Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2019 - I ZR 167/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Prof. Dr. Schaffert, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
beschlossen:
Gründe:
- 1
- I. Die Parteien sind Rechtsanwälte. Im Impressum der Internetseite www.anwaltsforum-patientenanwälte.de tritt der Beklagte als "Anbieter nach § 5 TMG/MDStV" auf. Er schaltete Google-Adwords-Anzeigen mit der Überschrift "Fachanwälte Medizinrecht - anwaltsforum-patientenanwälte.de". Der Kläger hält die Werbung des Beklagten für irreführend und hat ihn vorgerichtlich abgemahnt.
- 2
- Auf die Berufungen der Parteien hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil dahingehend neu gefasst, dass dem Beklagten mit dem Urteilstenor zu I 1 verboten wird, im Wettbewerb
a) (…),
b) im Gebiet der Dienstleistungen des Medizinrechts auf Patientenseite als "Anwaltsforum Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht" aufzutreten [es folgt eine Bezugnahme auf Anlagen],
c) im Gebiet der Dienstleistungen des Medizinrechts auf Patientenseite als "Anwaltsforum -Patientenrechte" aufzutreten [es folgt die Bezugnahme auf eine Anlage],
d) zu behaupten und zu verbreiten: aa) "Das Anwaltsforum ist ein Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen im Medizinrecht, die bundesweit für Patienten beim Verdacht eines ärztlichen Behandlungsfehlers insbesondere bei Geburtsschäden tätig sind. Mitglied des Anwaltsforums Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht dürfen nur Anwälte werden, die über einen Titel zum "Fachanwalt für Medizinrecht" oder einen Titel zum "Master of Laws" im Medizinrecht verfügen und damit ihre Qualifikation in diesem Rechtsgebiet unter Beweis gestellt haben. Wir nehmen keine Rechtsberatung im Einzelnen vor, wir vermitteln aber Anfragende an unsere Anwälte - bundesweit! Diese werden sich nach Kontaktaufnahme unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen." und bb) "Das Anwaltsforum Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht verfügt neben qualifiziert tätigen Anwälten auch über einen Pool von hochqualifizierten fachmedizinischen Sachverständigen jeder medizinischen Fachrichtung, insbesondere im Bereich von Geburtsschäden, die im Bedarfsfalle involviert werden können." sowie cc) "Wir vermitteln (…) Anfragende an unsere Anwälte - bundesweit -! Diese werden sich nach Kontaktaufnahme unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen.", wenn dies geschieht, wie auf der Webseite www.anwaltsforumpatientenanwälte.de angegeben.
satzpflicht (Urteilstenor I 3) zuerkannt. Mit der Revision möchte der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen.
- 4
- II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit darin hinsichtlich der Aussprüche I 1 b, c und d sowie I 2 und 3 zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
- 5
- 1. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung zu I 1 b, c und d und die darauf bezogene Verurteilung zur Auskunftserteilung (I 2) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (I 3) wie folgt begründet:
- 6
- Die Angaben zum "Anwaltsforum Patientenanwälte" seien irreführend. Der angesprochene Verkehr - von einem Geburtsschadensfall betroffenen Personen - entnehme diesen Angaben, dass es sich um einen aktiven, der Ebene von Sozietäten oder Partnerschaften übergeordneten Zusammenschluss von Rechtsanwälten handele , deren Gemeinsamkeiten in der Vertretung von Patienten im Geburtsschadensrecht bestehe und die Patienteninteressen in besonderer Weise zur Durchsetzung verhelfen wollten. Die angegriffenen Angaben seien irreführend, weil der Zusammenschluss nach dem Vortrag des Beklagten im Zeitpunkt der Werbung am 17. Februar 2017 über ein Vorbereitungsstadium nicht hinausgekommen gewesen sei und letztlich nur aus dem Beklagten und seinen freien Mitarbeitern bestanden habe.
- 7
- 2. Das Berufungsgericht hat mit dieser Beurteilung den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
- 8
- a) Der Beklagte hat für das Bestehen der Arbeitsgemeinschaft wie folgt vorgetragen : Der Beklagte tritt nicht als Arbeitsgemeinschaft auf, sondern er weist auf eine existierende Arbeitsgemeinschaft hin und offenbart sich für diese existierende Arbeitsgemeinschaft als Ansprechpartner.
- 9
- b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe sich allein auf in seiner eigenen Kanzlei tätige Mitarbeiter gestützt, so dass eine übergeordnete Arbeitsgemeinschaft nicht bestehe. Hierbei hat es übersehen, dass der vom Beklagten benannte Rechtsanwalt G. nicht sein Mitarbeiter ist.
- 10
- Für das Bestehen der Arbeitsgemeinschaft ist nicht der Beklagte beweisbelastet , weil die Darlegungs- und Beweislast für die Irreführung, also auch für das Nichtbestehen der Arbeitsgemeinschaft, den Kläger als Anspruchssteller trifft (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - I ZR 175/11, GRUR 2013, 1058 Rn. 22 f. = WRP 2013, 1333 - Kostenvergleich bei Honorarfactoring; Urteil vom 19. Februar 2014 - I ZR 230/12, GRUR 2014, 578 Rn. 16 = WRP 2014, 697 - Umweltengel für Tragetasche ). Angesichts der Benennung angeblicher Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft durch den Beklagten war es somit Sache des Klägers zu beweisen, dass mangels Mitgliedschaft des Rechtsanwalts G. eine Arbeitsgemeinschaft im vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sinne im Zeitpunkt der Werbung nicht bestand.
- 11
- Diese Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010 - II ZR 296/08, BGHZ 187, 69 Rn. 14 mwN; Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 11; Beschluss vom 11. April 2013 - I ZR 160/12, TranspR 2013, 383 Rn. 16). Die von der Beschwerdeerwiderung angestellte Erwägung , es sei auszuschließen, dass Rechtsanwalt G. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sei, weil es sich bei ihm um einen Konkurrenten des Beklagten mit eigener "Kampagne" handele, beseitigt die Entscheidungserheblichkeit des Gehörverstoßes nicht, weil sie eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung enthält. Gleiches gilt für die Bezugnahme auf den Vortrag des Klägers, der Internetseite des Be- klagten selbst sei ein späteres Gründungsdatum zu entnehmen gewesen. Diese Würdigung ist Sache des Berufungsgerichts nach vollständiger Erfassung des Sachverhalts.
- 12
- III. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil insoweit die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Feddersen Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.06.2018 - 16 O 239/16 -
KG Berlin, Entscheidung vom 24.08.2018 - 5 U 134/17 -
moreResultsText
Annotations
(1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten:
- 1.
den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den Vertretungsberechtigten und, sofern Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht werden, das Stamm- oder Grundkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen, - 2.
Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, - 3.
soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, - 4.
das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und die entsprechende Registernummer, - 5.
soweit der Dienst in Ausübung eines Berufs im Sinne von Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. EG Nr. L 19 S. 16), oder im Sinne von Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl. EG Nr. L 209 S. 25, 1995 Nr. L 17 S. 20), zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/38/EG der Kommission vom 20. Juni 1997 (ABl. EG Nr. L 184 S. 31), angeboten oder erbracht wird, Angaben über - a)
die Kammer, welcher die Diensteanbieter angehören, - b)
die gesetzliche Berufsbezeichnung und den Staat, in dem die Berufsbezeichnung verliehen worden ist, - c)
die Bezeichnung der berufsrechtlichen Regelungen und dazu, wie diese zugänglich sind,
- 6.
in Fällen, in denen sie eine Umsatzsteueridentifikationsnummer nach § 27a des Umsatzsteuergesetzes oder eine Wirtschafts-Identifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung besitzen, die Angabe dieser Nummer, - 7.
bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die sich in Abwicklung oder Liquidation befinden, die Angabe hierüber, - 8.
bei audiovisuellen Mediendiensteanbietern die Angabe - a)
des Mitgliedstaats, der für sie Sitzland ist oder als Sitzland gilt sowie - b)
der zuständigen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden.
(2) Weitergehende Informationspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.