Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2014 - 5 StR 555/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung (§ 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Wegen „überlanger Verfahrensdauer“ hat es festgestellt,dass drei Monate der Jugendstrafe als vollstreckt gelten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Während der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken begegnet , hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.
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- a) Nach den Urteilsfeststellungen forderte der Angeklagte Ende Juni 2006 von der damals 21-jährigen Geschädigten, die unter einem Vorwand in eine ihr fremde Wohnung gelockt worden war, die Ausübung des Oralverkehrs an ihm oder einem seiner Bekannten, sonst werde sie nicht aus der Wohnung gelassen. Um die Wohnung verlassen zu können, führte die Geschädigte den Oralverkehr gegen ihren Willen an dem Angeklagten aus.
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- b) Die Jugendkammer hat bei dem zur Tatzeit 18 Jahre und 11 Monate alten Angeklagten nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und gegen ihn eine Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) verhängt, „die trotz des zeitlichen Abstands zur Tat erzieherisch noch erforderlich sei“. Schädliche Neigungen, „die aus erzieherischen Gründen zum gegen- wärtigen Zeitpunkt noch die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich ma- chen würden“, hätten jedoch mit Blick darauf, dass die Tat bei „dem – nicht ein- schlägig – vorbestraften Angeklagten bereits fünf Jahre zurückliegt“, nicht vorgelegen.
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- 2. Die Begründung, mit der das Landgericht die Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld als erzieherisch erforderlich angesehen hat, trägt nicht.
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- a) Die Jugendkammer geht zwar zutreffend davon aus, dass bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG allein dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat keine selbständige Bedeutung zukommt, sondern in erster Linie auf die innere Tatseite des Täters abzustellen ist; maßgeblich ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen hat.
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- b) Das Landgericht sieht jedoch die die Tat kennzeichnenden Persönlichkeitsdefizite des Angeklagten darin, dass seine innere Haltung und Motiva- tionslage von einer „tief Frauen verachtenden Einstellung“ zeugten. Er habe die Geschädigte als „ein der Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse … dienendes Objekt behandelt“. Zudem zeige seine Beteiligung bei einer etwa ein Jahr später erfolgten Sexualhandlung zum Nachteil eines anderen Tatopfers, dass der Angeklagte auch zu diesem Zeitpunkt (Anfang Juli 2007) noch ein ähnliches Frauenbild hatte. Es sei „nicht erkennbar, dass der Angeklagte inzwischen ein anderes Frauenbild gewonnen“ habe.
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- c) Mit dieser Begründung hat die Jugendkammer bei dem zum Aburteilungszeitpunkt 24 Jahre alten Angeklagten nicht hinreichend belegt, dass aus erzieherischen Gründen die Verhängung einer Jugendstrafe noch erforderlich ist. Die Tat ist trotz des erhöhten Strafrahmens nach dem äußeren Unrechtsgehalt als Vergehen nicht mit gegen die sexuelle Selbstbestimmung und gegen die persönliche Freiheit gerichteten Verbrechen auf einer Stufe. Bedenken begegnet auch die Bewertung, dass seit der Tatbegehung eine Änderung der inneren Einstellung des Angeklagten im Umgang mit Frauen nicht erkennbar sei. Dies belegende Verhaltensmuster hat das Landgericht nicht festgestellt. Hinsichtlich des etwa ein Jahr nach der Tat stattgefundenen Vorfalls zum Nachteil einer anderen Geschädigten hat das Landgericht den Angeklagten und andere Tatbeteiligte – nach Verfahrensabtrennung vom hiesigen Verfahren – freigesprochen , „weil nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit bezüglich jedes Angeklagten festgestellt werden konnte, dass ihm bei den Tat- handlungen bewusst war, dass die Geschädigte mit dem – tatsächlich aufgezwungenen – Sexualverkehr nicht einverstanden war“ (UA S. 12). Inwieweit sich der Angeklagte, der „später hinzu kam und mitwirkte“, an dem Geschehen beteiligt hat, wird nicht näher dargelegt, so dass zu seiner beschriebenen inneren Haltung nichts Ausreichendes gefolgert werden kann. Des Weiteren besorgt der Senat, dass die Jugendkammer die tilgungsreifen und daher unverwertbaren Eintragungen des Angeklagten im Erziehungsregister (§ 63 Abs. 1, Abs. 4, § 51 Abs. 1 BZRG) auch bei der Bewertung der Schuldschwere in ihre Überlegungen eingestellt hat.
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- 3. Der Senat hebt den Rechtsfolgenausspruch auf. Er entscheidet angesichts des beträchtlichen zeitlichen Abstandes zur Tat und der eingetretenen massiven Verfahrensverzögerungen, die nunmehr allein schon der Verhängung einer Jugendstrafe entgegenstehen würden, zur unbedingten Herbeiführung eines Verfahrensabschlusses in der Sache selbst. Wegen des Gewichts der Straftat ist die Verhängung eines Jugendarrestes von vier Wochen Dauer (§ 16 Abs. 1, Abs. 4 JGG) angemessen, der jedoch mit Blick auf die bereits vom Landgericht festgestellte „überlange Verfahrensdauer“ und zudem wegen einer weiteren mehr als eineinvierteljährigen – von der Revision ausdrücklich beanstandeten – rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 EMRK) nach Eingang der Revisionsbegründung beim Landgericht bis zum Eingang der Verfahrensakte beim Generalbundesanwalt als vollstreckt gilt.
Berger Bellay
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
(1) Eintragungen im Erziehungsregister werden entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Die Entfernung unterbleibt, solange im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen ist.
(3) Die Registerbehörde kann auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, daß Eintragungen vorzeitig entfernt werden, wenn die Vollstreckung erledigt ist und das öffentliche Interesse einer solchen Anordnung nicht entgegensteht. § 49 Abs. 3 ist anzuwenden.
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.
(3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich.
(4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.