Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Aug. 2013 - 5 StR 255/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige schuldig ist;
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen unerlaubten bewaffne- ten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren in 23 Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 139 Fällen“ zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte der Angeklagte zwischen Januar und Oktober 2012 in insgesamt 162 Fällen jeweils etwa 1 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5 % THC an verschiedene, in einigen Fällen minderjährige Abnehmer (Taten 1 bis 162). Des Weiteren erwarb der Angeklagte „entweder am 8. Oktober 2012 oder davor“ zum Preis von 3.000 € eine größere Menge Marihuana, von der sich am 8. Oktober 2012 noch mindestens 625 g mit einem Wirkstoffgehalt von 48 g THC in einem Schrank im Flur seiner Wohnung befanden. Im hiervon weniger als zwei Meter entfernten Badezimmerschrank verwahrte der Angeklagte griffbereit eine geladene Schreckschusspistole und ein einsatzbereites Elektroschockgerät, um sich notfalls bei seinen Betäubungsmittelgeschäften verteidigen zu können.
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- 2. Die Verurteilung wegen 163 selbständiger Taten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, da das Landgericht die Grundsätze der Bewertungseinheit nicht hinreichend beachtet hat.
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- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsgeschäfte gehören als unselbständige Teilakte zu dieser Tat (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2012 – 4 StR 67/12, NStZ-RR 2012, 279, und vom 11. Januar 2012 – 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, jeweils mwN); dies gilt auch, wenn – wie zum Teil im vorliegenden Fall – die Abgabe an Minderjährige erfolgt (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2003 – 3 StR 123/03, NStZ 2004, 109). Es ist daher rechtsfehlerhaft , allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass an sich selbständige Rauschgiftgeschäfte dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (BGH, Beschluss vom 25. September 2003 – 4 StR 291/03). So liegt es hier.
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- Das Landgericht hat den Zeitpunkt des Erwerbs der größeren Menge Marihuana, von der sich am 8. Oktober 2012 noch 625 g in der Wohnung des Angeklagten befanden, nicht näher eingrenzen können. Es liegt daher nicht fern, dass der Angeklagte sämtliche Kleinmengen, die er nach den Urteilsfeststellungen in den sieben Monaten zuvor veräußert hat, demselben bereits zuvor angeschafften Vorrat entnommen hat; dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich die insgesamt veräußerte Menge nur auf wenig mehr als ein Viertel der am 8. Oktober 2012 noch aufgefundenen Menge belief.
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- 2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab, da es bei dieser Sachlage ausgeschlossen erscheint, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen ließen, die die Annahme einer Bewertungseinheit hindern könnten. Wenngleich aufgrund der Bewertungseinheit sämtliche Veräußerungshandlungen an sich unselbständige Teilakte der Tat nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG darstellen, steht die gewerbsmäßige unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (zur Gewerbsmäßigkeit bei Vorliegen einer Bewertungseinheit vgl. Körner/Patzak, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 26 Rn. 19 mwN) mit dem Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens in Tateinheit, da insoweit durch dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze mit eigenständigem Unrechtsgehalt verletzt sind (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 – 3 StR 138/94, NStZ 1994, 496; Körner/Patzak, aaO, § 30 Rn. 81).
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- Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Eine derart eindeutig für das Ausmaß der Schuld bedeutungslose abweichende Beurteilung der Konkurrenzen, dass eine Durchentscheidung auf eine Freiheitsstrafe in Höhe der verhängten Gesamtstrafe möglich wäre, liegt nicht vor. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich Wertungsfehler vorliegen. Neue Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.