Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 5 StR 264/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten (unerlaubten) Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Nach den Feststellungen trat der gesondert verfolgte S. an den Angeklagten heran, der infolge seiner Betäubungsmittelabhängigkeit beträchtliche Schulden hatte und deswegen erheblich unter Druck gesetzt wurde, und bot ihm an, seine Probleme „wegzumachen“. Der Angeklagte müsse lediglich eine andere Person in den Hafen begleiten und tun, was sie sage. Worum es gehe, werde er noch erfahren. Obgleich dem Angeklagten bewusst war, dass es sich um eine illegale Tätigkeit handeln sollte, willigte er ein, da er in dem Angebot einen Ausweg aus seiner Schuldenproblematik sah.
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- Am Tattag beorderte ihn ein Unbekannter telefonisch in die Nähe des Hafengebietes von , wo er abgeholt würde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste der Angeklagte, dass er größere Mengen Betäubungsmittel aus dem Freihafen holen sollte. Entsprechend der erhaltenen Anweisung traf er mit dem gesondert verfolgten D. zusammen. In dessen PKW begleitete er ihn in das Gebiet des Freihafens, wo sich der gesondert Verfolgte zu einem kurz zuvor gelöschten aus stammenden Container begab. D. ging davon aus, dass in dem Kühlaggregat des Containers Pakete mit Kokain verborgen wären. Er wies den Angeklagten an auszusteigen und aufzupassen, während er selbst dem Kühlaggregat die Pakete entnahm. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte verstauten diese in Sporttaschen, die sie in den Kofferraum des PKW verluden. Tatsächlich war das in dem Container versteckte Kokaingemisch mit einem Gewicht von insgesamt rund 48 kg (Wirkstoffgehalt zwischen etwa 80 % und 83 %) bereits in durch Zollmitarbeiter gegen Paniermehl ausgetauscht worden, nachdem die Besatzung des Containerschiffs das Kokain infolge einer Störungsmeldung des Kühlaggregats auf See entdeckt hatte. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte, dessen PKW bereits seit seiner Einfahrt in den Hafenbereich von Polizeikräften observiert worden war, wurden nach Verlassen des Freihafengeländes festgenommen.
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- 2. Die Entscheidung, den Angeklagten nicht in einer Entziehungsanstalt unterzubringen, ist rechtsfehlerhaft.
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- a) Die Strafkammer geht aufgrund der von ihr als glaubhaft erachteten Angaben des Angeklagten zu seinem jahrelangen, in der Zeit vor der Tat erheblichen (täglich 10 bis 15 g) Cannabis- und gelegentlichen Kokainkonsum zwar davon aus, dass er „betäubungsmittelabhängig“ ist und dieTat begangen hat, um sich von seinen drückenden Schulden aus Drogenkäufen zu befreien. Sie meint jedoch, dass seine Abhängigkeit nicht das Ausmaß eines Hanges im Sinne des § 64 StGB erreiche. Gegen einen hierfür erforderlichen Rauschmittel- konsum „im Übermaß“ spreche, dass Beeinträchtigungen der Gesundheit, Ar- beits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten nicht bekannt geworden seien (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2002 – 1 StR 382/02, NStZ-RR 2003, 106, 107). Insbesondere sei er über Jahre einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgegangen und sogar am Tattag noch „auf Montage“ gewesen.
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- b) Das Landgericht hat bei der Feststellung eines Hanges einen verkürzten Maßstab angelegt.
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- Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren. Schon die von der Strafkammer auf der Grundlage der Feststellungen, allerdings ohne Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen, angenommene Betäubungsmittelabhängigkeit legt die Annahme nahe, dass der Angeklagte eine solche Neigung hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 5 StR 613/17). Jedenfalls ist ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 5 StR 427/18, StV 2019, 261 red. Leitsatz). Auf das Bestehen einer solchen Gefährdung und Gefährlichkeit des Angeklagten weisen bereits seine beiden Vorstrafen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und seine Verstrickung in Schulden aus Betäubungsmittelkäufen hin, die ihn in erhebliche Bedrängnis brachten und ihn zur Begehung der Tat veranlassten.
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- 3. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) der Prüfung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 3 StR 458/08, NStZ 2009, 261). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 f.).
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- Einer Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es nicht, da der Senat ausschließt , dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Mutzbauer Schneider Berger Mosbacher Köhler
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.