Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2018 - 5 StR 613/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
a) im Fall II.3 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last,
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln entfällt,
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwanzig Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision ist teilweise begründet.
- 2
- 1. Mit der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.3 hat das Landgericht nicht ausschließbar gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) verstoßen. Die Feststellungen zum Ankauf von Haschisch und Kokain für den Weiterverkauf in den Fällen II.1 und 2 in Verbindung mit den Feststellungen zur Sicherstellung derartiger Betäubungsmittel im Fall II.3 legen nahe, dass die aufgefundenen Drogen aus dem Bestand des Haschischs und Kokains der Fälle II.1 und 2 stammen. Dies zugrundegelegt, ist das Geschehen im Fall II.3 schon als Handeltreiben mit Betäubungsmitten in nicht geringer Menge abgeurteilt , weswegen es nicht abermals, hier als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, geahndet werden darf. Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die eine anderweitige Bewertung rechtfertigen. Infolgedessen war das Verfahren hinsichtlich dieses Falls einzustellen und der Schuldspruch abzuändern.
- 3
- 2. Die Einstellung des Verfahrens bedingt den Fortfall der Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten. Gleichwohl kann der Gesamtstrafausspruch bestehen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer angesichts der Vielzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.
- 4
- 3. Die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 5
- Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der mittellose, einschlägig vorbestrafte Angeklagte schon seit etwa dem 14. Lebensjahr eine Vielzahl unterschiedlicher Betäubungsmittel. Im Alter von 28 Jahren begann er mit dem regelmäßigen Kokainkonsum, gelegentlich unterbrochen durch die Einnahme von Amphetamin. Vor seiner Festnahme, an die sich nach Haftverschonung eine kurzzeitige Entgiftung anschloss, nahm er jeden Tag bis zu einem Gramm Kokain zu sich. Darüber hinaus rauchte er insbesondere im Tatzeitraum täglich bis zu acht Gramm Cannabis. Dem für den Handel bestimmten Cannabis entnahm der Angeklagte Teilmengen für den Eigenkonsum.
- 6
- Ausgehend hiervon begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Vorliegen eines Hangs gemäß § 64 StGB verneint hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. Mai 2017 – 1 StR 163/17) ist für die Annahme eines Hangs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren. Bereits die vom psychiatrischen Sachverständigen auf der Grundlage der vorgenannten Feststellungen diagnostizierte Abhängigkeitserkrankung von Cannabis drängt zu der Annahme, dass der Angeklagte eine solche Neigung hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. April 2016 – 3 StR 566/15 Rn. 6; vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15 Rn. 14). Angesichts dessen hätte das Merkmal des Hangs nicht allein mit der nicht näher begründeten Erwägung abgelehnt werden dürfen, der Drogenkonsum „spiegele lediglich seine unstete Lebensführung mit einem unstrukturierten Freizeitverhalten“ (UA S. 24), sondern hätte eingehender Prüfung bedurft.
- 7
- Da auch die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung des therapiewilligen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sein können, bedarf die Sache insoweit – unter abermaliger Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung.
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp RiBGH Prof. Dr. König ist infolge Sonderurlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.