Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2005 - 5 StR 427/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 28 Fällen verurteilt und gegen ihn eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 € verhängt. Nach den Urteilsfeststellungen hat sich der Angeklagte 1999 bis 2001 als Unternehmensberater an Steuerhinterziehungen anderweitig Verfolgter beteiligt, die für ihre Unternehmen unrichtige Steuererklärungen eingereicht oder erforderliche Umsatz- und Lohnsteueranmeldungen nicht abgegeben hatten; hierdurch ist in dem auch dem Angeklagten zugerechneten Tatzeitraum ein Steuerschaden von mehr als 840.000 DM entstanden.
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Der Generalbundsanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 9. November 2005 folgendes ausgeführt: „Dem Rechtsmittel kann mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts der Erfolg nicht versagt werden. Das Urteil kann keinen Be- stand haben, weil die Feststellungen lückenhaft sind und an durchgreifenden Darstellungsmängeln leiden, so dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht möglich ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Tatrichter für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum unter Schuldgesichtspunkten so klare Feststellungen zu treffen, dass sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden. Eine ins Einzelne gehende Berechnungsdarstellung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis abgelegt hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss wistra 2001, 266 und zuletzt Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 368/05 jeweils m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil, in dem lediglich getrennt nach Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung für den Zeitraum von September 1999 bis Dezember 2000 die monatlichen Hinterziehungsbeträge festgestellt worden sind (UA S. 9/10), nicht. Von weiteren Feststellungen zum Schaden und insbesondere zu seiner Berechnung hat das Landgericht auf Grund einer verfahrensbeendenden Absprache Abstand genommen (UA S. 18). Diese hatte zum Inhalt, dass dem Angeklagten ‚für den Fall einer geständigen Einlassung ’ eine maximale Strafobergrenze von zwei Jahren, verbunden mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Euro in Aussicht gestellt wurde (UA S. 16). Die daraufhin vom Verteidiger des Angeklagten für diesen verlesene und aus dessen Sicht ‚als geständige Einlassung wertbare Erklärung’ (UA S. 16) des Beschwerdeführers hatte indes zum Inhalt, dass sich der Angeklagte ‚nur aus prozessökonomischen Gründen des Strafverfahrens’ gegen die näher bezeichneten Steuerhinterziehungen ‚nicht weiter verteidigen’ werde, er zur Scha- denshöhe keine Angaben machen könne und sich vorbehalten würde, im Rahmen eines Finanzgerichtsverfahrens auf einem anderen Sachverhalt zu beharren und diesen vorzutragen, so dass dem Strafurteil keine Beweiskraft zukommen könne (UA S. 12). Da dieser Erklärung ein Geständnis nicht entnommen werden kann, der Angeklagte Umfang und Höhe der hinterzogenen Steuern gerade nicht eingeräumt und sich auch sonst nicht zur Sache eingelassen hat (UA S. 11), liegt ein Ausnahmefall, in dem auf die Darstellung der Besteuerungsgrundlagen und der steuerlichen Berechnungen verzichtet werden konnte, nicht vor. Ein bloßer Verurteilungskonsens reicht auch nach einer Verständigung als Basis für eine Verurteilung mit tragfähigem Schuldspruch nicht aus (vgl. Senatsbeschluss wistra 2004, 274). Dass die ehemaligen Mitangeklagten ‚zugestanden (haben), das betriebene Zahlenwerk einer Prüfung unterzogen und gegen das wiedergegebene Rechenwerk nichts zu erinnern zu haben’ (UA S. 15), führt zu keiner anderen Bewertung hinsichtlich der Darstellungsanforderungen in dem angefochtenen Urteil.
Die Sache bedarf daher der Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter, so dass es darauf, ob die von der Revision angebrachten Verfahrensbeanstandungen – soweit sie überhaupt gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig erhoben worden sein sollten – und die weiteren sachlichrechtlichen Einzelangriffe hätten Erfolg haben können, nicht mehr ankommt.“ Der Senat schließt sich dem an und bemerkt ergänzend: Das pauschal erklärte Einverständnis des Angeklagten mit der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung macht – entgegen der offenbar von der Verteidigung in der Hauptverhandlung vertretenen Auffassung – die Feststellung eines konkreten Steuerschadens nicht entbehrlich. Dem bisherigen Verteidigungsverhalten kann, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausge- führt hat, keinesfalls ein Geständnis entnommen werden. In einem solchen Fall hat der Tatrichter auch die Berechnung des Steuerschadens nachvollziehbar in den Urteilsgründen darzustellen.
Soweit das Landgericht darauf verweist, „das Zahlenwerk“ finde „zudem seine Stütze in den detaillierten Berechnungen des Finanzamts für Steuerfahndung, die auch die Kammer nachvollzogen hat“, geben die Urteilsausführungen erneut Anlass zu dem Hinweis, dass die Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt Rechtsanwendung ist; dies gilt auch für die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern. Diese Rechtsanwendung obliegt dem Strafrichter, nicht den als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der Finanzverwaltung (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 10 m.w.N.). Auch die Ermittlung und Darlegung der Besteuerungsgrundlagen obliegt dem Tatrichter. Die Verweisung auf Betriebsprüfungsberichte oder die Übernahme der Ermittlungsergebnisse in das Urteil ist ebenso unzureichend wie die Wiedergabe von Aussagen, die Finanzbeamte als Zeugen in der Hauptverhandlung zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben (vgl. BGH aaO; Harms in Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter 2002 S. 451 ff.).
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, - 2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder - 3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht, - 3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, - 4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, - 5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder - 6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.
(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.
(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.