Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2007 - 5 StR 514/06

published on 31/01/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2007 - 5 StR 514/06
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 514/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 31. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 13. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten und die Revision der Nebenklägerin D. gegen dieses Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dadurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Landgericht Das hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision der Nebenklägerin, die eine Verurteilung wegen Totschlags erstrebt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Revision des Angeklagten, der die unterlassene Zubilligung von Notwehr beanstandet , erweist sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. Dezember 2006 als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Das Rechtsmittel erzielt aber hinsichtlich des Strafausspruchs einen Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
einem Nach vom Aufsichtspersonal beendeten Diskothekenbesuch begegneten sich am Morgen des 19. November 2005 vor der Diskothek zwei Gruppen jüngerer Männer – der Angeklagte mit zwei Bekannten und das spätere Opfer mit fünf Freunden – in feindlicher Absicht. Die Angehörigen der gegnerischen Gruppen beschimpften sich und schlugen mit Händen und Fäusten und unter Verwendung ihrer Hosengürtel aufeinander ein. O. D. erlitt eine Kopfplatzwunde mit einer Fraktur des Schädeldaches. Er ging am Ende der Auseinandersetzung allein auf den Angeklagten zu, der im Gegensatz zu seinen Begleitern kampfbereit am Tatort verblieb. Er schlug dem Angeklagten mit der Faust ins Gesicht, ohne eine Wirkung zu erzielen und versuchte weiterhin den Angeklagten mit der Faust zu schlagen. Er traf den Angeklagten aber nicht und senkte kurz die Fäuste. Der Angeklagte nahm ein Taschenmesser mit einer etwa 8 cm langen Klinge in seine rechte Hand und streckte den Arm aus. D. sah das Messer, trat aber trotzdem weiter auf den Angeklagten zu und machte eine abwehrende Schlagoder Schubsbewegung in Richtung des Angeklagten, ohne diesen zu berühren. Im gleichen Augenblick stach der Angeklagte mit Angriffswillen in Richtung des rechten Schlüsselbeins, um D. zu verletzen. Durch den gering nach oben Richtung Schulter aufsteigend geführten Stich wurde die Schlüsselbeinschlagader durchtrennt. Dies führte innerhalb kürzester Zeit zu einem tödlichen Blutverlust.
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2. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 227 Abs. 2 StGB mit der Erwägung abgelehnt, es handele sich „in der vorliegenden Konstellation (der Körperverletzung mit Todesfolge) geradezu um einen klassischen Fall, nämlich um die Eskalation einer Schlägerei, die dadurch entstanden ist, dass der Angeklagte nicht nachgeben wollte und die Auseinandersetzung mit schärferen Mitteln, nämlich unter Einsatz eines Messers fortsetzte“ (UA S. 28). Das Schwurgericht hat bei der Strafzumessung im Einzelnen strafschärfend berücksichtigt, dass „allein der Angeklagte die tätliche Auseinandersetzung zum Schluss mit einem Messer fortsetzte, obwohl das Opfer (…) gänzlich unbewaffnet war (…). Zudem war der Angeklagte entschlossen, dem Streit noch immer nicht aus dem Wege zu gehen, als sich seine Begleiter bereits zurückgezogen und sich auch die Mitglieder der Gruppe um das Opfer bereits räumlich distanziert hatten. Der Angeklagte hat vielmehr ohne nachvollziehbaren Grund den O. D. mit einem Messer angegriffen, obwohl dieser bereits am Kopf verletzt und auch für den Angeklagten ersichtlich angeschlagen war. Die Tat erscheint somit als ein Akt sinnloser Gewalt ohne nachvollziehbares Motiv. Darüber hinaus mussten sich die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten in mäßigem Umfang zu seinen Ungunsten auswirken“ (UA S. 29).
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3. Diese Erwägungen stoßen auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 5 StR 158/06) auf durchgreifende Bedenken.
6
Die a) Erwägungen zur Strafrahmenwahl sind lückenhaft, weil der ausdrücklich erst bei der Strafzumessung im Einzelnen dargelegte besondere strafmildernde Umstand (UA S. 29), „dass die Tat des Angeklagten sich als Eskalation am Ende einer tätlichen Auseinandersetzung darstellte und dass diese nicht nur vom Angeklagten und seinen beiden Mitstreitern (…), sondern auch von dem Opfer und seiner Gruppe aktiv vorangetrieben wurde, dass also auch von dem Opfer tätliche Angriffe gegen den Angeklagten geführt wurden, bevor der Angeklagte schließlich ein Messer einsetzte“, nicht, wie hier unerlässlich, in die Würdigung zur Strafrahmenwahl mit einbezogen worden ist.
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b) Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte sei entschlossen gewesen, dem Streit noch immer nicht aus dem Weg zu gehen, ist zudem im Blick auf § 46 Abs. 3 StGB nicht unbedenklich (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 46 Rdn. 76a). Ferner hat das Landgericht bei der straferschwerenden Erwägung, der Angeklagte habe die tätliche Auseinandersetzung zum Schluss mit einem Messer fortgesetzt, nicht erkennbar bedacht, dass dieser Umstand die ersichtlich einzige tragende Erwägung war, mit der die Annahme eines minderschweren Falles ausgeschlossen wurde (UA S. 28), und folglich bei der allgemeinen Strafzumessung nur noch geringeres Gewicht erhalten konnte. Schließlich stoßen auch die – in mäßigem Umfang strafschärfend herangezogenen – Erwägungen zur strafrechtlichen Vorbelastung auf durchgreifende Bedenken, weil das Landgericht neben zwei Eintragungen aus dem Erziehungsregister (§ 47 JGG und §§ 14, 15 JGG) auf einen nicht rechtskräftig gewordenen Strafbefehl über 270 Tagessätze zu je 20 Euro abstellt, ohne den für die Strafzumessung relevanten Warneffekt (vgl. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 368) darzulegen.
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4. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich eine zutreffende Bewertung der dargelegten Umstände bei Strafrahmenwahl und Straffestsetzung zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hätte. Neben der Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es einer Aufhebung von Feststellungen bei dem hier vorliegenden bloßen Wertungsfehler nicht. Basdorf Raum Brause Schaal Jäger
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
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published on 24/05/2006 00:00

5 StR 158/06 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 24. Mai 2006 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung mit Todesfolge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2006 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urtei
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published on 28/10/2013 00:00

Tenor Das angefochtene  Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Ausl
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn

1.
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,
2.
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
3.
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder
4.
der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
In den Fällen von Satz 1 Nr. 2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren vorläufig einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs Monaten setzen, binnen der er den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nachzukommen hat. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Kommt der Jugendliche den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.

(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.

(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.

Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden.

(1) Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
3.
Arbeitsleistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn

1.
der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, daß er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder
2.
dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten hat, entzogen werden soll.

(3) Der Richter kann nachträglich Auflagen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Bei schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen gilt § 11 Abs. 3 entsprechend. Ist Jugendarrest vollstreckt worden, so kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären.