Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2002 - IV ZB 23/02

published on 18/12/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2002 - IV ZB 23/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 23/02
vom
18. Dezember 2002
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 18. Dezember 2002

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Be- schluß des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 25. April 2002 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gewährt.
Beschwerdewert : 7.889,07

Gründe:


I. Das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts ist dem Beklagtenvertreter am 9. Oktober 2001 zugestellt worden. Am Montag, dem 12. November 2001, ging seine auf den 8. November 2001 datierte Berufungsschrift beim Berufungsgericht ein. Nachdem dieses - eingehend beim Beklagtenvertreter am 20. Dezember 2001 - darauf hingewiesen hatte, daß die Berufungsschrift verspätet eingegangen sei, hat der Be-

klagte durch am 3. Januar 2002 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz dagegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten hat zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs versichert, er habe den Ablauf der Berufungsfrist ordnungsgemäß für den 9. November 2001 notiert und nicht nur die Berufungsschrift am 8. November 2001 gefertigt, sondern im weiteren auch überwacht, daß der Schriftsatz versendungsfertig in die Postausgangschale der Kanzlei gelegt worden sei. Die darin liegende Ausgangspost werde nach seiner Anweisung von denjenigen Mitarbeitern mitgenommen , die die Kanzlei bei Dienstschluß um 16.00 Uhr verließen. Die Post werde dann in einen Briefkasten am Nachbarhaus der Kanzlei eingeworfen. Er habe sich am 8. November 2001 persönlich davon überzeugt, daß der Berufungsschriftsatz nach 16.00 Uhr nicht mehr im Postausgangsfach gelegen habe.
Mit Beschluß vom 25. April 2002 hat das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung gemäß § 519b Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. als verspätet verworfen. Es hat einen dem Beklagten zurechenbaren Mangel der anwaltlichen Büroorganisation angenommen. Denn mit der anwaltlichen Anweisung, Post des Postausgangsfachs der Kanzlei sei von Mitarbeitern - meist Auszubildenden - mitzunehmen und in einen nahegelegenen Briefkasten zu werfen, welche die Kanzlei bei Dienstschluß um 16.00 Uhr verließen, sei nicht festgelegt, welcher Mitarbeiter jeweils konkret mit diesem Botendienst betraut sei. Es sei auch nicht gewährleistet, daß eine ausreichende Belehrung des betreffenden Mitarbeiters über die besondere Sorgfalt im Umgang mit Fristsachen und eine stichprobenartige Kontrolle der Zuverlässigkeit der Auszubildenden erfolge.

II. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO n.F. statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht, muß der Prozeßbevollmächtigte dafür sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei Gericht eingeht. Im Rahmen der dafür erforderlichen Fristenkontrolle (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00 - NJW 2001, 1577 = VersR 2002, 380 unter II 1 m.w.N.) muß der Rechtsanwalt durch organisatorische Maßnahmen auch gewährleisten, daß für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Das ist im allgemeinen dann gewährleistet, wenn durch die Kanzleiorganisation sichergestellt wird, daß der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei als "letzter Station auf dem Weg zum Adressaten" eingelegt und von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird. Einer zusätzlichen Ausgangskontrolle bedarf es dann nicht mehr (BGH aaO. m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang die allgemeine Anweisung eines Rechtsanwalts, die in einem solchen Postausgangsfach liegende Post von Mitarbeitern zweimal täglich frankieren und (ohne weiteren Zwischenschritt) am selben Tag zum Briefkasten bringen zu lassen, als ausreichend angesehen (BGH aaO unter II. 2).
2. Gemessen daran hat das Berufungsgericht die Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts für die Kontrolle ausgehender fristgebundener Post überspannt. Seine Forderung, es müsse gewährleistet sein, daß sich der jeweilige Auftrag, Post aus dem Postausgangsfach zu entnehmen und in

den am Nachbarhaus der Kanzlei angebrachten Briefkasten zu werfen, stets an einen konkret identifizierbaren Kanzleimitarbeiter richte, übersieht , daß es insoweit um Botendienste einfachster Art geht (vgl. dazu auch BGH, Beschluß vom 3. Juli 1992 - V ZB 11/92 - BGHR ZPO § 233 Büropersonal 5 unter 1.). Sie verlangen den damit betrauten Personen keine weitergehenden eigenen Entscheidungen ab und können deshalb von jedermann - und insbesondere auch von Auszubildenden einer Rechtsanwaltskanzlei - geleistet werden, ohne daß es hierfür einer weitergehenden Belehrung über die besonderen Sorgfaltspflichten im Umgang mit fristgebundenen Schriftsätzen bedarf. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten ist deshalb den genannten Anforderungen an eine Kanzleiorganisation ausreichend gerecht geworden.

Er hat überdies glaubhaft gemacht, daß er nicht nur das Einlegen der versandfertigen Berufungsschrift in das Postausgangsfach der Kanzlei überwacht, sondern sich darüber hinaus davon überzeugt hatte, daß das Fach am 8. November nach 16.00 Uhr geleert war.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
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published on 11/01/2001 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 148/00 Verkündet am: 11. Januar 2001 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ----------
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published on 16/08/2016 00:00

Tenor Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 13. November 2015 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verwor
published on 07/01/2015 00:00

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. April 2014 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
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Annotations

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.