Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2016 - III ZB 110/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Liebert
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um den Ausgleich von Wildschäden. Unter dem 11. Juli 2014 erließ die Hansestadt G. einen Vorbescheid, durch den die Kläger verpflichtet wurden, dem Beklagten Wildschadensersatz über 2.235,74 € zu zahlen. Hiergegen erhoben die Kläger - zusammen mit zwei weiteren Mitpächtern des Jagdbezirks - Klage mit dem Antrag, unter Aufhebung des Vorbescheids festzustellen, dass dem Beklagten kein Wildschadensersatz zustehe. Das Amtsgericht hat - unter Abweisung der Klage der Mitpächter als unzulässig - der Klage stattgegeben. Dieses Urteil wurde den damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 26. Februar 2015 zugestellt. Diese legten am 19. März 2015 für den Beklagten Berufung ein (22 S 35/15). Zu die- sem Zeitpunkt war beim Landgericht auch die Berufung des Beklagten in einer anderen Wildschadenssache anhängig (22 S 34/15), in der die Begründungsfrist ebenfalls am Montag, den 27. April 2015 ablief.
- 2
- Nachdem das Landgericht mit Verfügung vom 29. April 2015 darauf hingewiesen hatte, dass weder eine Berufungsbegründung noch ein Antrag auf Fristverlängerung eingegangen sei, meldeten sich mit Schriftsatz vom 18. Mai 2015 die neuen Prozessbevollmächtigten des Beklagten und beantragten Wiedereinsetzung. Hierzu trugen sie im Wesentlichen vor, sie hätten, da ihnen der Akteninhalt in beiden Verfahren nicht bekannt gewesen sei, die Berufung nicht begründen können und deshalb jeweils Fristverlängerung beantragen müssen. Der zuständige Sachbearbeiter in der Kanzlei, Rechtsanwalt Dr. B. M. , habe sich damals im Urlaub befunden. Er habe aus dem Urlaub telefonisch am 24. April 2015 verfügt, dass in beiden Verfahren mit einem gleich lautenden Schriftsatz dem Gericht die Vertretung des Berufungsklägers angezeigt sowie Akteneinsicht und eine Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27. Mai 2015 beantragt werden solle. Er habe den Fristverlängerungsantrag dem Auszubildenden im dritten Lehrjahr M. R. telefonisch diktiert und diesen angewiesen , den gleich lautenden Schriftsatz sowohl in der Akte zu 22 S 34/15 als auch in der Akte zu 22 S 35/15 zu fertigen, vorab an das Gericht zu faxen und dann per Post auszufertigen. Bei R. handele es sich um einen geschulten und sehr zuverlässigen Auszubildenden, der in der Vergangenheit stets sorgfältig und fehlerlos gearbeitet habe, kurz vor seiner Abschlussprüfung stehe und einen guten Notendurchschnitt aufweise. Dieser habe zunächst einen Entwurf der Fristverlängerung gefertigt und dessen Wortlaut von dem in der Kanzlei anwesenden Rechtsanwalt H. kontrollieren lassen. Sodann habe R. den Schriftsatz gefertigt und diesen zu beiden Akten abgespeichert. Nach seiner Erinnerung habe R. anschließend die Schriftsätze von Rechtsanwalt H. unterzeichnen lassen. Offenbar habe R. dann, soweit sich dies anhand der Fax-Sendeberichte vom 24. April 2015 rekonstruieren lasse, aus Versehen und mangelnder Sorgfalt entgegen der Anweisung den Schriftsatz zu 22 S 34/15 zweimal, dagegen den Schriftsatz zu 22 S 35/15 gar nicht an das Gericht gesendet. Die Arbeitsanweisung an die Mitarbeiter zur Übersendung in Fristsachen beinhalte vor dem Faxen die Kontrolle der Faxnummer, des Adressaten , des gerichtlichen Aktenzeichens, des Rubrums und der erfolgreichen Übertragung. Nach dem Faxen habe der Auszubildende die Schriftsätze in den Postausgang gelegt. Die Post werde anhand eines Barcodes erfasst. Hieran sei nachvollziehbar, dass zwei Schriftsätze an das Berufungsgericht versandt worden seien. Der genaue Wortlaut der Schriftsätze der Ausgangspost sei aber nicht nachvollziehbar beziehungsweise welche Post in den Tagespostausgang gelangt sei, könne R. nicht mehr erinnern. Am 27. April 2015 habe sich Rechtsanwalt Dr. M. telefonisch bei R. erkundigt, ob es mit der Fristverlängerung in beiden Akten geklappt habe, was jeweils bejaht worden sei.
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- Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zwar könne einem zuverlässigen Auszubildenden die Aufgabe übertragen werden, fristwahrende Schriftsätze per Fax an das Gericht zu übermitteln. Es müsse dann aber organisatorisch dafür Sorge getragen werden, dass zusätzlich eine Fristenkontrolle stattfinde, bei welcher der hierfür zuständige Mitarbeiter angewiesen sei, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert habe, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei. Im Hinblick auf die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Fax komme ein Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle Sorge zu tragen, nur dann nach, wenn er insoweit die Weisung erteile, die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen. Dass eine solche Ausgangskontrolle vorhanden gewesen sei, lasse sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen. Die telefonische Nachfrage des sachbearbeitenden Rechtsanwalts bei dem Auszubildenden drei Tage nach der Anweisung könne eine eigenständige Fristenkontrolle durch das Büropersonal anhand des Sendeprotokolls nicht ersetzen.
- 4
- Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
- 5
- Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Zwar darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 6 und vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 6). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Vielmehr hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zu Recht als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
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- 1. Die Übersendung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Fax darf einem Auszubildenden nur dann überlassen werden, wenn dieser mit einer solchen Tätigkeit vertraut ist und eine regelmäßige Kontrolle dieser Tätigkeit keine Beanstandungen ergeben hat (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. September 2013 - III ZB 7/13, NJW 2014, 225 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 - I ZB 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 11). Dass der Auszubildende R. mit der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Fax vertraut war und insoweit in der Vergangenheit auch regelmäßig kontrolliert wurde, lässt sich den nur allgemein gehaltenen Ausführungen zur Person des Auszubildenden im Wiedereinsetzungsantrag bereits nicht entnehmen.
- 7
- 2. Selbst wenn man aber die Voraussetzungen für seinen Einsatz als gegeben unterstellt, würde eine Wiedereinsetzung - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - daran scheitern, dass es an ausreichendem Vortrag zu der notwendigen Ausgangskontrolle in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten fehlt.
- 8
- a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicher zu stellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er unter anderem eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Kontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt dafür sorgen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet ist. Dabei ist die für die Kontrolle zuständige Bürokraft anzuweisen, dass Fristen im Kalender erst zu streichen oder als erledigt zu kennzeichnen sind, nachdem sie sich anhand der Akte selbst vergewissert hat, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Fristenkontrolle auch eine Anordnung, die gewährleistet, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft nochmals und abschließend selbständig überprüft wird (st. Rspr., z.B. Senat, Beschlüsse vom 13. September 2007 - III ZB 26/07, MDR 2008, 53, 54; vom 27. November 2013 - III ZB 46/13, juris Rn. 8 und vom 26. Februar 2015 - III ZB 55/14, NJW 2015, 2041 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 109/94, NJW 2007, 3497 Rn. 13; vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 8 ff und vom 9. Dezember 2014 - VI ZB 42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8). Bei einer Übermittlung von Schriftsätzen per Fax gehört zur Ausgangskontrolle eine Überprüfung und ein Abgleich der Sendeberichte. Der Rechtsanwalt kommt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Notfrist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, 907; vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368 f; vom 26. Januar 2006 - I ZR 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 9; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, MDR 2010, 1145; vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 6 und vom 17. Juli 2013 - XII ZB 115/13, NJW-RR 2013, 1328 Rn. 6, 8).
- 9
- b) Dass die Organisation des Kanzleibetriebs der Prozessbevollmächtigten des Beklagten diesen Anforderungen genügt hat, lässt sich dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entnehmen. Bereits deshalb lässt sich nicht ausschließen, dass die Versäumung der Frist auf einem Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Beklagten beruht, das dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. In einem solchen Fall kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 14. Juli 2015. Denn maßgeblich sind nur die Angaben, die eine Partei in ihrem Wiedereinsetzungsantrag mitgeteilt hat; jedenfalls sind die für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vorzubringen. Zulässig ist nach Fristablauf lediglich die Ergänzung von fristgerecht gemachten, aber für sich, weil erkennbar unklar oder unvollständig, nicht ausreichenden Angaben, bei denen eine gerichtliche Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - III ZB 47/12, juris Rn. 9; vom 12. September 2013 - III ZB 7/13, NJW 2014, 225 Rn. 9 und vom 27. November 2013 - III ZB 29/13, juris Rn. 10; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369 und vom 17. Juli 2013 - XII ZB 115/13, NJW-RR 2013, 1328 Rn. 9). Es besteht aber keine Verpflichtung des Richters, eine anwaltlich vertretene Partei auf die nicht ausreichenden Gründe des Wiedereinsetzungsantrags hinzuweisen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 27. November 2013 aaO; BGH, Beschluss vom 17. Juli 2013 aaO). Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle stellt, sind bekannt und müssen einem Rechtsanwalt auch ohne richterlichen Hinweis geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären oder zu füllen sind, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 aaO und vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 12). Der Umstand, dass das Landgericht mit Verfügung vom 23. Juni 2015 darauf hingewiesen hat, es beabsichtige, den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen, weil es an einer ausreichenden Ausgangskontrolle gefehlt habe, eröffnete dem Beklagten daher nicht die Möglichkeit, hierzu neu vorzutragen.
- 10
- Selbst wenn man aber den Schriftsatz vom 14. Juli 2015 berücksichtigen würde, wäre damit keine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle dargelegt. Denn insoweit beschränkte sich die Darstellung darauf, dass in der Kanzlei Fristen mit dem Programm RA-Micro erfasst würden und die Fristenkontrolle sowie Fristenbearbeitung ausschließlich langjährig beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten obliege. Das Programm zeige allerdings nicht an, wer die konkrete Frist als erledigt und ordnungsgemäß bearbeitet angeklickt habe. Aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten müsse es sich im vorliegenden Fall um die Mitarbeiterin K. gehandelt haben. Diesem Vortrag lässt sich nicht entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigten des Beklagten die Ausgangskontrolle - im Hinblick auf die Einhaltung und Löschung von Fristen - entsprechend den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung organisiert haben. Dass im Zusammenhang mit den an anderer Stelle im Schriftsatz erfolgten Ausführungen zur Kausalität zwischen einem Organisationsverschulden und der Fristversäumung von einer - nicht näher erläuterten - "allgemeinen Arbeitsanweisung zur Fristenkontrolle" die Rede ist und - einige Sätze weiter - davon, dass man davon ausgehe , "dass die zusätzliche Fristenbearbeitung durch die Rechtsanwaltsfachangestellten , hier vermutlich die Angestellte K. , den Ansprüchen genügt" und dass "es einer sorgfältig arbeitenden Rechtsanwaltsfachangestellten nicht möglich gewesen wäre, den Fehler bei normaler Durchsicht der in der Akte befindlichen Sendebestätigungen zu entdecken", stellt keinen substantiellen Vortrag zu einer ausreichenden Kanzleiorganisation dar.
- 11
- c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Frage, ob eine ausreichende Ausgangskontrolle bestand, nicht deshalb unerheblich, weil eine konkrete Einzelanweisung - hier zur Übermittlung des Fristverlängerungsantrags per Fax - erteilt worden ist. Zwar kommt es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend an, wenn der Rechtsanwalt eine einzelne Anweisung erteilt hat, durch welche die Wahrung der Frist anderweitig hinreichend sichergestellt worden ist. Die Anweisung an einen Mitarbeiter, einen Schriftsatz per Fax an das Gericht zu übersenden, regelt aber nur die Art und Weise sowie den Adressaten der Übermittlung, erübrigt aber nicht die vor Löschung der Frist im Fristenkalender notwendige Ausgangskontrolle (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. September 2013 - III ZB 7/13, NJW 2014, 225 Rn. 11; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; vom 3. Mai 2005 - XI ZB 41/04, BeckRS 2005, 06274; vom 26. Januar 2006 - I ZR 64/05, NJW 2006, 1519 Rn. 10; vom 4. Juli 2006 - VI ZB 48/05, juris Rn. 4; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, MDR 2010, 1145 und vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 8 ff). Die Einzelanweisung muss sich deshalb auch auf die Ausgangskontrolle erstrecken, das heißt, der Rechtsanwalt muss seinen Mitarbeiter auch anweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu löschen (z.B. BGH, Beschlüsse vom 19. November 1997 - VIII ZB 33/97, NJW 1998, S. 907 f; vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778 Rn. 6 und vom 28. Februar 2013 - I ZB 75/12, NJW-RR 2013, 1008 Rn. 8 ff). Hieran fehlt es, abgesehen davon, dass die Bearbeitung des Fristenkalenders in eigener Verantwortung und damit die Überwachung und Löschung von Fristen nur einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Büroangestellten übertragen (und deshalb auch nur einer solchen eine hierauf bezogene Einzelanweisung erteilt) werden kann (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04, NJW 2007, 3497 Rn. 15; vom 13. Januar 2011 - VII ZB 95/08, NJW 2011, 1080 Rn. 9 und vom 6. Mai 2015 - VII ZB 60/14, NJW 2015, 2344 Rn. 12). Da keine ausreichende Einzelanweisung vorlag, spielt es keine Rolle, dass sich der Beklagtenvertreter Dr. M. am 23. April 2015 telefonisch danach erkundigt hat, ob die Anweisung ausgeführt wurde. Im Übrigen müssen Nachfragen zeitnah erfolgen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 aaO Rn. 13), woran es hier ebenfalls fehlt.
- 12
- d) Hätte in der Kanzlei der Beklagtenvertreter eine ausreichende Ausgangskontrolle bestanden, wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der zuständigen Mitarbeiter die Berufungsbegründungsfrist nicht versäumt worden. Bei einer Überprüfung der Sendeberichte im Rahmen der fristwahrenden Ausgangskontrolle hätte - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - bemerkt werden müssen, dass in Sachen "Zufall gegen Dr. B. u.a." (22 S 35/15) kein Sendebericht vorliegt und insoweit kein Fristverlängerungsantrag gestellt worden ist. Für die Beurteilung , ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich war, ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2012 - II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 14 und vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 14).
- 13
- e) Ergänzend ist anzumerken, dass der Vortrag, der Auszubildende R. habe zu den Aktenzeichen 22 S 34/15 und 22 S 35/15 jeweils einen von Rechtsanwalt H. unterzeichneten Schriftsatz gefertigt und dann versehentlich den Schriftsatz zu 22 S 34/15 zweimal übermittelt, dagegen vergessen , den Schriftsatz zu 22 S 35/15 ebenfalls zu faxen, zu dem Inhalt der vorgelegten Sendeberichte in Widerspruch steht. Das Verfahren 22 S 35/15 hat im Büro der Beklagtenvertreter das interne Aktenzeichen 2288/15, das Parallelverfahren dagegen das Aktenzeichen 2289/15. Wäre die Darstellung im Wieder- einsetzungsantrag richtig, müsste es sich bei den beiden gemäß den Sendeberichten vom 24. April 2015 um 16.03 Uhr und 16.04 Uhr gesendeten Schriftsätzen um exakt dasselbe von Rechtsanwalt H. unterzeichnete Schriftstück handeln. Dies ist aber nicht der Fall. Zwar tragen beide Schriftsätze das Kurzrubrum "Z. , V. gegen K. " und das Aktenzeichen 22 S 34/15. Jedoch trägt der eine Schriftsatz unterhalb der Datumsangabe das interne Aktenzeichen 2288/15, der andere dagegen das Aktenzeichen 2289/15. Es sind mithin zwei insoweit verschiedene Schriftsätze zum Aktenzeichen 22 S 34/15 an das Landgericht gefaxt worden. Tragen aber diese beiden Schriftsätze die Unterschrift von Rechtsanwalt H. , hätte diesem der Fehler auffallen müssen. Herrmann Seiters Remmert Reiter Liebert
AG Gardelegen, Entscheidung vom 24.02.2015 - 31 C 210/14 -
LG Stendal, Entscheidung vom 29.07.2015 - 22 S 35/15 -
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Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.