Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2006 - I ZB 94/05

published on 11/05/2006 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2006 - I ZB 94/05
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Amtsgericht Tiergarten, 5 C 321/04, 30/05/2005
Landgericht Berlin, 62 T 89/05, 11/08/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 94/05
vom
11. Mai 2006
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Die Verurteilung eines Vermieters, eine Betriebskostenabrechnung zu erteilen,
ist als Verurteilung zu einer nicht vertretbaren Handlung zu vollstrecken.
BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 - I ZB 94/05 - LG Berlin
AG Tiergarten
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Mai 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. UngernSternberg
, Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin (Gz. 62 T 89/05) vom 11. August 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.333,93 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Gläubiger, Mieter einer Wohnung in Berlin, hat gegen die Schuldnerin , seine Vermieterin, ein vorläufig vollstreckbares Versäumnisurteil vom 7. Juli 2004 erwirkt. Die Schuldnerin ist darin verurteilt worden, dem Gläubiger für die gemietete Wohnung "ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden 1999, 2000, 2001 und 2002 zu erteilen". Die letzte Betriebskostenabrechnung war für das Jahr 1998 erstellt worden.
2
Nach Erhalt einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 10. März 2005 beantragt, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen, weil diese für die Jahre 1999 bis 2002 noch keine vollständigen Betriebskostenabrechnungen erteilt habe.
3
Das Amtsgericht hat den Antrag als unzulässig abgewiesen.
4
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen.
5
Mit der (vom Landgericht zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen mit Schriftsatz vom 10. März 2005 gestellten Antrag weiter. Die Schuldnerin hat sich zu diesem Antrag nicht geäußert.
6
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass das erwirkte Versäumnisurteil nicht gemäß § 888 ZPO durch Verhängung von Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, vollstreckt werden könne.
7
Die Frage, ob ein Urteil auf Erteilung von Betriebskostenabrechnungen nach § 887 ZPO (Vertretbare Handlungen) oder nach § 888 ZPO (Nicht vertretbare Handlungen) zu vollstrecken sei, werde in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Zutreffend sei die Ansicht, die eine vertretbare Handlung annehme. Dafür spreche schon, dass Betriebskostenabrechnungen sehr häufig von Hausverwaltungen erstellt würden, also von Dritten, die nicht selbst Vermieter seien. Ohne die Abrechnungsunterlagen werde der Mieter oder ein Sachverständiger die Abrechnungen allerdings kaum erstellen können. Der Vollstreckungstitel laute aber nicht auf Herausgabe der Abrechnungsunterlagen oder Auskunft über die entstandenen Betriebskosten, sondern auf Erstellung der Abrechnung, d.h. auf Vornahme einer Handlung, die nicht nur dem Vermieter möglich sei. Der Mieter könne im Vollstreckungsverfahren mit der Bewilligung der Ersatzvornahme zugleich eine Anordnung gegen den Schuldner auf Herausgabe der erforderlichen Unterlagen (Rechnungen der Versorgungsbetriebe , Grundsteuerbescheide, Versicherungsverträge) erwirken.
8
Jedenfalls sei der Mieter nicht rechtlos gestellt. Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses habe er hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorschüsse ein Zurückbehaltungsrecht. Zudem könne er - zumindest nach dem Ende des Mietverhältnisses - Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse verlangen.
9
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Der Gläubiger hat zu Recht beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil gemäß § 888 ZPO durchzuführen.
10
1. Die Schuldnerin ist durch das Versäumnisurteil verurteilt worden, dem Gläubiger für dessen Mietwohnung Betriebskostenabrechnungen für die Abrechnungsperioden 1999, 2000, 2001 und 2002 zu erteilen. Danach ist Inhalt des Titels - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht nur die Erstellung einer Abrechnung, sondern eine Rechnungslegung im Sinne des § 259 BGB.
11
2. Der Titel betrifft keine vertretbare Handlung, deren Vornahme im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO zu erzwingen wäre, sondern eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO (zum Meinungsstand hinsichtlich der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage, wie eine Verurteilung zur Erteilung einer Betriebskosten- oder Nebenkostenabrechnung zu vollstrecken ist, vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 887 Rdn. 14, § 888 Rdn. 5; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 887 Rdn. 3, § 888 Rdn. 3; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 3. Aufl., § 887 ZPO Rdn. 7; MünchKomm.ZPO/Schilken, 2. Aufl., § 887 Rdn. 7, § 888 Rdn. 4; Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 BGB Rdn. 286; Gies in Hannemann/Wiegner, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 36 Rdn. 88; Schmidt/Gohrke, WuM 2002, 593 f., jeweils m.w.N.).
12
a) Ein Titel hat eine nicht vertretbare Handlung zum Inhalt, wenn der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, sondern ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist, jedoch nicht in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht (vgl. Zöller/Stöber aaO § 888 Rdn. 2 m.w.N.). Von einer nicht vertretbaren Handlung ist auch dann auszugehen, wenn Teile der Handlung auch von einem Dritten vorgenommen werden könnten (vgl. OLG Köln WuM 1997, 245, 246).
13
b) Anders als die Erstellung einer Abrechnung aufgrund vorhandener Unterlagen , die eine vertretbare Handlung wäre, ist die Erteilung einer Betriebskostenabrechnung eine nicht vertretbare Handlung. Grundlage für diese Abrechnung ist die Rechnungslegung des Schuldners über die Betriebskosten in den betreffenden Abrechnungsperioden. Diese Rechnungslegung setzt verbindliche Erklärungen des Schuldners aufgrund seiner besonderen Kenntnisse vor- aus, die dementsprechend nur von ihm abgegeben werden können (vgl. Stein/Jonas/Brehm aaO § 887 Rdn. 14; Walker in Schuschke/Walker aaO § 887 ZPO Rdn. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 887 Rdn. 15).
14
3. Der Gläubiger beantragt die Vollstreckung des Titels nach seinem vollen Inhalt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dem Gläubiger die Unterlagen , die für die Erstellung der Betriebskostenabrechnungen erforderlich sind, bereits zugänglich sind. Auf die Frage, ob er sein Interesse an der Rückzahlung möglicherweise zu viel gezahlter Betriebskostenvorschüsse auch auf anderem Weg sichern könnte - etwa durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich laufender Mietkostenvorschüsse, solange die Betriebskostenabrechnungen noch nicht erteilt wurden, oder durch Rückforderung der geleisteten Vorschüsse -, kommt es dabei, entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts, nicht an.
15
IV. Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers war danach der landgerichtliche Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Pokrant
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
AG Tiergarten, Entscheidung vom 30.05.2005 - 5 C 321/04 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.08.2005 - 62 T 89/05 -
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12/04/2007 20:10

Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG) - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
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(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege
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(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege
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published on 23/06/2016 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 5/16 vom 23. Juni 2016 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 887 Abs. 1, § 888 Abs. 1 Satz 1; WEG § 28 Abs. 1 und 3 a) Die Verurteilung des Verwalters e
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Annotations

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.

(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.

(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.

(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. Ist die Willenserklärung von einer Gegenleistung abhängig gemacht, so tritt diese Wirkung ein, sobald nach den Vorschriften der §§ 726, 730 eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt ist.

(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.