Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2018 - III ZB 50/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat 23. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Pohl
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Streitwert für die Rechtsbeschwerde beträgt 11.500 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen eines Sturzes bei einem Friedhofsbesuch unter dem Vorwurf der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf den Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Kammergericht als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
- 2
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
- 3
- 1. Das Berufungsgericht hat zur Unzulässigkeit der Berufung ausgeführt: Das Landgericht habe seine Klageabweisung auf zwei voneinander unabhängige , selbständig tragende Erwägungen gestützt, nämlich auf das Fehlen einer Pflichtverletzung des Beklagten und auf ein anspruchsausschließendes Mitverschulden des Klägers. Die Berufungsbegründung habe sich jedoch nur mit der Frage der Pflichtverletzung des Beklagten und nicht - wie geboten - auch mit dem Mitverschulden des Klägers befasst.
- 4
- 2. Diese Würdigung befindet sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
- 5
- a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Berufungsbegründung nur dann geeignet, das gesamte klageabweisende Urteil infrage zu stellen, wenn sie jede dieser Erwägungen konkret angreift. Anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig. Der Grund hierfür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist (s. z.B. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - VI ZB 26/14, NJW-RR 2015, 756 Rn. 8 und Urteil vom 18. Januar 2018 - IX ZR 31/15, NZI 2018, 325 f Rn. 7, jeweils mwN). Ausnahmsweise kann der Angriff gegen einen selbstständigen Abweisungsgrund genügen, wenn dieser aus Rechtsgründen auch den anderen Abweisungsgrund zu Fall bringt (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 aaO S. 326 Rn. 7 mwN).
- 6
- b) Hiernach hat das Kammergericht die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
- 7
- aa) Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem Beklagten bei einer Gehwegunebenheit (Überstand/Kante) von nur 2,5 cm keine Pflichtverletzung anzulasten sei, und ferner ausgeführt, soweit der Kläger geltend mache, dass die Schadstelle so deutlich und eklatant sei, dass sie habe entdeckt und behoben werden müssen, trage er zugleich ein eigenes überwiegendes , die Haftung des Beklagten ausschließendes Mitverschulden vor. Damit hat es seine klageabweisende Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige , selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt. Die Berufungsbegründung des Klägers vom 24. Oktober 2016 hat sich demgegenüber allein mit der Frage der Pflichtverletzung des Beklagten, nicht jedoch auch mit dem Einwand des (anspruchsausschließenden) Mitverschuldens befasst.
- 8
- bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann dem Inhalt der Berufungsbegründung kein konkreter Angriff gegen die Annahme eines anspruchsausschließenden Mitverschuldens des Klägers entnommen werden. Der Kläger hat darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Höhenunterschied zumindest 3,5 cm betragen und eine reaktionspflichtige Gefahr vorgelegen habe. Die Bemerkung, der Kontrolleur des Beklagten habe die Gefahrenstelle offenbar "nicht gesehen" (weil er sie sonst hätte feststellen müssen), bezog sich allein auf den Vorwurf der Pflichtverletzung des Beklagten und enthielt nicht etwa die Behauptung, die Gefahrenstelle sei allgemein, insbesondere auch für den Kläger, schlecht sichtbar gewesen. Auch der Hinweis auf die überwiegende Wegenutzung durch "Ältere und nicht mehr ganz so trittsichere Personen" betraf lediglich die Frage der Pflichtverletzung des Beklagten. Dass der Kläger damit etwa ein eigenes Mitverschulden in Abrede nehmen wollte, weil er selbst älter und "nicht mehr so ganz trittsicher" sei, kam hierin nicht zum Ausdruck.
- 9
- cc) Der Berufungsangriff gegen die Ablehnung einer Pflichtverletzung des Beklagten vermochte schließlich auch nicht aus Rechtsgründen die Annahme eines anspruchsausschließenden Mitverschuldens des Klägers zu Fall zu bringen. Zum einen setzt ein Mitverschulden des Geschädigten das Vorliegen einer (haftungsbegründenden) Pflichtverletzung des Anspruchsgegners voraus. Zum anderen brachte der Kläger in seiner Berufungsbegründung zum Ausdruck, dass die Gefahrenstelle als solche deutlich zu erkennen gewesen sei und daher von dem Beklagten habe beseitigt werden müssen. Die deutliche Erkennbarkeit einer Gefahrenstelle ist indes ein Gesichtspunkt, welcher der Annahme eines (ggfs. anspruchsausschließenden) Mitverschuldens des Geschä- digten nicht entgegensteht, sondern - im Gegenteil - für ein solches Mitverschulden spricht.
Reiter Pohl
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 11.08.2016 - 86 O 118/16 -
KG Berlin, Entscheidung vom 20.04.2018 - 9 U 80/16 -
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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.