Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2000 - 5 StR 408/00

published on 25/10/2000 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2000 - 5 StR 408/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
Nachschlagewerk : ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines
von ihm benannten Rechtsanwalts ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wenn
zuvor nach Unterlassen der gebotenen Anhörung ein anderer Pflichtverteidiger bestellt
worden war.
BGH, Beschl. v. 25. Oktober 2000 - 5 StR 408/00
LG Hamburg –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2000

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten Z wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. März 2000, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung des vom Angeklagten bezeichneten Verteidigers seines Vertrauens verletzte dessen Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c MRK, § 336 Satz 1 StPO).

I.


Wenige Tage nach seiner Verhaftung, am 29. November 1999, beantragte der Beschwerdeführer im Blick auf einen zuvor gestellten Haftprüfungsantrag , ihm “baldmöglichst” einen Pflichtverteidiger zu bestellen; einen bestimmten Verteidiger, dessen Beiordnung er wünschte, bezeichnete der Beschwerdeführer bei dieser Gelegenheit nicht. Die Haftprüfung wurde am 10. Dezember 1999, noch ohne Verteidiger, durchgeführt. Erst anschließend übermittelte die Staatsanwaltschaft die Akten zur Pflichtverteidigerbestellung (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, § 141 Abs. 3 StPO) an den im Ermittlungsverfahren zuständigen Strafkammervorsitzenden (§ 141 Abs. 4 StPO), der am 22. Dezember 1999 – unmittelbar, nachdem die Akten bei ihm eingegangen waren und ohne daß er dem Beschwerdeführer zuvor Gelegenheit gegeben hätte, einen Rechtsanwalt zu bezeichnen – Rechtsanwalt J z um Pflichtverteidiger bestellte. Der Beschluß wurde am 27. Dezember 1999 an den Beschwerdeführer übersandt. Ebenfalls am 27. Dezember 1999 hatte dieser Rechtsanwalt R als Verteidiger bevollmächtigt; dessen Meldeschriftsatz gelangte am 29. Dezember 1999 zu den Akten. Anlaß für eine Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt J wurde nicht gesehen (vgl. § 143 StPO); dieser erhielt zunächst Akteneinsicht, danach auch Rechtsanwalt R .
Im Januar 2000 beantragte der Beschwerdeführer in zwei Schreiben unter Hinweis auf zeitliche Überschneidungen bei der Verteidigerbestellung, anstelle von Rechtsanwalt J Rechtsanwalt R zum Pflichtverteidiger zu bestellen, der ihn schon früher verteidigt und den er über die vorliegende Sache informiert habe, bevor er von der Beiordnung des Rechtsanwalts J erfahren habe. Nach der zwischenzeitlich erfolgten Anklageerhebung lehnte der nunmehr zuständige Strafkammervorsitzende diesen Antrag am 8. Februar 2000 ab, nachdem er geklärt hatte, daß Rechtsanwalt R – den der Beschwerdeführer selbst nicht honorieren konnte – die Verteidigung nicht als Wahlverteidiger durchführen werde; ein
wichtiger Grund, anstelle des Rechtsanwalts J Rechtsanwalt R zum Pflichtverteidiger zu bestellen, sei ”weder vorgetragen noch ersichtlich”. Bereits am 10. Februar 2000 erhob der Beschwerdeführer, dem Rechtsanwalt R inzwischen mitgeteilt hatte, er könne ihn zu seinem Bedauern “aufgrund der vorrangigen Bestellung eines anderen Verteidigers als Pflichtverteidiger” nicht verteidigen, Gegenvorstellung, die aus den genannten Gründen abgelehnt wurde.
In der am 27. März 2000 begonnenen Hauptverhandlung wurde der Beschwerdeführer von Rechtsanwalt J verteidigt. Am Schluß des ersten Verhandlungstages teilte der Beschwerdeführer dem Strafkammervorsitzenden nochmals mit, er wolle nicht weiter von Rechtsanwalt J verteidigt werden; er bat um Unterbrechung der Verhandlung, bis er einen Rechtsanwalt P erreicht habe. Der Vorsitzende lehnte außerhalb der Hauptverhandlung eine Entpflichtung von Rechtsanwalt J erneut ab. Die Hauptverhandlung wurde am 30. März 2000 unter Mitwirkung dieses Verteidigers bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils abgeschlossen.

II.


Diese Verfahrensweise beanstandet die Revision mit Recht.
1. Schon der Vorlauf der Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers war verfahrensrechtlich bedenklich. Dabei ist nämlich die Verfahrensvorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO unbeachtet geblieben, welche das im fairen Verfahren zu beachtende Interesse des Beschuldigten konkretisiert, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden (vgl. dazu Laufhütte in KK 4. Aufl. § 142 Rdn. 8 m.w.N.). Es lag kein begründeter Anlaß vor, von der vorgesehenen Anfrage beim Beschuldigten ausnahmsweise abzusehen : Eine besondere Eilbedürftigkeit ist dem erst nach über drei Wochen beschiedenen Antrag des inhaftierten Beschwerdeführers, dessen zugleich
erstrebte Haftprüfung noch ohne Verteidiger durchgeführt worden war, ersichtlich gerade nicht zuerkannt worden. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer in dem Antrag von sich aus keinen Rechtsanwalt als gewünschten Pflichtverteidiger benannt hatte, machte seine Anhörung nicht grundsätzlich entbehrlich; es war nicht ohne weiteres davon auszugehen, der Beschwerdeführer hätte sein Vorschlagsrecht gekannt, aber darauf verzichten wollen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 271).
2. Allein die Nichtbeachtung des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO begründet allerdings noch nicht die Revision (vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 – Auswahl 3). Der Beschwerdeführer sieht aber unter Berücksichtigung des anschließenden Verfahrensablaufs zutreffend einen durchgreifenden Ermessensfehler in der Ablehnung seines Begehrens, ihm in Abänderung der getroffenen Beiordnungsentscheidung den Verteidiger seiner Wahl zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Mit der ablehnenden Entscheidung hat der Strafkammervorsitzende die Bedeutung des Rechts des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verkannt.
Danach ist bei der Auswahl des Pflichtverteidigers dem Interesse des Beschuldigten, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden , ausreichend Rechnung zu tragen; grundsätzlich soll der Beschuldigte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat (vgl. BVerfGE 9, 36, 38; BGHSt 43, 153, 154 f.). Das bedeutet, daß einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts grundsätzlich zu entsprechen ist, es sei denn, wichtige Gründe stehen dem entgegen.
Die geschützte Interessenlage des Beschwerdeführers war hier schon durch die unterbliebene Anhörung nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO vor der Pflichtverteidigerbestellung nicht in gebotener Weise beachtet worden. Nachdem anschließend gleichwohl der Wunsch des Beschwerdeführers, von
einem anderen Rechtsanwalt verteidigt zu werden, alsbald – noch bevor der bestellte Verteidiger maßgeblichen Arbeitsaufwand investiert hatte – aktenkundig geworden und anschließend vom Beschwerdeführer noch mit sachlichen Argumenten besonders begründet worden war, lag hier ein – v om Strafkammervorsitzenden zu Unrecht vermißter – wichtiger Grund für die begehrte Ä nderung der Pflichtverteidigerbestellung ersichtlich vor. Deren Ablehnung verletzte folglich das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren.
3. Daß der Beschwerdeführer sein Begehren nicht unmittelbar zu Beginn der Hauptverhandlung nochmals vorgebracht hat, stellt seine Rügebefugnis hier nicht in Frage. Nach dem Verfahrensvorlauf war ihm als Laien eine Wiederholung seines bereits mehrfach abgelehnten Wunsches, den er aus seiner Sicht für wenig aussichtsreich erachten mußte, nicht zuzumuten; die Hilfe seines amtierenden Verteidigers konnte er für sein Begehren nicht in Anspruch nehmen.
Der Beschwerdeführer hat auch nicht etwa über einen wesentlichen Zeitraum die Verteidigung durch Rechtsanwalt J widerspruchslos hingenommen, so daß seinem Verhalten auch nicht etwa eine nachträgliche Zustimmung zur Pflichtverteidigerbestellung, die dann im Revisionsverfahren nicht widerrufen werden könnte, zu entnehmen ist. Daß er in seinem nach Beginn der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Ablösung des Pflichtverteidigers nunmehr – nachdem eine Beiordnung von Rechtsanwalt R stets abgelehnt worden war – noch einen anderen Rechtsanwalt benannt hat, stellt die Revisibilität des gerügten Verfahrensfehlers ebenfalls nicht in Frage.
Ein Beruhen des Schuldspruchs auf dem gerügten Verfahrensverstoß läßt sich nicht ausschließen. Dies wäre bei der gegebenen Sachlage nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Beschwerdeführer von Anfang an umfassend geständig gewesen wäre. Dies ist indes nicht der Fall.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g
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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g
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published on 20/12/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 236/17 vom 20. Dezember 2018 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ VStGB §§ 4, 7 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2, § 9 Abs. 1 V
published on 15/01/2010 00:00

Tenor Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Strafkammer – Strafvollstreckungskammer – des Landgerichts Stendal vom 9. November 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung, auch über die Kosten des Besc
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Annotations

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.

(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald

1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll;
2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder
4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
Erfolgt die Vorführung in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls nach § 127b Absatz 2 oder über die Vollstreckung eines Haftbefehls gemäß § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, so wird ein Pflichtverteidiger nur bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 kann die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen.

(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.

(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.

(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.