Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2011 - IV ZR 227/09

published on 21/09/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2011 - IV ZR 227/09
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Landgericht Bonn, 9 O 485/07, 02/03/2009
Oberlandesgericht Köln, 20 U 62/09, 30/10/2009

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 227/09
vom
21. September 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller
am 21. September 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Oktober 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 23.821,33 €.

Gründe:


1
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
3
1. Zwar ist - anders als das Berufungsgericht meint - bei der Auslegung von Bedingungen einer Reisekrankenversicherung, die zum Schutz des Versicherers vor vorvertraglichen Risiken das Leistungsversprechen auf Krankheiten beschränken, deren Eintritt nicht vorhersehbar oder "unerwartet" war (hier: Teil B. § 1 Nr. 1 der "Versicherungsbedingungen Reise-Versicherungen für Besucher der Bundesrepublik Deutschland - Reise-Krankenversicherung" - im Folgenden: AVB), auf die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abzustellen (vgl. OLG Köln NVersZ 1999, 131, 132; OLG Hamm VersR 2001, 1229 f.; vgl. auch OLG Brandenburg VersR 2002, 350; Nies, NVersZ 2001, 535, 536). Anderenfalls würde die dem Versicherer nach der gesetzlichen Konzeption des Versicherungsvertrages obliegende Gefahrtragung unzulässig auf den Versicherungsnehmer übertragen (vgl. dazu Senatsurteil vom 2. März 1994 - IV ZR 109/93, VersR 1994, 549 unter 2).
4
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt aber nicht dar, dass dem Berufungsgericht damit ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler unterlaufen wäre, der die Zulassung der Revision erfordert. Das Berufungsgericht ist von seinem Rechtsstandpunkt aus zu dem Ergebnis gelangt, der von der Versicherten während ihres Deutschlandaufenthalts erlittene Herzinfarkt sei ungeachtet ihrer - insbesondere auch koronaren - Vorerkrankungen "unerwartet" eingetreten und mithin versichert.
5
Die zutreffende - subjektive - Auslegung des Begriffs "unerwartet" führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch sie erforderte es nicht, den medizinischen Sachverständigen zu der Frage zu hören, inwieweit die Vorerkrankungen der Versicherten und der mit der Reise von den Philippinen nach Deutschland verbundene Klimawechsel ihr Herzinfarktrisiko nach medizinischem Ermessen objektiv erhöht hatten (vgl. dazu auch OLG Köln NVersZ 1999, 131 ff.). Entscheidend wäre allein gewesen, welche Informationen dem Versicherungsnehmer und der Versicherten durch behandelnde Ärzte konkret gegeben worden waren. Dass der Sachverständige nicht angehört worden ist, stellt deshalb keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten dar.
6
Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt auch im Übrigen keine Umstände auf, die den Schluss nahelegen, der Versicherungsnehmer oder die Versicherte hätten mit einem Herzinfarkt während des Deutschlandaufenthalts gerechnet. Dagegen spricht vor allem, dass die Versicherte ungeachtet der Lebensgefahr, die mit einem Herzinfarkt verbunden sein kann, ihre Reise angetreten hat.
7
3. Ob der Herzinfarkt "absehbar" im Sinne des Leistungsausschlusses des § 1 Nr. 2 a) Satz 1 AVB war, kann dahin stehen. Beim Vergleich der Leistungsbeschreibung des § 1 Nr. 1 AVB mit dem Risikoausschluss in § 1 Nr. 2 a) Satz 1 AVB erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer , dass akute, mithin im versicherten Zeitraum neu und plötzlich auftretende Erkrankungen Versicherungsschutz genießen, während die Behandlung bereits bestehender und bekannter Vorerkrankungen einschließlich möglicher Behandlungsfolgen vom Versicherungsschutz ausgenommen ist. Er wird daher annehmen, dass eine akute, unerwartete Erkrankung i.S. des § 1 Nr. 1 AVB etwas anderes ist als die bekannten Beschwerden, Erkrankungen und Verletzungen, denen der Leistungsausschluss allein gilt.
8
Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend zwischen erstattungsfähigen Kosten für die Behandlung der akuten Erkrankung (des Herzinfarktes) und nicht erstattungsfähigen Kosten für die Behandlung der bekannten Vorerkrankungen unterschieden. Dass es den Herzinfarkt der Versicherten als bedingungsgemäß akute Erkrankung eingestuft hat, nimmt die Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich hin.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.03.2009 - 9 O 485/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 30.10.2009 - 20 U 62/09 -
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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published on 13/07/2016 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 23.07.2015 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird über den durch das angefochtene Urteil bereits zugesprochenen Betrag hinaus verurteilt, an den Kläger weite
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Annotations

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.