Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2002 - 5 StR 201/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im übrigen – wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen in 22 Fällen, in 15 dieser Fälle in weiterer Tateinheit mit sexueller Nötigung, in den verbleibenden sieben Fällen in weiterer Tateinheit mit Vergewaltigung, zu acht Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die unbeschränkt gegen die Verurteilung eingelegte Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Hingegen führt das Rechtsmittel in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
Zwischen der Beendigung der Tatserie und der Aburteilung ist ein Zeitraum von mehr als vier Jahren verstrichen, zwischen der kurz nach Anzeige der Taten erfolgten Inhaftierung des wenig später vom Vollzug der weiteren Untersuchungshaft verschonten Angeklagten und dem Beginn der Hauptverhandlung ein Zeitraum von deutlich über drei Jahren. Schon den hierin liegenden Besonderheiten des langen zeitlichen Abstandes zwischen Taten und Urteil und der mit der langen Verfahrensdauer verbundenen Belastungen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13) hat das Landgericht mit der bloûen strafmildernden Berücksichtigung, die Taten lägen “zudem bereits länger zurück”, nur unzureichend Rechnung getragen.
Darüber hinaus fällt bei der revisionsgerichtlichen Sachprüfung der Zeitraum von nahezu drei Jahren zwischen Anklage und Eröffnungsbeschluû auf, für dessen immense Dauer kein sachlich vertretbarer Grund erkennbar ist. Hiernach ist die ± einem entsprechenden als verfahrensrechtlich zu wertenden Einwand der Revision (vgl. BGHR aaO) folgende ± Besorgnis des Generalbundesanwalts berechtigt, daû es im vorliegenden Fall zu einer gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verstoûenden Verfahrensverzögerung gekommen sein könnte, der das Landgericht nicht, wie geboten, durch deren Feststellung und insbesondere durch die regelmäûig unerläûliche spezielle Strafzumessung, in der das Maû der hierfür zugebilligten Kompensation genau bestimmt wird (vgl. BGHSt 45, 308, 309; BGHR aaO; jeweils m. w. N.), Rechnung getragen hat.
Der Senat merkt an, daû das Strafmaû auch unabhängig von diesen zeitlichen Besonderheiten trotz des ± freilich nicht durch die Gewaltkomponente geprägten ± beträchtlichen Gewichts der Tatserie namentlich im Blick auf die Geständigkeit des Angeklagten insgesamt sehr hoch bemessen worden ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.