Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2018 - III ZR 561/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Pohl
beschlossen:
Gründe:
- 1
- 1. Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechende Anwendung findet, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung kommt dabei nur in Betracht, wenn zusätzlich glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 - VIII ZR 305/09, BGHZ 183, 281 Rn. 6 ff; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 719 Rn. 8; MüKoZPO/ Götz, 5. Aufl., § 719 Rn. 15). Eine Einstellung scheidet grundsätzlich aus, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher möglich und zumutbar war (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. November 2010 - XII ZR 31/10, NJW-RR 2011, 705 Rn. 7 und vom 24. Mai 2016 - II ZR 105/16, juris Rn. 4; jeweils mwN).
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- 2. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass er erst während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens den vormaligen Beklagten (Vater) beerbt habe und deshalb im Berufungsverfahren keinen Antrag nach § 712 ZPO habe stellen können, ist dies ohne Bedeutung. Denn der Beklagte ist aufgrund des Erbfalls vom 23. Februar 2017 auch in die prozessuale Stellung seines Vaters eingerückt und muss sich deshalb den Umstand, dass dieser keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, grundsätzlich entgegenhalten lassen. Etwas anderes mag gelten, wenn die Gründe für einen Antrag nach § 712 ZPO in der Person des Erblassers nicht vorlagen und erst aufgrund des Erbgangs die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO erfüllt werden. Letzteres ist hier indessen nicht der Fall.
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- Der Antragsteller macht in diesem Zusammenhang geltend, dass ihm die Möglichkeit erhalten bleiben müsse, den - hiermit beantragten - Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im laufenden Verfahren geltend zu machen. Anderenfalls seien seine Rechte auf materielle Beschränkung der Haftung auf den Nachlass im Wege der Einrede nach §§ 1989, 1990 BGB im Rahmen eines gegebenenfalls einzuleitenden Nachlassinsolvenzverfahrens beeinträchtigt. Auch dieser Einwand verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg.
- 4
- Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Dieser Vorbehalt kann bei einem Erbfall während des Nichtzulassungsbeschwerde- oder Revisionsverfahrens grundsätzlich noch nachträglich in die Beschwerde- beziehungsweise Revisionsentscheidung aufgenommen werden (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. März 1955 - III ZR 115/53, BGHZ 17, 69, 72 ff; BGH, Urteile vom 9. Mai 1962 - VIII ZR 45/61, NJW 1962, 1250 f und vom 26. Juni 1970 - V ZR 156/69, BGHZ 54, 204, 205 f; anders nur, wenn in der Revisionsinstanz vom beklagten Rechtsmittelkläger lediglich die beschränkte Erbenhaftung geltend gemacht und die Revision deshalb als unzulässig ohne Vorbehalt verworfen wird; dann kann allerdings Vollstreckungsgegenklage gemäß §§ 781, 785 auch ohne Vorbehalt erhoben werden, BGH aaO S. 207).
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- Die vorbehaltene Beschränkung der Haftung auf den Nachlass führt allerdings nicht dazu, dass nicht in das übrige Vermögen des Erben vollstreckt werden kann; vielmehr ist es Sache des Erben, bei einer Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen den Vorbehalt selbst im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (§§ 781, 785 ZPO) und dabei die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass nachzuweisen. Letztere müssen bei Aufnahme des Vorbehalts nicht geprüft werden. Allerdings steht es dem Prozessgericht frei, die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung mit zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. März 1983 - IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378, 2379; vom 13. Juli 1989 - IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226, 1230 und vom 2. Februar 2010 - VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 7 f) und zum Beispiel die Verurteilung auf Leistung aus dem Nachlass zu beschränken (vgl. nur BayObLGZ 1999, 323, 328 f; siehe auch Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 780 Rn. 15; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl., § 780 Rn. 10, 13).
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- Vor diesem Hintergrund scheidet die beantragte (uneingeschränkte) Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil bereits deshalb aus, weil dadurch auch eine zulässige Zwangsvollstreckung in den Nachlass betroffen wäre, die hier in Form der Sicherungsvollstreckung in das zum Nachlass gehörende Hausgrundstück in Selfkant seitens der Kläger im Raum steht (siehe dazu Schriftsatz der die Zwangsvollstreckung betreibenden zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22. Februar 2017 und Stellungnahme des Klägervertreters zum Einstellungsantrag vom 17. Januar 2018). Ob im Rahmen des Einstellungsantrags als "minus" auch eine einstweilige Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass möglich wäre (vgl. zur Beschränkung der Einstellung der Zwangsvollstreckung auf bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen bzw. auf die Vollstreckung in bestimmte Vermögensgegenstände im Rahmen des § 719 Abs. 2 ZPO: Senat, Beschluss vom 28. September 1955 - III ZR 171/55, BGHZ 18, 219 f und BGH, Beschluss vom 10. November 1955 - V ZR 211/55, BGHZ 18, 398, 400), kann dahinstehen. Denn abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Vollstreckung in nachlassfremde Gegenstände droht, würde dies zumindest voraussetzen, dass die materiellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass glaubhaft gemacht sind, hier mithin die in der Antragsschrift angesprochene Nachlassinsolvenz. Zum Nachlass fehlt aber näherer Vortrag des Beklagten. Es kommt deshalb nicht einmal mehr darauf an, dass es für die begehrte Einstellung ohne Sicherheitsleistung auch an der Glaubhaftmachung der vom Beklagten - unter Hinweis darauf, dass er aus gesundheitlichen Gründen erwerbslos sei und der- zeit keine Sozialleistungen erhalte - behaupteten Unfähigkeit zur Stellung einer Sicherheitsleistung fehlt.
Liebert Pohl
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 19.05.2016 - 1 O 335/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.11.2016 - 6 U 92/16 -
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(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.
(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.
(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.
(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.
Ist das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan beendet, so findet auf die Haftung des Erben die Vorschrift des § 1973 entsprechende Anwendung.
(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.
(2) Das Recht des Erben wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger nach dem Eintritt des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat.
(1) Der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte kann die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist.
(2) Der Vorbehalt ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wird oder wenn das Urteil über eine Nachlassverbindlichkeit gegen einen Nachlassverwalter oder einen anderen Nachlasspfleger oder gegen einen Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, erlassen wird.
Bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben des Schuldners bleibt die Beschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis auf Grund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Einwendungen erhoben werden.
Die auf Grund der §§ 781 bis 784 erhobenen Einwendungen werden nach den Vorschriften der §§ 767, 769, 770 erledigt.
(1) Wird gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil der Einspruch oder die Berufung eingelegt, so gelten die Vorschriften des § 707 entsprechend. Die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil darf nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war.
(2) Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Parteien haben die tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
(3) Die Entscheidung ergeht durch Beschluss.