Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2019 - 5 StR 589/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Beleidigung sowie bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und Einziehungs- sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revision erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).
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- 1. Die Unterbringungsentscheidung kann nicht bestehen bleiben.
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a) Das Landgericht hat – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – angenommen, der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 23 Jahre alte Angeklagte leide an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, weshalb bei Ausführung der Taten im September 2017 und Mai 2018 (Körperverletzungsdelikte und Beleidigung) seine Steuerungsfähigkeit sicher erheblich eingeschränkt gewesen sei. Die Persönlichkeitsstörung habe das Ausmaß einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht. Der Angeklagte sei gefährlich, weil aufgrund seines Zustandes mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichschwere Straftaten wie die verübten, zu erwarten seien.
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- b) Bei ihrer Würdigung hat die Schwurgerichtskammer nicht erkennbar bedacht, dass die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (vgl. hierzu Kröber/Dannhorn, NStZ 1998, 80) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Unterbringung nach § 63 StGB nur dann rechtfertigen kann, wenn sicher feststeht, dass der Täter aufgrund der Persönlichkeitsstörung aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelthat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2017 – 4 StR 65/17, und vom 27. Juni 2018 – 2 StR 112/18, je mwN). Dies belegen die Urteilsfeststellungen bislang nicht.
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- Zudem wird in den Urteilsgründen nicht näher ausgeführt, weshalb die diagnostizierte Störung bei dem noch jungen Angeklagten auch nach rechtlichen Maßstäben bereits den Schweregrad des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit erreicht. Erforderlich sind hierfür konkretisierende Darlegungen zum Ausprägungsgrad der Störung sowie zu ihrem Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten (vgl. näher BGH, Beschluss vom 27. Juni 2018 – 2 StR 112/18; Basdorf/Mosbacher in Lau/Lammel/Sutarski [Hrsg.], Forensische Begutachtung bei Persönlichkeitsstörungen , 2. Aufl., S. 119, 121 ff., je mwN).
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- 2. Der Rechtsfehler berührt weder Schuld- noch Strafausspruch. Eine Schuldunfähigkeit kann nach Sachlage sicher ausgeschlossen werden. Durch eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist der Angeklagte nicht beschwert.
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- 3. Da nur noch Straftaten in Rede stehen, die nicht zur Zuständigkeit des Schwurgerichts (§ 74 Abs. 2 GVG) gehören, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück. Angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls wird diese gegebenenfalls einen weiteren psychiatrischen Sachverständigen hinzuzuziehen haben.
Mosbacher Köhler
Vorinstanz:
Berlin, LG, 25.06.2019 - 234 Js 248/18 (529 Ks) (5/18)
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte des ersten Rechtszuges zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gehören. Sie sind auch zuständig für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist oder bei denen die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 Anklage beim Landgericht erhebt.
(2) Für die Verbrechen
- 1.
des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge (§ 176d des Strafgesetzbuches), - 2.
des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178 des Strafgesetzbuches), - 3.
des Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), - 4.
des Totschlags (§ 212 des Strafgesetzbuches), - 5.
(weggefallen) - 6.
der Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 3 des Strafgesetzbuches), - 7.
der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 des Strafgesetzbuches), - 8.
der Entziehung Minderjähriger mit Todesfolge (§ 235 Abs. 5 des Strafgesetzbuches), - 8a.
der Nachstellung mit Todesfolge (§ 238 Absatz 3 des Strafgesetzbuches), - 9.
der Freiheitsberaubung mit Todesfolge (§ 239 Abs. 4 des Strafgesetzbuches), - 10.
des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§ 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches), - 11.
der Geiselnahme mit Todesfolge (§ 239b Abs. 2 in Verbindung mit § 239a Absatz 3 des Strafgesetzbuches), - 12.
des Raubes mit Todesfolge (§ 251 des Strafgesetzbuches), - 13.
des räuberischen Diebstahls mit Todesfolge (§ 252 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches), - 14.
der räuberischen Erpressung mit Todesfolge (§ 255 in Verbindung mit § 251 des Strafgesetzbuches), - 15.
der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c des Strafgesetzbuches), - 16.
des Herbeiführens einer Explosion durch Kernenergie (§ 307 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches), - 17.
des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge (§ 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches), - 18.
des Mißbrauchs ionisierender Strahlen gegenüber einer unübersehbaren Zahl von Menschen (§ 309 Abs. 2 und 4 des Strafgesetzbuches), - 19.
der fehlerhaften Herstellung einer kerntechnischen Anlage mit Todesfolge (§ 312 Abs. 4 des Strafgesetzbuches), - 20.
des Herbeiführens einer Überschwemmung mit Todesfolge (§ 313 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches), - 21.
der gemeingefährlichen Vergiftung mit Todesfolge (§ 314 in Verbindung mit § 308 Abs. 3 des Strafgesetzbuches), - 22.
des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit Todesfolge (§ 316a Abs. 3 des Strafgesetzbuches), - 23.
des Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr mit Todesfolge (§ 316c Abs. 3 des Strafgesetzbuches), - 24.
der Beschädigung wichtiger Anlagen mit Todesfolge (§ 318 Abs. 4 des Strafgesetzbuches), - 25.
einer vorsätzlichen Umweltstraftat mit Todesfolge (§ 330 Abs. 2 Nr. 2 des Strafgesetzbuches), - 26.
der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften mit Todesfolge (§ 330a Absatz 2 des Strafgesetzbuches), - 27.
der Körperverletzung im Amt mit Todesfolge (§ 340 Absatz 3 in Verbindung mit § 227 des Strafgesetzbuches), - 28.
des Abgebens, Verabreichens oder Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch mit Todesfolge (§ 30 Absatz 1 Nummer 3 des Betäubungsmittelgesetzes), - 29.
des Einschleusens mit Todesfolge (§ 97 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes)
(3) Die Strafkammern sind außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichts.