Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2019 - 5 StR 104/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. März 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, analog § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
a) mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, aa) in den Fällen II.1, 4 bis 6, 26 und 27 der Urteilsgründe, bb) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und über die Einziehung von Taterträgen in den Fällen II.1 und
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bis 6 der Urteilsgründe,b) dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in den Fällen II.2, 3 und 7 bis 25 der Urteils- gründe in Höhe von 8.535 € angeordnet ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 27 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer sechsjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt sowie die Einziehung von Tater- trägen in Höhe von 27.555 € und eines Handys nebst Hülle angeordnet. Die Revision des Angeklagten ist im aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang erfolgreich und im Übrigen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
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- 1. Die von der Revision zulässig erhobene Rüge eines Verstoßes gegen § 250 StPO führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte in den Fällen II.26 und 27 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu zutreffend Folgendes dargelegt: „Das Landgericht hat durch die Verlesung der Einlassungen der früheren Mitangeklagten U. und B. K. , die sie in dem vor Abtrennung des Beschwerdeführers und sodann gegen ihn ausgesetzten Verfahren über ihre Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 15. August 2018 haben verlesen lassen , gegen den in § 250 StPO niedergelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen. Ausnahmen sind nur unter bestimmten , in den §§ 251 ff. StPO im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen möglich (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2007 – 2 StR 490/06 –, juris Rdnr. 10). Ein derartiger Ausnahmefall lag hier nicht vor. Insbesondere waren weder die formellen noch die materiellen Voraussetzungen des § 251 Abs. 1, 2 oder 4 StPO gegeben.“
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- Der Senat vermag nicht hinreichend sicher auszuschließen, dass das Urteil im bezeichneten Umfang auf den Verfahrensverstößen beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Dies gilt auch für den Fall II.27, bei dem der Angeklagte seine Beteiligung weitgehend eingeräumt hat und weitere Beweismittel auf seine Täterschaft hindeuten. Denn das Landgericht hat seine Überzeugung hiervon maßgeblich auch auf die Erklärungen der früheren Mitangeklagten gestützt.
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- 2. Die auf die erhobene Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils deckt einen die Fälle II.1 und 4 bis 6 betreffenden Rechtsfehler auf (a) und veranlasst eine Änderung der Einziehungsanordnung (auch) in den übrigen Fällen (b).
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- a) Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt : „DieFeststellungen rechtfertigen ferner nicht den Schluss, der Angeklagte habe in den Fällen 1 und 4 bis 6 mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben. aa) Die Strafkammer hat es verabsäumt, die Wirkstoffgehalte und Wirkstoffmengen der in den Fällen 1 bis 25 … jeweils gehandelten Drogen aufzuklären … bb) Der Rechtsfehler führt in den Fällen 1 und 4 bis 6 zur Aufhebung des Urteils. Bei diesen Taten ist nicht belegt, dass der Angeklagte eine nicht geringe Menge Ecstasy-Tabletten im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Zwecke des Handeltreibens verkaufte. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist allein auf der Grundlage der im Urteil mitgeteilten Stückzahl von jeweils 500 bis 2000 Ecstasy-Tabletten … eine ausreichend sichere Feststellung der Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 30 Gramm MDA/MDMA/MDE-Base nicht möglich, weil die in der Praxis als Ecstasy vertriebenen Tabletten erfahrungsgemäß von unterschiedlichem Gewicht sind und deren Wirkstoffkonzentrationen und -kombinationen schwanken (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2010 – 2 StR 296/10 –, juris Rdnr. 3; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rdnr. 338). In Ermangelung kon- kreter Feststellungen zum Gewicht der gehandelten EcstasyTabletten lässt sich auch mit Blick auf die Verkaufspreise nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Angeklagte jeweils Ecstasy in einer den Verbrechenstatbestand begründenden Menge veräußerte.“
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- Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und hebt daher die Schuldsprüche in den Fällen II.1 und 4 bis 6 – ebenso wie in den Fällen II.26 und 27 – mit den zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) auf. Für die übrigen mit dem Rechtsfehler behafteten Fälle schließt er aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen hingegen aus, dass das Urteil hierauf beruht.
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- b) Die Einziehungsanordnung bedarf auch aus einem weiteren in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts angegebenen Grund der Änderung: „DasLandgericht hätte gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen anstelle der Einziehung von Taterträgen … erkennen müssen. In einer Konstellation, in der sich – wie hier – die vom Betäubungsmittelhändler unmittelbar aus den abgeurteilten Drogengeschäften erlangten Geldscheine nicht mehr nachweisbar in dessen Besitz befinden, bestimmt sich die Entscheidung nach der Vorschrift des § 73c Satz 1 StGB über die Einziehung des Wertersatzes , weil die Einziehung des Erlangten selbst aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich ist (vgl. Volkmer in Körner /Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. § 33 Rdnr. 164, 169). Rechtsfehlerbehaftet ist zudem die Anordnungshöhe. Die Strafkammer hat nicht erkennbar bedacht, dass eingedenk des wirksamen Verzichts des Angeklagten auf das bei ihm sicherge- stellte Bargeld über insgesamt 8.020 EUR … der staatliche Zahlungsanspruch in Höhe des genannten Betrages erloschen und die Einziehung des (Wertes des) Tatertrages insoweit ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 5 StR 198/18 –, juris Rdnr. 33). Für die Fälle 2, 3 und 7 bis 25 verbleibt deshalb ein einzuziehender Betrag von lediglich 8.535 EUR (16.555 EUR abzüglich 8.020 EUR …).“
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- Diesen Erwägungen schließt sich der Senat an und ändert die vom Landgericht getroffene Einziehungsentscheidung entsprechend ab.
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- 3. Der Wegfall der im Fall II.27 verhängten vierjährigen Einsatzstrafe sowie der für die Fälle II.1, 4 bis 6 sowie 26 festgesetzten Geld- und Freiheitsstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
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- 4. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass er den bisherigen Feststellungen zum Fall II.27 eine vom Angeklagten mittäterschaftlich mit dem früheren Mitangeklagten K. begangene Einfuhr im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG entnehmen würde.
Mosbacher Köhler
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,
- 1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind; - 2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen; - 3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann; - 4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn
- 1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen; - 2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann; - 3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.