Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - III ZB 70/10

published on 14/07/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - III ZB 70/10
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Oberlandesgericht Köln, 19 SchH 15/10, 23/09/2010

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 70/10
vom
14. Juli 2011
in dem Verfahren auf Feststellung der Unzuständigkeit eines Schiedsgerichts
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Vereinbaren die Parteien irrtümlich die Zuständigkeit eines nicht existierenden
institutionellen Schiedsgerichts, ist die Schiedsabrede nicht ohne weiteres
"undurchführbar" (§ 1032 Abs. 1 a.E.); vielmehr ist zunächst im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung zu prüfen, ob ein bestimmtes anderes
Schiedsgericht zur Entscheidung berufen ist.
BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - III ZB 70/10 - OLG Köln
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 durch den Vizepräsidenten
Schlick sowie die Richter Wöstmann, Hucke, Seiters und Tombrink

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. September 2010 - 19 SchH 15/10 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Beschwerdewert: bis 40.000 €

Gründe:


1
Die mit der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob ein Schiedsverfahren "undurchführbar" im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO ist, wenn die Parteien ein in Wirklichkeit gar nicht existierendes institutionelles Schiedsgericht für zuständig erklärt haben (hier: "Anwaltsschiedsgericht", das nach Maßgabe der Regeln der Rechtsanwaltskammer Köln zu bilden ist), hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist insoweit eine Entscheidung zur Rechtsfortbildung geboten. Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang angesprochene Senatsentscheidung (Urteil vom 20. Januar 1994 - III ZR 143/92, BGHZ 125, 7 = WM 1994, 520) ist nicht einschlägig. Diese erging noch zu § 1033 Nr. 1 ZPO a.F., wonach ein Schiedsvertrag, sofern nicht für den betreffenden Fall durch eine Vereinbarung der Parteien Vorsorge getroffen ist, außer Kraft tritt, wenn eine bestimmte Person im Vertrag zum Schiedsrichter ernannt ist und nachträglich wegfällt. Hiervon ausgehend hat der Senat, der zunächst § 1033 Nr. 1 ZPO a.F. auf den nachträglichen Wegfall eines sogenannten institutionellen Schiedsgerichts entsprechend angewandt hat, die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung durch Bestimmung eines Ersatzschiedsgerichts mit der Begründung verneint, hierfür sei schon deshalb kein Raum, weil dieser Punkt nicht regelungsbedürftig sei (aaO S. 17 f). Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen , dass der Gesetzgeber für den Fall, dass der Vertrag insoweit eine (ausdrückliche ) Bestimmung nicht enthalte, in § 1033 ZPO selbst die notwendige Anordnung - Außerkrafttreten der Schiedsabrede - treffen wollte. Da § 1033 ZPO somit eine klare Rechtsfolge anordne, fehle es an der für eine ergänzende Vertragsauslegung erforderlichen regelungsbedürftigen Lücke. § 1033 ZPO a.F. ist jedoch im Zuge des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes zum 1. Januar 1998 ausdrücklich gestrichen worden, um die Möglichkeit der Aufrechterhaltung einer Schiedsabrede in solchen Fällen zu erhalten (BT-Drucks. 13/5274 S. 43). Die Rechtslage hat sich insoweit entscheidend geändert. Stehen aber gesetzliche Bestimmungen nicht entgegen, ist, wenn die Parteien irrtümlich ein nicht existentes Schiedsgericht bestimmen oder ein Schiedsgericht nachträglich in Wegfall gerät, zunächst zu prüfen, ob die Schiedsklausel im Sinne der Zuständigkeit eines anderen Schiedsgerichts ergänzend ausgelegt werden kann (§§ 133, 157 BGB). Dies liegt im Übrigen durchaus auf der Linie der Senatsrechtsprechung , denn in dem angeführten Urteil vom 20. Januar 1994 hat sich der Senat (hilfsweise) mit der Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung näher beschäftigt (aaO WM 1994, 520, 524 f, insoweit in BGHZ 125, 7 nicht vollständig abgedruckt).
2
Dementsprechend geht die obergerichtliche Rechtsprechung zum neuen Recht davon aus, dass es im Falle der Nichtexistenz der im Vertrag bestimmten Schiedsorganisation zunächst geboten ist, eine Lösung dieses Problems im Wege einer (ergänzenden) Vertragsauslegung zu suchen (vgl. hierzu nur KG, KGR 2001, 49, 50 f; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2007, 217, 218; OLG Karlsruhe, OLGR 2007, 990, 992; siehe auch OLG Frankfurt, OLGR 2004, 9, 11; zum nachträglichen Wegfall einer Schiedsorganisation vgl. auch MünchKommZPO/ Münch, 3. Aufl., § 1032 Rn. 8; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 8, Rn. 13; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1029, Rn. 101, § 1039 Rn. 1).
3
Soweit das Oberlandesgericht auf diesem Weg mit eingehender Begründung die Schiedsabrede nach wie vor für wirksam erachtet und zusätzlich auf Ansprüche aus dem Vertrag über freie Mitarbeit erstreckt hat, sind auch die hierzu erhobenen Rügen der Antragsteller nicht geeignet, die Rechtsbeschwer- de zulässig zu machen (§ 574 Abs. 2 ZPO); von einer näheren Begründung sieht der Senat ab (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Schlick Wöstmann Hucke
Seiters Tombrink
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 23.09.2010 - 19 SchH 15/10 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab
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Berichtigt durch Beschluss vom 4. Januar 2017 Boppel, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 221/15 Verkündet am: 15. Dezember 2016 Boppel, Justiza
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Tenor 1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91a ZPO). 2. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 19.950,50 EUR festgesetzt. Gründe   I. 1 Der Kläger hat mit der Klage die Freistellung von Anspr
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Annotations

(1) Schiedsvereinbarung ist eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen.

(2) Eine Schiedsvereinbarung kann in Form einer selbständigen Vereinbarung (Schiedsabrede) oder in Form einer Klausel in einem Vertrag (Schiedsklausel) geschlossen werden.

(1) Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.

(2) Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.

(3) Ist ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 oder 2 anhängig, kann ein schiedsrichterliches Verfahren gleichwohl eingeleitet oder fortgesetzt werden und ein Schiedsspruch ergehen.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.

(2) Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.

(3) Ist ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 oder 2 anhängig, kann ein schiedsrichterliches Verfahren gleichwohl eingeleitet oder fortgesetzt werden und ein Schiedsspruch ergehen.

Eine Schiedsvereinbarung schließt nicht aus, dass ein Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens anordnet.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.