Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2005 - 5 StR 147/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten schwe ren Raubes, vorsätzlicher Körperverletzung, vorsätzlichen Vollrauschs und Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der Senat sieht Anlaß zu folgender Klarstellung: Dem Angeklagten wurde bei allen Taten trotz jeweils erheblicher Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit aufgrund Alkoholisierung eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt. Das Landgericht führt in diesem Zusammenhang aus, der Strafrahmenverschiebung stehe insbesondere entgegen, daß sich für den einschlägig wegen alkoholbestimmten Gewalt- und Eigentumsdelikten vorbestraften Angeklagten durch die alkoholische Enthemmung vorhersehbar das Risiko der Begehung entsprechender Straftaten erhöht habe. Dieser regelmäßig für sich allein tragfähige Ansatz (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3352, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) wird hier durch die Feststellungen der Strafkammer relativiert, daß der Angeklagte seit seinem 20. Lebensjahr jeden Tag bis zu zweieinhalb Flaschen hochprozentiger Al- koholika trinkt und inzwischen alkoholkrank an der Grenze zum chronischen Alkoholismus ist, zudem nach regelmäßigem morgendlichen Trinkbeginn nur noch eingeschränkt seinem Verlangen nach Alkohol widerstehen kann.
Bei der Entscheidung, ob dem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gewährt wird, können im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte zwar auch einem alkoholkranken Straftäter schulderhöhende Verhaltensweisen angelastet werden, die den grundsätzlich schuldmindernden Gesichtspunkt einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufwiegen (vgl. BGH aaO S. 3352; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 29). Voraussetzung ist jedoch nicht nur die Vorhersehbarkeit, sondern auch die Vermeidbarkeit entsprechenden Verhaltens (vgl. BGH NJW 2004, 3350, 3351). Gerade dem Alkoholkranken kann deshalb jedenfalls sein Alkoholkonsum in aller Regel nicht ohne weiteres schulderhöhend vorgeworfen werden.
Die Versagung der Strafrahmenverschiebung ist vorliegend angesichts folgender weiterer Erwägungen nicht zu beanstanden: Sachverständig beraten hat das Landgericht bei dem Angeklagten festgestellt, daß er in seiner Steuerungsfähigkeit im Hinblick auf die Entscheidung, Alkohol zu sich zu nehmen oder dies zu lassen, nur erheblich eingeschränkt ist. Trotz Alkoholgewöhnung ist danach ein Rest von Steuerungsfähigkeit in bezug auf die Alkoholaufnahme erhalten geblieben, der es unter den festgestellten Umständen rechtfertigt, die Alkoholaufnahme dem in alkoholisiertem Zustand häufig gewalttätigen Angeklagten – wenn auch mit minderem Gewicht – als schulderhöhend, weil vermeidbar, anzulasten. In die Gesamtabwägung, bei der dem Tatrichter ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. BGH aaO S. 3353), konnten hier die übrigen vom Landgericht geschilderten konkret besonders gewichtigen Tatumstände wiederholt einschlägiger Vorerfahrungen schulderhöhend eingestellt werden, so daß von einer Strafrahmenverschiebung abgesehen werden durfte.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.