Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2004 - 5 StR 239/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten To tschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch nicht tragfähig begründet.
Mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung hat das Schwurgericht folgendes festgestellt: Der aus Serbien stammende, hochgradig persönlichkeitsgestörte und zur Tatzeit stark angetrunkene – daher in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich verminderte – Angeklagte hielt in einem Wohnraum eines Asylbewerberheimes mit einem Revolver drei Landsleute mindestens eine Stunde lang in Schach. Die Waffe war mit drei Patronen geladen, zwei davon waren, was der Angeklagte nicht wußte, unbrauchbar. Er bedrohte die drei Landsleute mit dem Tode und spielte wiederholt „russisches Roulette“, indem er die Waffe abwechselnd, insgesamt fünfmal, auf einen von ihnen hielt und mit bedingtem Tötungsvorsatz den Abzug betätigte. Einmal richtete der Angeklagte die Waffe unter Betätigung des Abzugs auch gegen sich selbst. Einem der Männer steckte er zudem einmal den Lauf der Waffe in den Mund, ohne hierbei freilich den Abzug zu betätigen. Zwei Männern schlug er außerdem mit der Waffe gegen den Kopf. Bei den Schußversuchen löste sich lediglich gegen Schluß des Geschehens ein Schuß, der jedoch gegen den Boden prallte und von dort denjenigen, in dessen Richtung der Angeklagte die Waffe gehalten hatte, am Fuß traf und verletzte. Schließlich rauchte der Angeklagte eine Haschischzigarette, beruhigte sich etwas, umarmte einen der Bedrohten, zielte gegen die Wand und drückte ein letztes Mal ab, wobei sich wiederum kein Schuß löste; dies wäre mangels funktionsfähiger Munition auch gar nicht mehr möglich gewesen. Zwei der Opfer verließen anschließend das Tatzimmer, ohne hieran noch vom Angeklagten gehindert zu werden. Ein vierter hinzukommender Landsmann nahm dem Angeklagten schließlich die Waffe ab.
Die Auffassung des Schwurgerichts, der Angeklagte habe nach dem letzten Schußversuch gegen die Wand keine Möglichkeit mehr gesehen, die Tötung seiner Zechgenossen noch mit dem Revolver realisieren zu können – daher scheide ein Rücktritt vom Versuch wegen Fehlschlags aus –, ist angesichts der getroffenen Feststellungen unverständlich. Der Angeklagte ging von der Funktionsfähigkeit auch der verbliebenen zwei Patronen aus; ein klickendes Geräusch entstand nach Betätigung des Abzugshahns auch, wenn dieser auf keine Patrone traf; die Trommel des klemmenden Revolvers drehte der Angeklagte wiederholt. Danach waren sechs Fehlversuche (vier Tötungsversuche, ein Selbsttötungsversuch, ein versuchter Schuß gegen die Wand) neben einem – nicht tödlichen – Treffer beim vorletzten Anlauf kein Beleg für eine Undurchführbarkeit tödlicher Schüsse mit der vorhandenen Waffe aus der – maßgeblichen – Sicht des Angeklagten. Wenn der Angeklagte weitere derartige, nicht erkanntermaßen aussichtslose Versuche unterließ , liegt seine Straffreiheit unter dem Gesichtspunkt des versuchten Totschlags wegen Rücktritts auf der Hand. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn auf die subjektive Sicht des Angeklagten von der Tauglichkeit weiterer sofort möglicher Tötungsversuche, die einen Fehlschlag ausschließt, abgestellt wird. Zumindest muß ein Verzicht auf weitere unerkannt untaugliche Versuche zur Straffreiheit entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen, da sonst der gefährlichere Täter, der auf tatsächlich taugliche weitere Tatanläufe verzichtet, sachwidrig bevorzugt würde (vgl. zum Vorstehenden Lilie/Albrecht in LK 11. Aufl. § 24 Rdn. 65). Bei alldem akzeptiert der Senat die Auffassung des Schwurgerichts, das langandauernde Tatgeschehen als eine natürliche Handlungseinheit zu verstehen.
Die Aufhebung erfaßt bei der gegebenen Tateinheit auch die als solche zutreffende Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und unerlaubten Führens einer Schußwaffe. Sollte das neu zur Entscheidung berufene Schwurgericht wiederum zu Feststellungen gelangen, welche die Straffreiheit des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt des Totschlagsversuchs wegen Rücktritts rechtfertigen, wird es das Tatgeschehen – schwere räuberische Erpressung, von deren Verfolgung nach § 154a StPO abgesehen wurde, schied offenbar aus – auch unter den rechtlichen Gesichtspunkten der Freiheitsberaubung, Nötigung und Bedrohung sowie zweier weiterer gefährlicher Körperverletzungen durch die Schläge, eventuell gar der Geiselnahme zu beurteilen haben. Die Schuldfähigkeit wird ebenfalls neu zu prüfen sein; dabei erscheint die Annahme lediglich erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit – wenngleich das Tatverhalten gravierende Anhaltspunkte für eine massive Enthemmung des partiell wenig sinngesteuert agierenden Angeklagten aufweist – bei dem Gesamtbild des Tatgeschehens nicht rechtfehlerhaft. Für den Maßregelausspruch weist der Senat auf den gegenüber dem Wortlaut des § 64 Abs. 2 StGB verbindlich eingeschränkten Maßstab nach BVerfGE 91, 1 hin.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.