herausgabe von Nutzungen im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des ersten Versicherungsvertrages geht.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht kann die Revision allein wegen der Anspruchshöhe zulassen, wenn der Rechtsstreit in ein Grund- und ein Höheverfahren zerlegt werden könnte. Das gilt auch, wenn das Berufungsgericht über einen nach Grund und Höhe streitigen Anspruch einheitlich entschieden hat (Beschluss vom 14. Juli 2016 - V ZR 258/15, NJW 2017, 736 Rn. 23; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2017 - VII ZR 46/17, juris Rn. 4; Urteile vom 2. Februar 2017 - III ZR 41/16, NVwZ-RR 2017, 579 Rn. 24; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18; jeweils m.w.N.).
- 7
- Hier hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 15.070 € nebst Zinsen verurteilt worden ist, und zur Begründung ausgeführt, es lasse die Revision zugunsten der Beklagten zu, soweit von der Entscheidung des Kammergerichts (VersR 2015, 1107) abgewichen werde. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung auf die Anspruchshöhe ist wirksam. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage, ob die Abschluss- und Verwaltungskosten auf die gezogenen Nutzungen anzurechnen sind, betrifft ausschließlich die Höhe eines bestimmten Anspruchs und damit einen tatsächlich und rechtlich selbstän- digen, abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Beklagte selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 11 m.w.N.).
- 8
- 2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung auf den zuerkannten Teil des geltend gemachten Nutzungszinsanspruchs von 15.070 € ist allerdings nicht zulässig, weil sie für den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen insoweit begründete, als es danach möglich war, dass zwar nicht die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision einlegte, aber eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zur Zulassung der Revision führte, soweit das Berufungsgericht den weitergehenden Zahlungsantrag bezüglich der Nutzungen abgewiesen hat. In diesem Fall wäre ein Widerspruch aufgetreten, wenn etwa das Revisionsgericht anders als das Berufungsgericht angenommen hätte , dass zwar ein weitergehender Nutzungszinsanspruch der Klägerin bestehe, dieser aber um Abschluss- und Verwaltungskosten zu kürzen sei. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - liegt bereits dann vor, wenn - wie hier - die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen besteht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, NJW-RR 2019, 610 Rn. 17 m.w.N.). Die unwirksame Beschränkung führt dazu, dass die Revision hinsichtlich der Höhe insgesamt zugelassen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 14 m.w.N.).
- 9
- 3. Die Parteien sind bereits darauf hingewiesen worden, dass eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 - VII ZR 123/18, NJW-RR 2019, 695 Rn. 12).
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 06.01.2016- 9 O 395/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.10.2016 - 20 U 30/16 -
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Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.
(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.
(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.
(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.