Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2015 - IV ZR 293/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
- 2
- Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Mai 2001 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Die im Versicherungsschein enthaltene Widerspruchsbelehrung lautet: "Der Vertrag gilt auf Grundlage dieses Versicherungsscheins , der darin enthaltenen Versicherungsbedingungen und der ebenfalls für den Vertragsabschluß maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich widersprechen. Der Lauf dieser 14tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn Ihnen die o.g. Unterlagen - einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht - vollständig vorliegen. …"
- 3
- D. VN zahlte von Mai 2001 bis September 2013 Prämien in Höhe von insgesamt mindestens 14.077,04 €. Mit Schreiben vom 23. September 2013 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Mit Schreiben vom 30. September 2013 kündigte d. VN den Vertrag; der Versicherer zahlte daraufhin den Rückkaufswert aus.
- 4
- Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 12.730,70 €.
- 5
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Sie sei nicht hinreichend über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden, so dass die Widerspruchsfrist nicht in Gang ge- setzt worden sei. Das Policenmodell sei mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nichtvereinbar.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
- 7
- II. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Die Widerspruchsbelehrung genüge den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Sie sei in drucktechnisch hinreichend deutlicher Form erfolgt. Sie befinde sich an markanter Stelle unten auf Seite 1 des Versicherungsscheins, sei fettgedruckt , durch eine Randüberschrift hervorgehoben und springe direkt ins Auge. Der Abschnitt über die Widerspruchsbelehrung sei deutlich von dem vorausgehenden Hinweis zu § 5 VVG a.F. schon durch die jeweilige Randüberschrift abgegrenzt und außerdem insgesamt fettgedruckt. Die Belehrung sei auch nicht hinsichtlich des Beginns der Widerspruchsfrist ungenau, sondern entspreche dem Wortlaut des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
- 8
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
- 9
- III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
- 10
- 1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache bezüglich der Frage der Europarechtskonformität des Policenmodells grundsätzliche Bedeutung habe. Diese Frage stellt sich hier nicht.
- 11
- a) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass d. VN über das Widerspruchsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist. Die Revision wendet sich erfolglos gegen die Würdigung des Berufungsgerichts , dass die Widerspruchsbelehrung drucktechnisch deutlich hervorgehoben sei. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ist die Belehrung sowohl durch den Fettdruck als auch durch die Randüberschrift hervorgehoben und damit klar von dem vorherigen Abschnitt und dem übrigen Text des Versicherungsscheins abgegrenzt.
- 12
- Die Revision beanstandet weiter ohne Erfolg, der Versicherer habe d. VN nicht ordnungsgemäß über den Beginn der Widerspruchsfrist belehrt. Soweit es im ersten Satz der Belehrung heißt, "wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen widersprechen", entspricht dies dem Wortlaut des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Soweit der zweite Satz der Belehrung da- rauf abstellt, dass der Lauf der 14tägigen Widerspruchsfrist beginnt, "… wenn Ihnen die Unterlagen vorliegen …",ist dies in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. so vorgesehen. Diese Formulierung kann entgegen der Ansicht der Revision nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, der Tag des Zugangs zähle entgegen § 187 Abs. 1 BGB mit. Ohne dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese Vorschrift und die damit korrespondierende Bestimmung des § 188 Abs. 1 BGB kennen muss, wird er nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont die Belehrung so verste- hen, dass die Frist durch den Zugang der genannten Unterlagen in Gang gesetzt wird und 14 Tage später am gleichen Wochentag abläuft.
- 13
- b) Eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich nicht aus der Notwendigkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Ob nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ sie bei Vertragsschluss 2001 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über zwölf Jahre und fünf Monate die Versicherungsprämien, erklärte dann den Widerspruch und kündigte den Vertrag. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits im April 2001 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
- 14
- 2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 19.02.2014- 10 O 5150/13 Ver -
OLG München, Entscheidung vom 27.06.2014- 25 U 1044/14 -
moreResultsText
Annotations
Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht.
(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versicherungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen.
(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.
(4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.
Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.