Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juni 2008 - II ZR 104/07

published on 02/06/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juni 2008 - II ZR 104/07
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Landgericht Erfurt, 8 O 74/06, 03/07/2006
Thüringer Oberlandesgericht, 6 U 734/06, 18/04/2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 104/07
vom
2. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
An einem die Haftung nach § 826 BGB begründenden existenzvernichtenden
Eingriff fehlt es, wenn der Gesellschafter zwar Forderungen der GmbH gegen
Dritte auf ein eigenes Konto einzieht, mit diesen Mitteln jedoch Verbindlichkeiten
der Gesellschaft begleicht und zusätzlich in beträchtlichem Umfang aus eigenem
Vermögen weitere Gesellschaftsschulden tilgt.
BGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 - II ZR 104/07 - OLG Jena
LG Erfurt
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juni 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer,
Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
2
Die Revision ist zwar vom Berufungsgericht zugelassen worden. Jedoch müsste der Senat sie im Falle der - vom Kläger beabsichtigten - Einlegung durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie auch keine Aussicht auf Erfolg hätte (st.Rspr.; vgl. nur Sen.Beschl. v. 26. November 2007 - II ZA 14/06, ZIP 2008, 217 Tz. 2 m.w.Nachw.).
3
I. Ein Grund, die Revision gegen das angefochtene Urteil wegen einer höchstrichterlich zu klärenden Rechtsfrage zuzulassen, besteht nicht.
4
1. Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen jemand "faktisch" wie ein Geschäftsführer gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat (sog. faktischer Geschäftsführer), ist in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt (vgl. BGHZ 104, 44; 150, 61; Sen.Urt. v. 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 m.w.Nachw.). Der vorliegende Fall wirft zu diesem Problemkreis keine höchstrichterlich klärungsbedürftigen neuen Rechtsfragen auf.
5
2. Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, "weil der Fall Anlass für eine weitere Fortbildung des Rechts, insbesondere zu den Voraussetzungen der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs gibt", sind Grundsatzfragen durch die vorliegende Entscheidung nicht (mehr) aufgeworfen, weil der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung zwischenzeitlich sein Haftungskonzept zur Existenzvernichtungshaftung auf der "Rechtsfolgenebene" geändert und diese nunmehr in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung in § 826 BGB eingeordnet hat (vgl. Sen.Urt. v. 16. Juli 2007 - II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 - "TRIHOTEL" z.V.b. in BGHZ 173, 246).
6
Das Berufungsurteil lässt auch insoweit keine entscheidungserhebliche Divergenz erkennen, weil die das Basisschutzkonzept der §§ 30, 31 GmbHG ergänzende Existenzvernichtungshaftung - nach wie vor - nur missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen betreffen kann und das Berufungsgericht im vorliegenden Fall eine derartige Konstellation schon auf der "Tatbestandsebene" auch unter Zugrundelegung des alten Haftungskonzepts des Senats sowie unter dem entsprechenden Blickwinkel des § 826 BGB widerspruchsfrei verneint hat.

7
II. Das Berufungsgericht hat die Sache auch im Ergebnis zutreffend entschieden.
8
1. Eine Haftung des Beklagten zu 1 als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG hat es in Anwendung der gefestigten Senatsrechtsprechung rechtsfehlerfrei verneint, weil nach seinen - tatrichterlich einwandfrei getroffenen - Feststellungen der Kläger zu einem maßgeblichen Handeln des Beklagten zu 1 für die Schuldnerin im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, nicht hinreichend vorgetragen hat.
9
2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind ferner die Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten zu 1 wegen existenzvernichtenden Eingriffs - auch unter dem Aspekt der Neuausrichtung des Haftungskonzepts des Senats im Sinne einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB - nicht erfüllt.
10
Von einer sittenwidrigen, weil insolvenzverursachenden oder -vertiefenden "Selbstbedienung" des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft durch planmäßige Entziehung von - der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger unterliegendem - Gesellschaftsvermögen kann nach der zutreffenden tatrichterlichen Wertung des Berufungsgerichts nicht die Rede sein. Mit Recht hat das Berufungsgericht nämlich in einer Gesamtbetrachtung eine Haftung des Beklagten zu 1 sowohl unter dem Blickwinkel der fehlenden Kausalität als auch der fehlenden sittenwidrigen Schädigung verneint. Es hat festgestellt, dass der Beklagte zu 1 in seiner Eigenschaft als Alleinvorstand der C. AG (Muttergesellschaft der Schuldnerin) insgesamt betrachtet Maßnahmen getroffen hat, die die Schuldne- rin retten sollten, und dass er dementsprechend die von der Muttergesellschaft eingezogenen Mittel nicht für eigene bzw. gesellschaftsfremde Zwecke verwendet hat. Zum einen sind diese Mittel zur Tilgung von Verbindlichkeiten der Schuldnerin eingesetzt worden, zum anderen hat die C. AG noch zusätzlich in beträchtlichem Umfang aus "eigenem" Vermögen weitere Schulden der Schuldnerin getilgt.
Goette Kurzwelly Kraemer
Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 03.07.2006 - 8 O 74/06 -
OLG Jena, Entscheidung vom 18.04.2007 - 6 U 734/06 -
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19/07/2008 09:50

keine Haftung, wenn Gesellschafter Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleicht-BGH vom 02.06.08-Az:II ZR 104/07
19/07/2008 09:50

keine Haftung, wenn Gesellschafter Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleicht-BGH vom 02.06.08-Az:II ZR 104/07
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
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Annotations

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

(2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen.

(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden.

(2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.

(4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden.

(5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.