Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2010 - I ZR 17/09

published on 22/04/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Apr. 2010 - I ZR 17/09
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Landgericht Hamburg, 315 O 1/07, 14/06/2007
Hanseatisches Oberlandesgericht, 5 U 129/07, 10/12/2008

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 17/09
vom
22. April 2010
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 10. Dezember 2008 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:


1
Die Beklagte macht zu Recht eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
2
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Rahmen einer Werbeaktion mit dem Werbeslogan "Simply the Best!" unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Alleinstellungswerbung irreführend geworben hat.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
4
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (OLG Hamburg OLG-Rep 2009, 781).
5
Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich mit Recht dagegen, dass das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung am 29. November 2008 vorgelegten Testbericht der Stiftung Warentest unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör als gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet und deshalb nicht mehr berücksichtigungsfähig angesehen hat. Die Vorlage des Testberichts war schon deshalb nicht im Sinne der genannten Vorschrift verspätet, weil dieser Bericht erst im Juni 2008 veröffentlicht worden war und bereits aus diesem Grund in dem Mitte 2007 abgeschlossenen Verfahren erster Instanz nicht hätte geltend gemacht werden können. Ob das Berufungsgericht die Vorlage des Testberichts aus einem anderen Grund als verspätet hätte zurückweisen können, kann schon deshalb dahinstehen, weil eine mit dem vom Gericht dafür angegebenen Grund nicht zu rechtfertigende Zurückweisung nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2005 - XII ZR 23/03, NJWRR 2005, 1007, 1008; BGHZ 166, 227 Tz. 19).
6
Das Berufungsgericht hat die Nichtberücksichtigung des vorgelegten Testberichts allerdings auch damit zu begründen versucht, dass dieser Bericht einen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen vermöge. Dem steht jedoch entgegen , dass der Testbericht den Rasierer der Beklagten mit einer Gesamtbewertung von 1,4 (sehr gut) ohne weiteres erkennbar und deutlich als Testsieger vor dem Rasierer der Klägerin ausweist, der - insbesondere wegen seines erheblich schlechteren Abschneidens bei der Handhabung - insgesamt nur mit 1,8 (gut) bewertet wurde.
7
Die Nichtberücksichtigung des durch den Test, den die Stiftung Warentest durchgeführt und im Juni 2008 veröffentlicht hat, zu diesem Zeitpunkt für die Beklagte in Form des Testberichts neu entstandenen Beweismittels lässt sich ferner nicht mit der vom Berufungsgericht des Weiteren angestellten Erwägung rechtfertigen, die Beklagte habe bereits zum Zeitpunkt der Werbeaktion im Jahr 2006 Anhaltspunkte dafür haben müssen, auf welche tatsächliche Grundlage sie ihre Alleinstellungsbehauptung habe stützen können, und hätte entsprechende Umstände deshalb auch rechtzeitig in den Rechtsstreit einführen müssen. Die Bestimmung des § 531 ZPO regelt allein die Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die bereits während des Rechtsstreits erster Instanz bestanden haben und entweder in diesem ausgeschlossen worden sind (Abs. 1) oder aber infolge eines Fehlers des Gerichts oder unter Verletzung der der Partei obliegenden Prozessförderungspflicht nicht berücksichtigt oder vorgebracht worden sind (Abs. 2; vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rdn. 1). Im Hinblick auf die erhebliche Beschwer für die säumige Partei verbietet sich auch eine ausdehnende Auslegung dieser Bestimmung (vgl. BGHZ 166, 227 Tz. 17). Dementsprechend können nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz neu entstandenen Angriffs- und Verteidigungsmittel ohne die sich aus § 531 Abs. 2 ZPO ergebenden Beschränkungen jederzeit in das Berufungsverfahren eingeführt werden (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 f.; BGHZ 182, 158 Tz. 91; Zöller/Heßler aaO § 531 Rdn. 29 m.w.N.).
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.06.2007 - 315 O 1/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.12.2008 - 5 U 129/07 -
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht
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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 13. August 2012 (Az.: 34 O 19/11 KfH) abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abg
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Annotations

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.